"Es war eine wilde, verrückte Zeit, aber auch eine wunderschöne", schreibt die Künstlerin Maria Detloff über die 68-er Jahre an der Münchner Akademie der schönen Künste, wo die allgemeinen politischen Unruhen spürbar waren. Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund war sie Schülerin bei Professor Josef Oberberger und erinnert sich: "Wir haben uns oft mit ihm im Café Schmid getroffen und sind mit ihm hängen geblieben. Wir alle haben von ihm viel mitgenommen für unser Leben."
"Obe" -, wie er gleichermaßen liebe- und respektvoll von seinen einstigen Studenten genannt wird, war Maler, Zeichner, Karikaturist und Kunstprofessor. 400 junge Menschen hat er in 35 Jahren unterrichtet, und seine Leistung wird noch heute geschätzt, "wenn es auch schwierig war, seine Eigenarten zu übersehen", wie Karlheinz Gottstein, einer von ihnen, anmerkt. Was "Obe" auszeichnete, ist neben der handwerklich exzellenten Beherrschung seiner Kunst vor allem wohl sein pädagogisches Prinzip, die Schüler sich selbst finden zu lassen, ohne ihnen seinen Stempel aufzudrücken. Buntheit, Vielfalt, schöpferische Freiheit und die Möglichkeit, sich durch Führung, aber nicht Einengung individuell zu entwickeln - das ist es, was noch heute, bald 30 Jahre nach seinem Tod, von ihm als Lehrer geblieben ist.
Ausdrucksstarke Exponate in charaktervoller Architektur laden zum farbenfrohen Rundgang ein
All das gibt es jetzt auf dem Gelände des Gempfinger Pfarrhofs in kreativer, sinnenreicher Opulenz zu erleben. Holzlege und Pfarrstadel mit zwei ganz neu hergerichteten Nebengebäuden laden ein zum farbenfrohen Rundgang durch schöpferische Welten. Da verschmelzen die charaktervolle Architektur der Ausstellungsräume mit den ausdrucksstarken Exponaten zu einer spannenden Einheit und geben dem Ort einmal mehr etwas Magisches. Skurrile Motive wie die auf den Bierbauch betonten, Gerstensaft trinkenden Männer von Ulrich Tyroller reihen sich neben die plastischen Malereien "Zitronenbaum" und "Blau gewinnt" von Amelie Kratzer.
"Tanzstunde in Schwarz" von Michael Schölß lässt sich in seiner abstrahierten Ausdrucksform nur erahnen, ebenso lädt sein "Gebirgssee abends" dazu ein, sich interpretatorisch hineinzuvertiefen. Und dann ist da auch Wilhelm Holderied, der zur Vernissage den Flötenspieler unter einer rot-bunten Fantasie-Haube gab, die Aufsehen erregte. Sie alle und 56 weitere Kolleginnen und Kollegen gibt es noch bis 16. Oktober (immer sonntags von 14 bis 17 Uhr) zu erkunden. Wer sich fallen lässt in die ganz besondere Atmosphäre, entdeckt in jedem Abschnitt Überraschendes.
Dazu offenbart der lesenswerte Katalog zur Ausstellung - finanziert von einer Reihe großzügiger Sponsoren - eine Fülle von Kostbarkeiten in Wort und Bild. Nicht nur sind es die Arbeiten der Künstler, die man darin findet, nicht nur sind es originelle Fotos aus der Akademie-Zeit Oberbergers. Festgehalten sind darüber hinaus kleine Geschichten, Episoden, Gedanken, die die ehemaligen Schüler mit ihrem Lehrer verbinden. Oder, wie der Augsburger Verleger Rudolf Wittmann, Herausgeber des Katalogs, bei der Eröffnung sagte: "Es ist eine Art Klassentreffen, bei dem sich die Schüler untereinander nicht kennen." Kostproben aus den köstlichen Erinnerungen las BR-Sprecher Martin Fogt.
Die Ausstellung geht zurück auf die Initiative des hoch motivierten Vorsitzenden Erich Hofgärtner
Wer indes jeden Einzelnen von ihnen kennt, ist Erich Hofgärtner, der hoch motivierte und inspirierte Vorsitzende des Fördervereins. Auf seine Initiative und die Mithilfe seines nimmermüden Teams geht die Ausstellung zurück. Es muss die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen gewesen sein, die Hofgärtner akribisch betrieben hat, um am Ende 60 frühere Oberberger-Schüler ausfindig zu machen und deren Arbeiten nach Gempfing zu holen. Christl Karnehm, die Vorsitzende der Münchner Oberberger-Stiftung, lobte ihn bei der Vernissage als "unbeirrbaren und fleißigen Kurator". Weder die mühsame Suche noch die Grenzen der Örtlichkeit hätten ihn bremsen können.
Landrat-Stellvertreterin Ursula Kneißl-Eder freute sich über die Strahlkraft der Exposition, in der Heiteres, Ernstes, Religiöses wie Profanes aufeinanderträfen. "Mit dieser Ausstellung versammelt sich ganz Bayern in Gempfing", sagte sie. Und Rains Bürgermeister Karl Rehm dankte dem Förderverein dafür, mit Kunst dem Betrachter auf eine andere Ebene zu verhelfen. Sie setze unserer im Wandel begriffenen Gesellschaft voller Verunsicherung etwas Beruhigendes entgegen.