Als Frank Liermann die knarrenden Holztüren seiner Garage öffnet, scheint es, als würde die Zeit zurückgedreht. Inmitten von alten Schreibmaschinen, Spielzeugautomaten und Schildern aus den 50er Jahren thront Liermanns Rollersammlung – mehr als zehn Stück an der Zahl, fein säuberlich aufgereiht. „Seit 1989 sammele ich alte Gegenstände. Vor allem Roller sind mein Schwerpunkt und meine Leidenschaft“, sagt der Thurnecker mit einem Lächeln. Unter seinen Motorrollern gibt es eine ganz besondere Rarität: eine Venus MS175. Neben Liermanns italienischen, britischen und amerikanischen Oldtimern besticht die Venus nicht nur mit ihrer patinagrünen Farbe, sondern auch mit ihrer ganz eigenen, lokalen Geschichte.
Der Motorroller der Marke Venus hatte seinen Ursprung im Donauwörth der 50er Jahre. Dort wurde sie von Fabrikant Curt Würstl hergestellt und konnte sich innerhalb kurzer Zeit gegen die großen Hersteller wie NSU-Lambretta oder Vespa behaupten. Würstls Formel für das Zweirad: formschön und elegant sollte es sein, aber auch robust. Mit der Venus wollte der Fabrikant in der Blütezeit der modernen Motorroller italienisches Lebensgefühl nach Deutschland bringen. Jedoch verschwand der Venus-Roller nur wenige Jahre später wieder in der Versenkung. „Bis heute weiß man nicht genau, wieso“, sagt Liermann. Schätzungsweise wurden damals zwischen 1953 und 1955 circa 3500 Venus-Roller gebaut – „Heute gibt es keine 50 mehr, im Landkreis glaube ich, dass es lediglich fünf bis zehn gibt“, so der 51-Jährige.
Donauwörther Venus-Roller: Mit neun PS und 80 km/h
Einer von ihnen ist nun in Liermanns Besitz, allerdings noch nicht für lange. 2020 zog der 51-Jährige von Friedberg ins beschauliche Thurneck. „Bei Oldtimern geht es mir nicht um den Wert, sondern um Nostalgie und Lokalität.“ Und so begann er nach seinem Umzug, im Internet über die Geschichte Donauwörths zu recherchieren – und stieß dabei auf die Venus. „Ich fand eine Anzeige eines Händlers, der diesen Roller verkaufte“, sagt Liermann. Der Verkäufer importiere lediglich italienische Motorroller, unter ihnen habe sich die Venus versteckt. Als Liermann das Exemplar in Empfang genommen hatte, realisierte er: Der Roller, Baujahr 1954, ist noch im Originalzustand, hatte zuvor nur einen Besitzer und sogar noch Originalpapiere. Für Oldtimer-Liebhaber sei das ein wichtiger Faktor. Da das Gefährt zudem sehr selten ist, habe er auch etwas tiefer in die Tasche greifen müssen: mehrere Tausend Euro. Doch das sei es ihm wert gewesen, „es passt einfach alles“.
Insgesamt erreicht die Maschine mit ihren neun PS eine Höchstgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern. Fahren kann man mit Liermanns Venus allerdings nicht mehr: Seit 1964 ist sie abgemeldet. Somit sei sie nur zehn Jahre im Verkehr gewesen. Im Vergleich habe die Venus einen sehr starken, robusten Sachsmotor mit 175 Kubikmetern. Hinzu kommen drei Pedale: denn im Donauwörther Roller beschleunigt und bremst man per Fußpedal. Und dort findet sich eine weitere Besonderheit an Liermanns Zweirad: „Die Gummibeschichtung an den Pedalen gibt es nur an diesem Modell.“
Wenn man sich in Liermanns Garage umsieht, ist der Roller nicht das einzige Fahrzeug der Venus GmbH. Denn neben den Rollern lehnt ein verrostetes Fahrrad, ebenfalls Marke Venus – hergestellt von Curt Würstls Vater: „Von diesen Fahrrädern ist sehr wenig bekannt. Neben meinem gibt es nur zwei weitere.“ Eigentlich sei er kein Fahrradsammler, doch als er es auf einem Flohmarkt in Kaisheim entdeckte, musste er „zuschlagen“.
Venus-Roller Ausstellung im Heimatmuseum
Zwar ist seine Venus nicht mehr für die Straße zugelassen, doch in der Garage bleibt sie nicht lange stehen. Denn am Samstag nimmt Frank Liermann mit seinem seltenen Motorroller an der Sonderausstellung im Donauwörther Heimatmuseum auf der Insel Ried teil. Diese öffnet für Technikfreaks und Oldtimerfreunde anlässlich des 10. Oldtimertags am 24. August seine Pforten. Der 51-Jährige hofft auf viele weitere Oldtimer- und Venus-Roller-Begeisterte: "Ich freue mich auf neue Kontakte zu Gleichgesinnten.“ Organisiert wird der Oldtimertag heuer von Peter Hurle.
Dieser Artikel ist Teil unserer neuen Serie über besondere Fahrzeuge, deren Geschichten und über die Menschen, die sie fahren. Sie sind auch mit einem besonderen Gefährt unterwegs? Dann schreiben Sie uns gerne per Mail an redaktion@donauwoerther-zeitung.de, was Ihr Fahrzeug ausmacht.
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