Ein vergleichsweise mildes Lüftchen wehte am Mittwochabend durch die Debatte in der Holzheimer Mehrzweckhalle. Sie bot - herausgeputzt zum TV-Studio - den Rahmen für ein Thema, das an dieser geografischen Schnittstelle zwischen Donau-Ries, Aichach-Friedberg und dem Landkreis Augsburg auch schon für emotionalere orkanartige Böen in Diskussionen gesorgt hat. "Wie viel Windkraft verträgt Bayern?" lautete das Thema, zu dem der BR in der Live-Sendung "Jetzt red i" einlud. Moderiert von Tilmann Schöberl und Franziska Eder traten kritische Bürger in den Dialog mit Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und der Grünen-Bundestagsabgeordneten und Energie-Expertin Lisa Badum.
Die Energiewende muss kommen, sie ist das erklärte Ziel von Umweltschützern, Politik und anderen Interessenvertretern. Lockerungen der 10H-Regel in Bayern sollen dies voranbringen, der Bund will aber noch mehr und kritisiert diese Light-Version der Staatsregierung. Andererseits ruft die Angst vor den Folgen dieser Technologie für Mensch und Natur die Gegner auf den Plan.
Anita Reichhart: "Man kann bei offenem Fenster nicht schlafen"
Um es vorwegzunehmen: Die ultimative Antwort auf die Frage der Sendung blieben am Ende alle Beteiligten schuldig. Wie sollte sie auch lauten? Unterm Strich aber nutzen viele Bürger gern die Gelegenheit, den Finger in die Wunde zu legen. Auch wenn so mancher vielleicht das Gefühl hat, gegen Windmühlenflügel anzukämpfen.
Eine von ihnen ist Anita Reichhart aus Holzheim. Sie hat Angst vor weiteren Windrädern, für die es Pläne im Forstbezirk Brand zwischen Münster und Holzheim gibt - ergänzend zu den bereits bestehenden drei Anlagen in Holzheim und den beiden auf dem Baarer Berg. Sie sprach angesichts von Waldrodung und Flächenversiegelung von einem "ökologischen Desaster". Zudem machte sie Licht- und Lärmbelästigung geltend: "Man kann bei offenem Fester nicht schlafen."
Ingenieur Michael Haas (Aichach-Friedberg) hielt dem entgegen: "Emissionen werden nach einer Entfernung von 600 bis 800 Metern nicht mehr überschritten." Auch Hubert Aiwanger sprach von einer subjektiven Empfindung: "Ich sag ganz klar, die neuen Windräder sind kaum mehr zu hören." Er würde sich jederzeit trauen, in Anita Reichharts Gästezimmer zu übernachten.
Holzheims Bürgermeister Josef Schmidberger kann als Anwohner mitreden. Er versprach Messungen, die vor sieben Jahren nach dem Bau der Windräder versäumt wurden. Sollten sich Überschreitungen bestätigen, "werden wir den Bürgern entgegenkommen." Experte Martin Sambale vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu erklärte, die Anlagen bei Holzheim stünden zu Recht in der Kritik.
Aiwanger wie auch Lisa Badum sehen keinen Weg, der am Ausbau von Windenergie vorbeiführt. Gerade die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs zeigen, wie verletzlich wir durch unsere fossilen Importe wie Öl, Gas und Kohle seien. Mit Leidenschaft stieß Manfred Burzler vom Solarenergie-Förderverein ins selbe Horn: "Wir müssen da alle anpacken. Wir wollen vom Gas aus Russland weg."
Manfred Burzler bei Jetzt red i: "Wir müssen da alle anpacken!"
Lisa Badum sprach von einer Krisensituation, in der wir uns befinden und lobte dabei unter anderem innovative Unternehmer wie den Holzheimer Josef Unsinn, der dabei ist, auf Firmengelände selbst Strom zu produzieren. Unsinn sprach hier das Problem der Speicherthematik an, bei dem Badum versicherte: "Gesetze sind in Vorbereitung, wir arbeiten daran."
Klaus Lesti aus Holzheim ging es um faire Verteilung an. "Wir haben so viele Flächen im Landkreis." Es könne nicht sein, Windräder nur im Süden zu konzentrieren. Das sah auch Andreas Kneißl so, der darum bat, "auf 1200 Quadratkilometern Landkreisfläche Gerechtigkeit walten zu lassen". Hubert Aiwanger berichtete, dass sich die Debatte insgesamt massiv drehe. Er habe inzwischen bayernweit "Dutzende Anfragen von Unternehmern, die ein Windrad in ihrer Umgebung haben wollen, um sich selbst mit Strom zu versorgen.
Die Bürger mit ins Boot zu holen, ist ein Aspekt, der vielfach anklang. Lisa Badum lobte die Bürgermeister der beteiligten Gemeinden und Hubert Aiwanger sprach von "ordentlichen Renditen", die für Kommunen und Bürger zu erwirtschaften seien, wenn sie sich an Bau und Betrieb von Windrädern beteiligen. Das spüle Geld in die Kassen. Der Minister: "Die Bürger vor Ort sollen was davon haben, dann werden die aktiv Windräder wollen." Alexander Mai vom Augsburger Klimacamp gab hingegen zu bedenken, dass es eben nicht nur um Steuereinnahmen und Arbeitsplatzsicherung gehe, was an sich "super für die Kommunen ist". Er forderte "Klimagerechtigkeit".
Alexander Mai fordert Klimagerechtigkeit in Holzheim
Einen Vorschlag an die "große Politik" hatte Gemeinderat Josef Vogl. Er wünschte sich, dass die Betreiber von Windrädern nach der Inbetriebnahme nicht einfach so wieder verschwinden. Vielmehr sollten sie sich regelmäßig mit den Anwohnern austauschen und somit eine Art Beschwerdemanagement einrichten.
Hatten die Politiker Badum und Aiwanger sich insgesamt als recht harmonisches Duo über den Abend gegeben, so fuhr die Abgeordnete dem Minister am Ende doch noch in die Parade, indem sie massiv forderte: "Schaffen Sie diese unsinnige 10H-Regelung ab." Aiwanger seinerseits erklärte, wie es jetzt mit der gelockerten Regelung weitergehen soll. Das Gesetz solle bald verabschiedet werden, dann werde man mit den Landkreisen in den 18 Planungsregionen intensiv Vorranggebiete für Windenergie fortschreiben und die Windausschlussgebiete reduzieren wollen.