Andreas Kuhnlein ist ein gefragter Künstler. Seine Holzskulpturen und Installationen findet man auf Ausstellungen in ganz Europa - in Galerien, Höfen und Burgen. Am nächsten kommt man seinen mit der Kettensäge geschaffenen zerklüfteten Figuren vielleicht in archaischen Räumen. So setzte er beispielsweise 2023 im Castel Pergine, einer mächtigen mittelalterlichen Burg im Trentino, seine Figuren in die gesamte Anlage. Bestens geeignet ist nun auch der Gempfinger Pfarrhof, um das Thema „Was ist der Mensch?“ auszuleuchten und in expressiver Weise figürlich zu gestalten.
Im Stadel mit seinen unverputzten Ziegelwänden und dem hohen Dachstuhl wie auch im offenen Dachgeschoss stehen die Skulpturen Kuhnleins gleichsam im Dialog mit dem Raum. Eindrucksvoll ein von oben senkrecht herabstürzender Ikarus, der seinen Übermut mit dem Leben bezahlen musste. Daneben voller Leid und Furchen eine nach klassischen Vorbild gestaltete Pieta. Fast sein ganzes Leben lang haben den Künstler, der in Unterwössen im Chiemgau beheimatet ist, Fragen der Verletzlichkeit und der Vergänglichkeit des Menschen beschäftigt.
Zerfurchte Gesichter und Körper
Glatt sind die Oberflächen seiner Skulpturen daher nicht. Die mit der Motorsäge aus heimischen Baumstämmen gearbeiteten Figuren sind von Furchen in den Gesichtern und Körpern durchformt, ein Ausdruck für Zerrissenheit und Abgründe des Lebens. Ein zentrales Figurenpaar für diese Weltsicht findet man im Obergeschoss des Pfarrhofes platziert: Da sitzt ein Bischof im vollen Ornat auf der Kathedra, dem Zeichen der kirchlichen Autorität. Müde blickt er auf den Betrachter. Und daneben ein armseliges und bemitleidenswertes Geschöpf in derselben Pose, ohne Prunk und Insignien, mit einer offenen Wunde am Herzen. Diese befindet sich genau an der Stelle, an der auch der Baum eine Risswunde hatte.
Jetzt wurde die Ausstellung im Beisein zahlreicher Gäste im Pfarrhof durch den Vorsitzenden des Fördervereins Erich Hofgärtner eröffnet. Gerd Holzheimer, heiterer Literat und langjähriger Freund des Künstlers, gab eine kurzweilige Einführung in dessen Leben, Schaffen und Denken und verschwieg dabei auch nicht dessen Leidenschaft für die Fußballmannschaft der Münchner „Löwen“ - Vielleicht kein schlechter Zugang in die Unwägbarkeiten und Abgründe menschlichen Daseins.
Die Ausstellung bewegt und berührt
Rains Bürgermeister Karl Rehm nahm das Ausstellungsthema zum Anlass, in seinem Grußwort auf eine zentrale Aufgabe der Kommunalpolitik hinzuweisen, nämlich den Menschen in der Gemeinde ein angemessenes Wohnen, Arbeiten und Zusammenleben zu ermöglichen. Die Hofmarkmusik begleitete in gewohnt souveräner und spielfreudiger Manier die Beiträge der Eröffnungsveranstaltung mit traditioneller Musik aus Europas Regionen. Den Gästen im vollbesetzten Saal des Pfarrhofs wurden Instrumentalstücke aus der Ukraine, aus Israel und aus Makedonien geboten. Den fulminanten Schluss bildete „El Portenito“, ein Tango aus Argentinien.
Die Ausstellung bewegt und berührt und ist noch an den Sonntag-Nachmittagen (auch am 3. Oktober) bis 27. Oktober geöffnet. Wer den Künstler noch näher kennenlernen will, dem sei die Reportage „Ich schneid‘s mir von der Seele“ in der BR-Reihe „Lebenslinien“ empfohlen, einsehbar in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks. (anlö)
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