Startseite
Icon Pfeil nach unten
Donauwörth
Icon Pfeil nach unten

Donauwörth: Russlandexperte in Donauwörth: "Friedensperiode in Europa ist zu Ende"

Donauwörth

Russlandexperte in Donauwörth: "Friedensperiode in Europa ist zu Ende"

    • |
    Bei einer Friedenskundgebung in Asbach-Bäumenheim wurde aus Lichtern dieses Friedenszeichen auf dem Marktplatz geformt.
    Bei einer Friedenskundgebung in Asbach-Bäumenheim wurde aus Lichtern dieses Friedenszeichen auf dem Marktplatz geformt. Foto: Scholz (Archiv)

    Es hat sich vieles geändert seit dem 24. Februar 2022. Auch wer die Augen davor verschließen möchte - hier, wo scheinbar alles friedlich ist -, der spürt die Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Energiepreise, die trotz einer gewissen Beruhigung der Märkte nach wie vor auf Rekordniveau stehen, inflationäre Preisentwicklungen. Aber allem voran ist da das sichtbare Leid - ukrainische Familien, die oft in Gruppen am Landratsamt in der Donauwörther Pflegstraße ankommen, Turnhallen als Notunterkünfte. Meist sind es Frauen mit Kindern, die hier ankommen. Die Männer stehen im Krieg. Keine Frage, die viel zitierte "Zeitenwende" ist hier angekommen, in ganz Europa, auch im beschaulichen Nordschwaben. 

    Grund genug für die Hanns-Seidel-Stiftung, die in Kooperation mit dem Mehrgenerationenhaus in der Parkstadt und Quartiermanager Jörg Fischer einen Experten zur Bestandsaufnahme eingeladen hat. Die Kernfrage: Wie lange wird der Konflikt wohl noch dauern? Und wie wird er enden?

    Gunther Schmid hat drei Kanzler beraten - jetzt schilderte er in Donauwörth die Lage

    Gunther Schmid gilt als Russlandexperte mit jahrzehntelanger Erfahrung. Er beriet drei Bundeskanzler, arbeitete Lagebilder mit Schwerpunkt

    Auch in der Stauferhalle in Donauwörth waren Ukrainer untergebracht.
    Auch in der Stauferhalle in Donauwörth waren Ukrainer untergebracht. Foto: Sebastian Birzele

    Die russische Polit-Elite sieht Schmid unterdessen durchsetzt mit ehemaligen Geheimdienst-Mitarbeitern, die nachhaltig traumatisiert seien vom Zerfall des Sowjet-Imperiums Anfang der 1990er Jahre. Auch Putin hätte dieser tiefe Fall in die schiere geopolitische Bedeutungslosigkeit nach 1989 gekränkt, wenngleich die Entwicklung hin zur Aggression (ab 2007) nicht linear verlaufen sei. Es habe gerade zu Beginn der 2000er Jahre in den Augen Schmids ernsthafte Annäherungsversuche gegeben, vor allem nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001. Russland habe Unterstützung im Kampf gegen den islamistischen Terror angeboten - jedoch als "Deal" gegen die Akzeptanz der russischen "Einflusssphären" über die Grenzen des russischen Staates hinaus. Diesen politischen Handel habe der Westen letztlich aber ebenso wenig akzeptiert wie zahlreiche ehemalige Sowjetrepubliken. Des Weiteren bestehe eine Art "eingebildete Kränkung", eine vermeintliche Missachtung Russlands, eine Kränkung durch angebliche stetige Nichtbeachtung. Man wisse aus der Psychologie, dass das dauerhafte Gefühl der Nichtbeachtung bei Menschen auch zu Gewaltausbrüchen führen könne, wenn sie denn in einer Machtposition seien, erklärt Schmid.

    Schmid: Für Putin seien Staaten wie die Ukraine "Wurmfortsätze"

    Für Putin seien Nationen wie die Ukraine (aber auch der vermeintliche Partner Weißrussland) zudem keine eigenständigen Staaten, sondern "Wurmfortsätze" eines russischen Imperiums; die Ukraine als souveräner Staat werde von Putin und seiner Kamarilla (die wohl aus unter zehn Personen bestehe) letzten Endes als "Irrtum der Geschichte" bezeichnet, erklärt Schmid. Der Krieg sei in dieser Logik das notwendige Mittel, jenen "historischen Fehler" zu korrigieren. 

    Gunther Schmid ist Politikwissenschaftler - er war strategischer Berater unter drei Bundeskanzlern und gilt als Kenner der Ost-Politik und Russlands.
    Gunther Schmid ist Politikwissenschaftler - er war strategischer Berater unter drei Bundeskanzlern und gilt als Kenner der Ost-Politik und Russlands. Foto: Thomas Hilgendorf

    Der Experte, der sich seit 52 Jahren beruflich und stets wissenschaftlich mit Russland beschäftigt, sieht derweil verschiedene Szenarien für ein Kriegsende. Die nukleare Option, das sei zuvorderst gesagt, sei unwahrscheinlich - zu klar sei hierbei die rote Linie der Amerikaner, der einzigen westlichen Nation, die Putin aufgrund ihrer militärischen Stärke nachhaltig respektiere. Es sei "äußerst unwahrscheinlich", dass die Ukraine kapituliere. "Nicht auszuschließen" sei, dass die Ukraine die Russen vertreibe; möglich sei auch, dass die USA und China beide Parteien zum Ende drängen oder aber "neutrale Dritte" nach einer "Erschöpfung der Kriegsparteien" vermitteln. Die letzte Option sei "ein Machtkampf im Kreml" - wann auch immer dieser möglich wäre. Bei einem war sich der erfahrene Politikwissenschaftler sehr sicher: "Russland wird den Krieg militärisch nicht gewinnen können." 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden