Für viele Menschen mögen die Klassiker der deutschen Dichtkunst, die sie als Schüler zu analysieren und manchmal sogar auswendig zu lernen hatten, eine Qual gewesen sein. Lotte Löw konnte es in ihrer Schulzeit kaum erwarten, bis ihr Lehrer mal wieder ein Werk von Goethe oder Schiller zum Besten gab. "Das fand ich ganz spannend", erinnert sich die Ebermergenerin. Die ließ sich von den Gedichten und den Balladen, die sich "Lied von der Glocke", "Kraniche des Ibykus" oder "Erlkönig" nennen, inspirieren. Bald stellte sich heraus: Die Lotte hat Talent im Reimen. Über Jahrzehnte sind ungezählte Verse aus ihrer Feder entstanden. Dies würdigt die Dr.-Eugen-Liedl-Stiftung nun mit dem Pro-Suebia-Mundartpreis 2024.
Die Stiftung stellt damit die Verdienste der 79-Jährigen um die schwäbische Mundart heraus. Der Auszeichnung ist mit 7500 Euro dotiert. Als Lotte Löw vor ein paar Wochen den Anruf erhielt, dass sie als Preisträgerin auserkoren wurde, war ihre erste Reaktion eher verhalten, wie sie berichtet. Da hätten ihr doch glatt die Worte gefehlt: "Ich habe es erst gar nicht begriffen und musste die Nachricht erst mal verdauen. Ich war von den Socken."
Als junge Frau reimte Lotte Löw für ihre Arbeitskollegen
Mit Gereimtem hat Lotte Löw schon viele Menschen berührt, zum Schmunzeln und zum Lachen gebracht. Das ging schon los, als sie als junge Frau im Lohnbüro der Firma Gubi in Donauwörth tätig war. Stand eine Geburtstagsfeier im Betrieb an, baten die Kollegen oft um ein paar lustige Zeilen für die Jubilarin oder den Jubilar. Lotte Löw dichtete damals noch in Hochdeutsch. Mit der Zeit habe sie aber gemerkt: "Mit Mundart tue ich mich leichter."
Es sind die alltäglichen Dinge des Lebens, aber auch gesellschaftliche Veränderungen, aus denen Lotte Löw den Stoff für ihre Gedichte zieht. In denen geht es beispielsweise um Ehe und Kinder, um die Brille, den Müll, das veränderte Frauenbild, moderne Kunst oder Kleidungsstücke. "Ondrhosa" lautet denn auch der Titel eines ihrer Lieblingswerke. "Muggaschiss", "Koi guadr Dag" oder "D'Magd aufm Hof" heißen andere Gedichte, die sie schon oft vorgetragen hat. Denn Lotte Löw hat von Oberndorf bis Maihingen bereits schätzungsweise 50 Seniorennachmittage mit ihrer Beobachtungsgabe und ihrem Humor bereichert. Gleiches gilt für Weihnachtsfeiern von Vereinen. Auftragsarbeiten für Feierlichkeiten jeglicher Art oder die Vorschulkinder im Kindergarten hat sie ebenfalls schon vielfach erledigt.
Lotte Löw aus Ebermergen notierte Einfälle auf der Wand im Kuhstall
Was die Mutter von sechs Kindern, die einen auch Bauernhof mitzuversorgen hatte, im Nachhinein fast schon wundert: "Wenn ich den meisten Stress hatte, fiel mir am meisten ein." Etwa bei der Arbeit im Kuhstall. Da schrieb Lotte Löw ihre Geistesblitze kurzerhand mit dem Bleistift auf die getünchte Wand. Oder auf die Rückseite der Blätter des Kalenders, der dort hing. Solche Einblicke in das Schaffen Lotte Löws gewährte deren Schwiegertochter Doris nun bei der Preisverleihung, die im Krumbacher Ortsteil Niederraunau stattfand, dem amüsierten Publikum.
Ein Teil der Gedichte der Ebermergenerin ist in drei Heften verewigt, die in den vergangenen Jahrzehnten unter den Titeln "Sotte und Sotte - Gedichte von der Lotte", "Versla ganz flotte - von der Lotte" und "War des di guat alt Zeit?" erschienen. Auf letztere Frage lieferte die Verfasserin folgende Antwort: "Es bedarf gar koiner Frog, a jeds Jahrhundert hot sei Blog." Zudem sind mehrere Werke der Heimatpoetin im Buch "Butzagägeler" nachzulesen, das sich mit Mundartlyrik in Bayerisch-Schwaben beschäftigt.
Gedichte von Lotte Löw sind auch im Buch "Butzagägeler" zu lesen
Den Preis erhielt Lotte Löw aus den Händen des früheren Bezirksheimatpflegers Hans Frei, Vorstand der Dr.-Eugen-Liedl-Stiftung. Dem Vernehmen nach beeindruckte ein bei der "Butzagägeler"-Präsentation im vorigen Jahr vorgetragenes Gedicht der Ebermergenerin die anwesenden Verantwortlichen der Stiftung derart, dass sie sich näher mit dem Lebenswerk der Hobby-Poetin beschäftigten und dieses für auszeichnungswürdig hielten.
Weil Lotte Löw eine bodenständige, bescheidene Frau ist, zitierte Doris Löw anlässlich der Würdigung aus einem Gedicht ihrer Schwiegermutter über sich selbst (Überschrift: "I über mi"):
"Was soll i selber über mi saga,
i ka doch net über mi klaga,
ond tua me selber nor recht loba,
hoißts glei, der fehlt's a bissale do oba."