Der Parkplatz oben „am Bock“ direkt neben der Kreisstraße an der scharfen Kurve auf der Anhöhe am Riesrand unweit von Großsorheim, das war für Michael Mayer seit über zehn Jahren so etwas wie ein Wohnzimmer unter freiem Himmel. Bei schönem Wetter saß er dort praktisch jeden Tag oben, oft auf dem Rückweg von der Arbeit in Donauwörth. Der begeisterte Motorradfahrer aus dem Nördlinger Stadtteil Kleinerdlingen genoss, wie er berichtet, ein Spezi „und schaute, wer sonst noch vorbeikommt“. Manchmal sei man nur zu zweit gewesen, oft hätten noch einige mehr die asphaltierte Fläche angesteuert, an der sich auch eine Sitzgruppe aus massivem Stein befindet.
Es seien hauptsächlich aber nicht nur junge Leute gewesen mit einer „Motorsport-Affinität“, erklärt Michelle Thal, 22, die ebenfalls seit einigen Jahren das Beisammensein in schöner Natur pflegte. Doch seit dem Sommer ist das nicht mehr möglich. Das Landratsamt hat den Parkplatz erst vorübergehend und inzwischen dauerhaft gesperrt. Grund: An der überregional als „Applauskurve“ bekannten Schleife versammelten sich immer öfter größere Gruppen, während Motorrad- und seit 2020 auch verstärkt Autofahrer mit Vollgas den kurvenreichen, rund 1,3 Kilometer langen Abschnitt der Kreisstraße in eine Rennstrecke verwandelten.
Behörden sahen eine akute Gefahr an der "Applauskurve" bei Großsorheim
Die Behörde reagierte, weil sie die akute Gefahr sah, dass an der Kurve ein Fahrzeug von der Straße abkommen und in die „Zuschauer“ schleudern könnte. Weil die Absperrung samt Schildern kurz darauf gestohlen wurde, erließ das Amt im Juli eine verkehrsrechtliche Anordnung. Soll heißen: Auf der Fläche darf kein Fahrzeug mehr stehen.
Die Motorsport-Freunde, die sich dort regelmäßig trafen, distanzieren sich in einem Gespräch mit unserer Zeitung von den Personen, die auf der Straße regelrechte Zeitfahrrennen austrugen und sich gerade im Bereich der scharfen Kurve zu höchst riskanten Fahrmanövern verleiten ließen. Dazu gehörten das Beschleunigen mit dem Motorrad auf einem Rad und das Driften quer zur Kurve mit dem Auto. Michelle Thal stellt klar: „Wenn wir so etwa gesehen haben, haben wir diese Leute auch mal rausgewunken und gefragt, ob sie noch alle Tassen im Schrank haben.“
Motorsport-Freunde an "Applauskurve" kommen aus dem ganzen Donau-Ries-Kreis
Die Stammgäste an der Kurve hätten niemals solchen Rasern applaudiert, betont Michael Mayer. Beklatscht worden sei höchstens ein Radfahrer, der sich den Berg hinauf gequält habe. Bei den Motorsport-Freunden, die sich seit vielen Jahren dort trafen, handle es sich um keine feste Gruppe. Die Personen kämen aus dem ganzen Donau-Ries-Kreis und aus dem angrenzenden Württemberg. Manche hätten nur zweimal im Jahr vorbeigeschaut.
Auf dem Parkplatz hätten sich immer wieder Spaziergänger und Radler hinzugesellt. Auch Motorradgruppen, die eine größere Tour fahren, hätten einen kurzen Stopp eingelegt und ein Schwätzchen gehalten. Sicher sei man mal die Straße rauf und runter gefahren, so der 26-Jährige, aber stets mit Bedacht.
Die Motorrad- und Autofahrer, die zunehmend negativ auffielen, kamen – und kommen – nach Erkenntnis der Polizei nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern bis aus dem Raum Augsburg, Nürnberg und Stuttgart. Dieses Phänomen sei vom Frühjahr an – wohl bedingt durch die Corona-Einschränkungen – zu beobachten gewesen, schildert Mayer: „Da habe ich mich teilweise nicht mehr hochgetraut.“
Der 26-Jährige und seine Bekannten aus der Kurve zeigen sich enttäuscht, dass das Landratsamt gleich derart radikal gehandelt habe. Es sei zuvor weder die Geschwindigkeit begrenzt worden, noch seien Warnschilder aufgestellt oder sonstige Maßnahmen ergriffen worden, moniert Alexander Hoser. Wenn all dies nicht geholfen hätte, „dann sagt niemand mehr was“. So aber fühlten sich die Parkplatz-Freunde um ihren Treffpunkt gebracht.
Damit nicht genug: Durch die Schlagzeilen, welche die „Applauskurve“ bei Großsorheim und diverse Raser und Ruhestörer in Donauwörth und Nördlingen in den vergangenen Monaten verursachten, reagierten viele Menschen in der Region auf Motorräder oder auf Autos, die optisch aufgemotzt – also getunt – sind, inzwischen ziemlich aggressiv. „Man ist offenbar automatisch ein Krimineller. Die Leute schauen einen schief an“, so die Wahrnehmung des 23-Jährigen aus Monheim. Dabei sei sein tiefergelegter Wagen mit Spoilern und Breitreifen lediglich ein Golf Diesel. Der mache keinen Lärm und alle Bauteile seien zugelassen.
Parkplatz-Freunde nahe Großsorheim wollen nicht mit Rasern in einen Topf geworfen werden
Man wolle nicht mit den Verkehrssündern „in einen Topf geworfen werden“, pflichtet Michael Mayer bei. Der berichtet, er sei bereits mehrmals von Passanten und anderen Verkehrsteilnehmern mit aggressiven Gesten oder sogar Beleidigungen bedacht worden – nur weil er auf einem Motorrad unterwegs sei. Aktuell werde um das Thema Autotuning „viel Drama gemacht“. Mayers Wunsch: „Wir wollen anders wahrgenommen werden.“
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