Der Schock ist überwunden, zumindest ein Stück weit. Oberbürgermeister Jürgen Sorré will die Nachricht, dass von Airbus Helicopters in den kommenden Jahren keine Gewerbesteuer an die Stadt Donauwörth gezahlt wird, zwar nicht so nennen – aber dennoch: "Es kam wie der Blitz vom Himmel", sagt der Rathauschef, "nichts hatte sich abgezeichnet." Es dürfe zwar nun "keine Weltuntergangsstimmung" verbreitet werden, trotzdem kommt in den nächsten Wochen alles auf den Prüfstand, was in Donauwörth auf der Agenda steht. Fast alles, denn einige Projekte gelten im Rathaus als "gesetzt".
Sorré sagt, er hege keine schlechte Stimmung gegen Airbus. Gut 7000 Arbeitsplätze bietet das Werk, das gebe auch Donauwörth weiterhin Stabilität. Bei dem Unternehmen ist dem Vernehmen nach die Auslastung am Standort Donauwörth gut; doch Airbus Helicopters Donauwörth und Airbus Defence and Space in Manching erhalten, wie berichtet, einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen. Das Manchinger Werk hatte Verluste verbucht, diese werden fortan mit dem Plus aus der Hubschraubersparte ausgeglichen. Kurzum: Statt Steuereinnahmen von 30 Millionen Euro von den Donauwörther Gewerbetreibenden ist spätestens ab 2026 nurmehr mit der Hälfte zu rechnen.
In Donauwörth muss jetzt einiges "über die Zeitschiene" geregelt werden
"Wir müssen die Dinge neu denken", sagt Sorré. Dies heiße aber nicht, dass es eine Streichliste gebe. Vielmehr wolle er mit dem Stadtrat die kommenden Investitionen "über die Zeitschiene" regeln. Kurzum: Wohl eine ganze Reihe an größeren und mittleren Ansinnen müsse fortan statt parallel nacheinander abgearbeitet werden, was wiederum zur logischen Folge hat, dass es wahrscheinlich bei einigen Vorhaben weitere Jahre braucht, bis sie umgesetzt werden können. Sorré will hierzu nicht die Namen nennen, um welche der Projekte es dabei gehen könnte.
Der Oberbürgermeister listet aber im Umkehrschluss auf, was als "gesetzt" gilt:
- Tanzhaus: Die Sanierung des zentralen Donauwörther Veranstaltungsgebäudes stehe, so Sorré, auf der Prioritätenliste ganz weit vorn. Zuletzt war ein Architektenwettbewerb ausgelobt worden, ein Siegerentwurf wurde bereits gekürt. Hier geht es nicht nur um die Wiederherstellung von Veranstaltungsflächen, die in der Stadt merklich fehlen, sondern um die Schaffung eines gesellschaftlichen Treffpunkts sowie um das Voranbringen der Innenstadt – am umfassenden Konzept mit Stadtbibliothek und neuem Café wird dem Vernehmen nach nicht gerüttelt. Sorré bleibt dabei: Er visiert einen Baubeginn ab Mitte 2024 an, bestenfalls könnten die Umbauten dann zwei Jahre dauern.
- Neues Bürgerspital: Auch bei diesem Vorhaben werde weder gestrichen noch geschoben. Die Schaffung wichtiger Plätze für pflegebedürftige Senioren sei ein Kernprojekt, welches auch für die Gesamtstruktur des sich auf 30 Hektar entwickelnden Alfred-Delp-Quartiers in der Parkstadt wichtig sei.
- Neubau des städtischen Kindergartens: Der Schneegarten soll am selben Standort neu errichtet werden. Eine Sanierung kam nicht infrage, zumal in diesem Falle mit 80 Prozent der Kosten eines Neubaus zu rechnen gewesen wäre – und zudem der Neubau eine lukrative staatliche Förderung in Aussicht hat.
Sorré erklärt, dass es bei den Punkten Bürgerspital und Kindergarten um Verpflichtungen gegenüber den Jüngsten und den Ältesten geht. Andere Kommunen würden allein für die genannten drei Projekte zwei Wahlperioden brauchen. Man komme jetzt, erzwungenermaßen durch die wegbrechenden Steuereinnahmen, wieder zu einem Normalzustand in der Zeitschiene – auch wenn die Ursache dafür eine bittere Pille sei. Nicht zu vergessen sei das, was die Stadt ohnehin an Pflichtaufgaben zu erfüllen habe – meist unbemerkt, weil dies als normal hingenommen werde, wie etwa die Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Feuerwehrwesens, "der öffentlichen Reinlichkeit", wie es in der Gemeindeordnung heißt, des öffentlichen Verkehrs, der Gesundheit, die Grundschulen, Trink- und Abwasser und, und, und ... In diesem Pflichtbereich, der stetig erweitert wurde (ab 2026 wird beispielsweise der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule schrittweise eingeführt), lässt sich nichts streichen.
Tausende Einzelposten des Verwaltungshaushalts in Donauwörth werden geprüft
Auch deswegen würde nun bei den tausenden Einzelposten des Verwaltungshaushalts, die nicht unter den absoluten Pflichtbereich fallen, noch einmal alles "komplett geprüft" werden, sagt Sorré. Ein Beispiel seien diverse "freiwillige Leistungen", die nicht unbedingt notwendig seien. Auch hierbei mag der Rathauschef nicht den Beratungen mit der Verwaltung und dem Stadtrat vorgreifen, erklärt aber, die Stadt müsse vorgehen wie jeder Bürger: "Was muss ich mir leisten, was hat einen wirklich positiven Effekt – und was ist ein "Nice to have" (schön, es zu haben, aber nicht notwendig, Anm. d. Red.)?" Verschiedene Investitionen ließen sich zudem nicht rückgängig machen. Beispielsweise sei das Mobiliar zur Steigerung der Aufenthaltsqualität in der Reichsstraße bereits "vor vielen Wochen" in Auftrag gegeben worden. Beruhigend sei bei diesem Punkt die hohe staatliche Förderquote von 90 Prozent. Auch das Jugendcafé in der Reichsstraße werde kommen, man dürfe auch in schwierigen Zeiten nicht an der falschen Stelle sparen.
Derweil stünden die jüngsten Gebührenerhöhungen (Parken und Kindergarten) nicht in Zusammenhang mit dem Einbruch bei der Gewerbesteuer – hierzu habe man schon vor Bekanntwerden der Nachricht aus dem Airbus-Konzern Beratungen geführt.
Fraglich ist in der Debatte, wie es um weitere Vorhaben steht, die auf der Wunschliste in Donauwörth stehen: Die neue Veranstaltungshalle und der Durchstich am Bahnhof zum Airbus-Werk wären hierbei zu nennen. "Schritt für Schritt" werde die Agenda abgearbeitet, sagt Sorré, ohne sich zum jetzigen Zeitpunkt festlegen zu lassen. Der OB bekräftigt dazu noch einmal: Bis dato gebe es keine Streichliste.