Startseite
Icon Pfeil nach unten
Donauwörth
Icon Pfeil nach unten

Gut Sulz/Münster: Weit mehr als nur der Hallelujah-Cohen

Gut Sulz/Münster

Weit mehr als nur der Hallelujah-Cohen

    • |
    Steven Lichtenwimmer und Lara Wächter übernahmen den musikalischen Teil des Leonard-Cohen-Abends in Gut Sulz.
    Steven Lichtenwimmer und Lara Wächter übernahmen den musikalischen Teil des Leonard-Cohen-Abends in Gut Sulz. Foto: Barbara Würmseher

    Das also ist er: ein älterer Herr mit sympathischem Blick, dessen leise lächelnder Mund die Melancholie in den dunklen, mandelförmigen Augen nicht zu verbergen vermag. Das weiße Haar - früher eine dichte Mähne - liegt schütter am markanten Schädel.

    Das also ist Leonard Cohen. Jener Hallelujah-Cohen, dessen wohl berühmtestes Lied gefühlt auf allen Hochzeiten gesungen wird, auf allen Gedenkfeiern und Friedensfesten erklingt, in Gottesdiensten und bei sämtlichen stillen Anlässen, die nachdenklich machen. 

    Ein großes Konterfei hängt in der einstigen Kartoffelhalle auf Gut Sulz, die - längst zum Festsaal mutiert - zum zweiten Mal Schauplatz für das Literaturfestival Nordschwaben ist. Cohen, 2016 verstorben, ist in Form von Bildern optisch und gefühlt omnipräsent. Auch in biografischen Episoden und in seinen Liedern. 

    Leider war der Lyriker und Romanschriftsteller Cohen nicht in eigenen Werken zu hören.

    Als Lyriker und Romanautor allerdings kommt er nicht zu Wort. Ein bedauerlicher Verzicht - zumal bei einem Literaturfestival. Und eine vertane Chance, dem Hallelujah-Cohen in der Wahrnehmung des Publikums eine weitere, vielen sicherlich unbekannte Facette hinzuzufügen. Sei's wie es ist. Leonard Cohen ist auch in Melodien und Lebensbeschreibung eine Persönlichkeit, die zu fesseln versteht und den Saal in Atem anhaltende Ruhe versinken lässt. Ein Charakter, dem es gelingt, zum Hinhören und Hinschauen aufzufordern. 

    Ob seiner - begreiflichen - physischen Abwesenheit übernehmen die Akteure Lara Wächter (Gesang), Steven Lichtenwimmer (Gitarre) und Thomas Kraft (Texte) den Part, ihn vorzustellen. Ihn weit über jenen Hallelujah-Cohen hinaus zu einem neuen Bekannten zu machen, dem man an diesem Abend glaubt, zwischen einem Glas Rotwein und Gesprächen zu begegnen. 

    Die drei Protagonisten zeichnen das Bild eines "schwarzen Poeten", eines exzessiven Menschen, eines Troubdours und Herzensbrechers. Sie geleiten das Publikum auf den Lebensweg dieses Zweiflers und Sinnsuchers, der es verstanden hat, die Menschen mit Worten und Tönen zu berühren - und es immer noch versteht. Der in all seinen Brüchen und Schmerzen, mit all seinen Talenten ein Sympathieträger ist - eben weil er menschliche Schwächen und Stärken in sich birgt.

    Auf Gut Sulz entsteht eine besondere Atmosphäre des Genießens

    Das Publikum hat es sich auf den roten Stühlen bequem gemacht oder kuschelt sich in die gemütlichen Lounge-Möbel und kostet die elegant-rustikale Atmosphäre aus. Es entsteht ein besonderes Gefühl des Genießens, zu dem Hausherr Jochen Andreae einlädt und das in der Mixtur aller Komponenten entsteht. Der Mensch an sich lässt sich gerne Geschichten erzählen, das verströmt so etwas Wohliges. Das endet auch nicht an dem Punkt, an dem die Mutter aufhört, abends Märchen am Bett vorzulesen. Und so richten sich die Blicke gebannt auf die Bühne, wo Thomas Kraft von einem Mann erzählt, der seit seiner Kindheit von jüdischer Tradition geprägt war, der seinen Beruf scherzhaft mit "Sünder" angab, 17-jährig seine erste Band gründete und früh begann, Lyrik zu schreiben. "Er war ein literarischer Praktikant auf der Suche nach didaktischer Identität." 

    Kraft beschreibt Cohen als Seher und Propheten, seine Dichtung als Liturgie, seine surrealistische Bildsprache sowie Eros, Sexualität und Verzweiflung als immer wieder kehrende Themen. In seiner Heimat Montreal rezitierte Cohen in frühen Jahren seine Gedichte und nahm irgendwann die Gitarre mit, um sich dazu zu begleiten. So fand er sich selbst in der Identität des Songwriters.

    Die Fotos - an die Wand gebeamt - machen ihn lebendig: als kleinen Buben auf dem Dreirad, als Erwachsenen mal keck, mal elegant mit allerlei Kopfbedeckungen von der Schirmmütze bis zum Panama-Hut, als Bohemien, als zärtlichen Vater, dann wieder grüblerisch, verklärt, überlegend, markant in seinen Gesichtszügen - im Alter vielleicht noch interessanter, als in jungen Jahren. "I'm your Man" ertönt dazu vom Band.

    Laura Wächter und Steven Lichtenwimmer geben Cohen eine sehr besondere Stimme

    Meistens freilich sind es Lara Wächter und Steven Lichtenwimmer, die dem Sänger, Musiker und Komponisten Leonard Cohen eine Stimme geben. Die Finger des Gitarristen gleiten behutsam über die Saiten, greifen dann wieder beherzt hinein, schlagen Akkorde oder nutzen den Körper des Instruments, um den Rhythmus zu klopfen. Sie geben der schmeichelnden Stimme Lara Wächters ein zartes Fundament, auf dem sich der Gesang dieser bezaubernden, sehr besonderen Stimme in seiner eigenen Dynamik trittsicher bewegt. Es sind wunderbar interpretierte Lieder von leisem Charme, als ob eine Feder hauchzart durch den Raum schwebt: "Like a drunk in a midnight choir I have tried in my way to be free..."

    Die Zuhörer begleiten Cohen durch seine schwermütigen, von Angstzuständen geplagten Lebensphasen, jenen vergeblich nach einem konstanten Lebenskonzept Suchenden, sie erleben ihn einsam, entwurzelt, mit dem Tod kokettierend, dann wieder im Liebesrausch und Liebesschmerz mit den vielen Frauen, die er nahe oder auch nicht so nahe an sich heranließ. Und am Ende kommt als Zugabe, das, was wohl einfach nicht fehlen darf. Der Song, für den Hallelujah-Cohen heute weltweit berühmt ist. Und der - wie oft er auch interpretiert werden mag - einfach nie abgedroschen wirkt, sondern immer wieder einfach nur so unglaublich herzberührend ...

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden