Freispruch - so lautet das Urteil des Augsburger Landgerichts für eine 69-jährige Rentnerin aus Sulzdorf, die im November 2020 ihren Ehemann so schwer mit einem Küchenmesser am Arm verletzt hat, dass dieser rund zwei Stunden nach dem nächtlichen Stich in der heimischen Wohnung starb. Freispruch deswegen, weil die Angeklagte nach Ansicht des Gerichts zum Zeitpunkt der Tat nicht schuldfähig gewesen sei.
Das Gericht folgte damit der Einschätzung der psychiatrischen Gutachterin, die der 69-Jährigen eine Persönlichkeitsstörung, bedingt durch regelmäßigen, erheblichen Alkoholkonsum attestiert hat.
Auch der Verteidiger der Angeklagten hatte auf Freispruch plädiert, aber auf einen bedingungslosen Freispruch wegen einer Notwehrhandlung der Frau gegenüber ihrem Ehemann. Das Gericht verfügte allerdings die Unterbringung der 69-Jährigen. Sie soll in einer geschlossenen Anstalt behandelt werden. Schrittweise könnten ihr dann Lockerungen zugestanden werden. Staatsanwaltschaft und Gericht gehen davon aus, dass die Angeklagte in ihrem heutigen Zustand weitere vergleichbare Straftaten begehen könne. Der Haftbefehl gegen die Rentnerin bleibt deshalb bestehen.
Der Verteidiger plädierte auf Notwehr und wollte einen Freispruch
Dass es nicht für einen Freispruch aus Notwehr reicht, wie von Rechtsanwalt Walter Rubach gefordert, begründete Vorsitzender Richter Roland Christiani mit den unterschiedlichen Aussagen der Angeklagten zum Tatabend. Vor Gericht hatte sie gesagt, sie sei mit dem Messer in die Richtung ihres Ehemannes gestolpert. An anderer Stelle aber hatte sie es auch anders dargestellt. Nichts davon aber passe zu einer Notwehrhandlung. Ja, sie bekomme ihren Freispruch, so der Richter an die wiederholt dazwischenredende Angeklagte gewandt. Aber sie könne nicht als freie Frau aus dem Saal spazieren. Immerhin habe sie den Tod ihres Ehemannes verursacht. Unabdingbar sei aus Sicht des Gerichts – im Einklang mit der psychiatrischen Gutachterin - eine Behandlung der Frau. Die Angeklagte sprach während der Plädoyers und der Urteilsverkündung immer wieder davon, ins Kloster gehen zu wollen.
Als Erster war Staatsanwalt Benjamin Junghans in seinem Plädoyer zur Forderung „Freispruch“ gelangt. Für ihn war klar, dass die Angeklagte ihren Mann – offensichtlich im Streit um dessen Mobiltelefon – mit dem Küchenmesser verletzt hatte. Anschließend hätten weder die Angeklagte noch der Verletzte der beständig blutenden Wunde eine derartige Bedeutung beigemessen, als dass sie sich darum gekümmert hätten. Nach etwa zwei Stunden war der Ehemann verblutet.
Wie so oft hatte die Frau anschließend - laut Zeugen - in jener Nacht in der Wohnung herumgeschrien, hatte auch den Polizei-Notruf alarmiert. Aber niemand hatte ihr Glauben geschenkt, da sie ja oft in ähnlicher Weise aufgefallen war. Staatsanwalt Junghans erkannte keine Hilfeleistung seitens der Angeklagten für ihren verletzten Ehemann. Als dann gegen 4 Uhr die ersten Helfer eintrafen, war der Ehemann bereits tot.
Die Angeklagte wird nun in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht
Rechtlich wandte sich Junghans vom Vorwurf des Totschlags ab. Der Staatsanwalt warf der 69-Jährigen vielmehr gefährliche Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge vor. Laut psychiatrischem Gutachten hat die Frau im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt. Also Freispruch, aber zusätzlich Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Anstalt.
„Freispruch“, so lautete auch die Forderung von Verteidiger Walter Rubach. Er zielte in seinem Plädoyer auf die unklare Situation in den Nachtstunden des 4. Novembers 2020 ab. Niemand wisse genau, was wirklich vorgefallen ist. Niemand könne daher in Abrede stellen, dass der Ehemann im Streit nicht seiner Ehefrau in einer Weise nahegekommen sei, weswegen diese keine andere Möglichkeit gesehen habe, als sich den Partner mit dem Messer vom Leib zu halten. Laut Rubach eine Form der Notwehr. Der Verteidiger forderte Freispruch aus Notwehr.
Am Ende nahm die Angeklagte das Urteil an und verzichte auf Rechtsmittel. Es ist zu erwarten, dass das Urteil in Kürze rechtskräftig wird.