Die Scheinwerfer sind an, die Kameras laufen und in 3, 2, 1 – startet die erste digitale Bürgerversammlung der Stadt Harburg. „Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger“, begrüßt Rathauschef Christoph Schmidt, der hinter einem Rednerpult in der Aula der Grund- und Mittelschule steht. Für Schmidt ist die Situation ungewohnt, denn für den 35-Jährigen ist das die erste Bürgerversammlung als Stadtoberhaupt – dazu auch noch digital.
Harburg veranstaltet Bürgerversammlung online
Anstatt Bürgern sitzen vor Schmidt die Stadträte im Publikum. Dahinter arbeiten an einem Tisch drei Techniker, die seit zwei Wochen den hoffentlich reibungslosen Ablauf der Veranstaltung planen. Vor ihnen schlängeln sich Kabel zu drei Kameras, den Mikrofonen, Lichtern und einem großen Bildschirm für die Präsentationen.
Neben Schmidt sitzen vier Mitarbeiter aus der Verwaltung. Ohne, dass ihm die Zuhörer die Aufregung anmerken, spricht er ruhig weiter: „Dass der Amtsantritt als Bürgermeister im Mai dieses Jahres anders verlaufen wird, war allen klar. Doch welche Auswirkungen die Corona-Pandemie hat, das wusste keiner.“
Harburger Bürgermeister zieht zum Jahresende 2020 Bilanz
Ein unerwartetes Jahr, indem der Bürgermeister und die Stadt Harburg abseits der Corona-Pandemie einige Projekte umgesetzt haben. „Unsere erste Herausforderung war die Schaffung von Kindergartenplätzen“, blickte der Bürgermeister auf das Jahr zurück. Die Stadt mietete eine zusätzliche Wohnung für den Kindergarten in der Kernstadt an. Das zweite Stockwerk im Kindergarten in Ebermergen wurde ausgebaut. Anfang kommenden Jahres startet die zusätzliche Gruppe. Trotz zusätzlichem Angebot sind ab Januar alle Plätze belegt. Der geplante Ausbau des Kindergartens in Harburg dauert noch bis Mitte 2022. Der Waldkindergarten sei eine „sehr gute Idee“, doch der Stadtrat habe das Thema aus finanziellen Gründen bis kommendes Jahr vertagt, erklärt Schmidt und bedankt sich für das Engagement der Elterninitiative.
An anderer Stelle investierte die Stadt Harburg ebenfalls in die Zukunft der jungen Bewohner. „Wir haben nicht gedacht, dass die Digitalisierung der Schulen so schnell nötig ist“, gibt Schmidt zu. Doch die Pandemie und der Unterricht daheim änderten das: Für 220.000 Euro kaufte die Stadt interaktive Tafeln, Dokumentenkameras und Monitore.
Der Tourismus lief in diesem Jahr in Harburg gut. Die Stadt schaffte Fahrradständer an, wertete den Wörnitzstrand auf und freute sich über die zahlreichen Besucher auf dem Märchenweg.
Bauplätze in Harburg: Kurioser Fall im Baugebiet "Krautgärten"
Der Geschäftsleiter der Verwaltung, Werner Nothofer, thematisiert neben den zusätzlichen Kindergartenplätzen die Sanierungsarbeiten im Hallenbad und die fehlenden Bauplätze in der Kernstadt und den Ortsteilen. In fast allen Ortsteilen werden weitere Bauplätze geschaffen oder geplant.
Das gestaltet sich mancherorts besonders schwierig: Im Baugebiet „Krautgärten“ sei der Eigentümer eines Schrebergartens bereits 1908 verstorben. „Wir suchen noch nach den Erben“, sagt Nothofer mit einem Schmunzeln über diesen kuriosen Fall. Seit Jahren möchte die Schrebergärten in der Kernstadt gerne in Bauplätze umwandeln, doch einigen Besitzer widerstrebt das.
Bürgerversammlung Harburg: Zuschauer stellen Fragen über Chat
Bauplätze sind ein Thema, das die Harburger bewegt und Fragen aufwirft, die sie bei der digitalen Bürgerversammlung sofort stellen. Über einen Chat empfängt die Stadträtin Maria-Theresia Dannemann-Bauch die Nachfragen. Eine Bürgerin möchte wissen: „Was kann man gegen den leer stehenden Wohnraum machen?“
Dannemann-Bauch richtet die Frage an Nothofer. Seine Antwort: „Wir müssen zusammen mit dem Stadtrat schauen, wo Wohnraum leer steht, wie in der Donauwörther Straße, und dann vor Ort weitere Gespräche führen.“ Im Verlauf des Abends ploppen immer wieder neue Nachrichten im Chat auf. Der Ton ist respektvoll.
Kämmerer, Bau- und Ordnungsamt informieren die Harburger
Kämmerer Wolfgang Stegmüller führt die finanziellen Einnahmen und Ausgaben der Stadt aus. Sara Stadler, Leiterin des Amts für öffentliche Sicherheit und Ordnung, informiert über die vergangene Wahl, den aktuellen Glasfaser-Ausbau und Tourismus in Harburg. Bauliche Maßnahmen, wie die Erweiterung der Kita Harburg, eine Sanierung der Steinernen Brücke in Ebermergen, die Ausbesserungen der Straßen und den Bau einer Fischtreppe in der Wörnitz zwischen der Stadtmühle und der Geopark-Infostelle in Harburg, erläutern Stadtbaumeister Klaus Schindler und Timo Hiesinger-Eireiner vom Bauamt.
Nach den Vorträgen haben die Zuschauer Zeit, weitere Fragen über das Internet an Christoph Schmidt und die Verwaltung zu stellen. Es geht um Themen, wie die Fischtreppe, Straßensanierungen und den Dorfladen Ebermergen.
Bis zu 280 Bürger sahen den Livestream in Harburg
Nach knapp zwei Stunden endet Harburgs erste digitale Bürgerversammlung. Aufatmen. „Zwischenzeitlich haben 280 Personen zugeschaut. Mehr als 1000-mal wurde die Seite aufgerufen“, sagt Markus Anslinger zufrieden, der mit seiner Firma AM-Computer für die Technik bei der Online-Bürgerversammlung zuständig ist. Anslinger hat letztendlich die Veranstaltung überhaupt finanziell ermöglicht. Das erste Angebot, das die Stadt für so eine Veranstaltung eingeholt hatte, war zu teuer gewesen. Anslinger berechnet an dem Abend keine Arbeitsstunden, sodass die Stadt die digitale Debatte überhaupt bezahlen kann.
Bürgermeister Schmidt zeigt sich im Anschluss erleichtert: „Es ist eine ungewohnte Situation für mich. So fehlt mir der direkte Kontakt mit den Menschen.“ Er sei froh, dass wenigstens die Stadträte als Publikum dienten. Währenddessen bedanken sich die Zuschauer im Chat für die gelungene Veranstaltung. Manchen fehlt der persönliche Kontakt, andere wünschen sich für die Zukunft weitere digitale Angebote der Stadt Harburg.
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