Noch stehen vier Namen auf der Homepage der Kinderarztpraxis im Donauwörther Maximilium - allerdings ist das ein Eintrag, der bis dato lediglich nicht korrigiert wurde. Die Realität sieht anders aus: Im April haben sich zwei Kollegen beruflich verändert, sodass mit Dr. Wolfgang Beck und Katharina Ehrenberg seitdem nur noch die Hälfte der früheren Kinder- und Jugendärzte dort praktiziert. Ein Einschnitt, der die Situation insgesamt - angesichts voller Wartezimmer - verschärft.
Laut Kassenärztlicher Vereinigung Bayern (KVB) befindet sich der Landkreis Donau-Ries mit der Anzahl der Kinderärzte gerade noch in einem akzeptablen Bereich. Mit seinem Versorgungsgrad von 82 Prozent liegt er aber unter dem Bundesziel. „Der Donau-Ries-Kreis steht vor einer drohenden Unterversorgung“, gibt Axel Heise, Pressesprecher der KVB, Auskunft. Von einer „Verniedlichung der Problematik“ spricht indes Personal, das den Alltag erlebt.
Der Versorgungsatlas zeigt es: Im Landkreis Donau-Ries gibt es zu wenige Kinderärzte
Im Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) ist der Donau-Ries-Kreis mit Blick auf Kinder- und Jugendärzte hellrot markiert - wie weitere acht Landkreise auch. Alle anderen der insgesamt 71 Landkreise und kreisfreien Städte sind hellblau und dunkelblau oder aber dunkelrot gekennzeichnet. Die Farben spiegeln den Grad der Versorgung wider. Hellrot bedeutet die unmittelbare Stufe vor der Unterversorgung (dunkelrot), die ab 50 Prozent abwärts gegeben ist.
Im Donau-Ries-Kreis fehlen nach dem Schlüssel der KVB 2,5 von 9,5 möglichen Sitzen zur Vollversorgung. Eine Kinderärztin gibt es in Oettingen, zwei pädiatrische Mediziner in Donauwörth, drei weitere praktizieren in Nördlingen und eine vierte Zulassung hat die KVB im Herbst für Nördlingen vergeben. Damit sind es insgesamt sieben Zulassungen. Offen sind 2,5. Doch das sind blanke Zahlen, die den Alltag und die zukünftigen Szenarien nur theoretisch erfassen. Und die sehen dunkelschwarz aus, wenn man sich bei den Pädiatern im Landkreis umhört.
Die Suche nach Kinderärzten ist nahezu aussichtslos
Da ist Dr. Wolfgang Beck in Donauwörth noch von einem gewissen Zweckoptimismus getragen. Was seine „halbierte“ Kinderarztpraxis betrifft, beschreibt er die neue Lage so: „Wir versuchen, zu zweit das zu schaffen, was wir vorher zu viert gemacht haben.“ Dass das rein rechnerisch in derselben Form nicht möglich ist, liegt auf der Hand. Umstrukturierungen waren nötig. „Wir haben ein Abkommen mit den Hausärzten, dass wir Mädchen und Buben ab zwölf Jahren zu ihnen schicken können, damit wir uns auf die Säuglinge und Kleinkinder konzentrieren.“ Das kann aber laut Beck nur ein Teil der Lösung sein: „Wir suchen natürlich weiter nach Kollegen, die unser Team verstärken.“
Seine Einschätzung: „Die Situation ist schwierig. Auf dem Land ist es nicht leicht, Nachfolger zu finden.“ Welche Möglichkeiten gibt es, zu suchen? Wolfgang Beck hat Kontakte zu den Kliniken in Augsburg und in Neuburg und nutzt auch Plattformen des Berufsverbands. Dabei geht er nicht unbedingt von einer raschen Veränderung der angespannten Lage aus.
Ab dem Status „drohende Unterversorgung“ können finanzielle Fördermöglichkeiten in Anspruch genommen werden, wie KVB-Pressesprecher Axel Heise sagt. Der Landesausschuss der Bayerischen Ärzte und Krankenkassen in Bayern evaluiert zweimal jährlich die Lage und entscheidet über Zuschüsse. Auch das Bayerische Gesundheitsministerium fördere den ländlichen Raum in Form von Weiterbildungen, neuen Niederlassungen und unterstütze etablierte Praxen, in denen neue Kollegen gesucht werden.
Derartige Instrumente sind für Dr. Detlef Grunert, Kinderarzt in Nördlingen, nur hilflose Versuche, ein System zu retten, das längst dem Untergang geweiht ist. „Der Zug ist abgefahren. Dieses System - nicht nur im Hinblick auf Kinderärzte, auch bei anderen Fachärzten und Allgemeinmedizinern - bricht zusammen und das ist nicht mehr aufzuhalten“, ist er überzeugt. „Die Kinder sind jetzt sowieso schon nicht mehr ausreichend versorgt. Wir haben schon vor 20 Jahren den Verbänden, der Lokalpolitik und der großen Politik gesagt, wohin der Weg geht, doch die haben es noch immer nicht begriffen.“
Das Ausland lockt die deutschen Ärzte mit lukrativen Angeboten
Der Nachbesetzungsquotient frei gewordener Medizinerstellen liege in Deutschland „praktisch bei Null“. Niemand käme mehr nach, weil die Bedingungen so schlecht seien, sagt Dr. Grunert. Das Ausland locke die Mediziner mit lukrativen Angeboten. Seine Lösung: „Die Gebührenordnung gehört dringend angepasst.“ Das sei das eine Problem. Das andere beschreibt Dr. Grunert so: „Es kommen zu wenige Ärzte nach und wenn die alten Hasen wegbrechen, dann fehlt es nicht nur an Quantität, sondern auch an Qualität, denn die Jungen müssen erst noch lernen.“ Der 71-Jährige denkt zwar noch nicht konkret an Ruhestand, hat aber sein Pensum herunter gefahren.
Seine Kollegin Dr. Marion Wiedemann-Volk sieht das Dilemma ähnlich drastisch. Die Kinderärztin mit Praxis in Oettingen ist 70 Jahre alt und will im kommenden Jahr aufhören - unabhängig davon, ob sie einen Nachfolger hat, oder nicht. Ein weiterer Kollege in Nördlingen könnte ebenfalls in den Ruhestand gehen. Dann verschärft sich die Vakanz weiter. „Vor 15 bis 20 Jahren hat man Kollegen im Rentenalter in den Ruhestand geschickt“, weiß Dr. Wiedemann-Volk. Jetzt könne man bis ins hohe Alter praktizieren ob der prekären Situation.
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