140 Hektar. Das ist keine Kleinigkeit. Zum Vergleich: Ein großzügig bemessener Fußballplatz misst ungefähr einen Hektar. Direkt neben dem Donauwörther Naherholungsgebiet in Riedlingen plant die Wasserwirtschaft nun einen Rückhalteraum für Hochwässer mittlerer Größe, auf ebenjenen 140 Hektar. Die Grundbesitzer sind entsetzt ob der Pläne. Sie warnen eindringlich: Sollten die Pläne umgesetzt werden, wären die Seen sowie das Naherholungsgebiet an sich in Gefahr.
Donauwörther Badessen liegen direkt neben dem geplanten Rückhalteraum
Wilhelm Rister steht an diesem sonnigen Februarnachmittag mit einem Stoß Akten sowie Zeichnungen auf Millimeterpapier in der Hand dort, wo bald drei Meter Dämme aufgetürmt sein könnten. Noch sieht nichts danach aus. Die Sonne spiegelt sich in einem Seitenarm des großen Badesees, rundherum – unweit fruchtbarer Ackerböden – verstecken sich hinter hohen Bäumen und Büschen am Ufer die Wochenendhäuschen von gut 280 Grundbesitzern rund um die Seen. Auch Rister besitzt hier eines. Er hat in letzter Zeit eine Menge recherchiert und zusammengetragen um anschaulich zu machen, was im Falle eines Polder-Baus hier drohen könnte.
"Polder" indes hört man nicht gerne bei den Behörden, wenn es um die Pläne zum Riedlinger Rückhaltebecken geht. Doch das Prinzip ist das gleiche: Bei einem Donauhochwasser könnten bis zwischen 1,6 und 1,9 Millionen Kubikmeter Wasser in das Rückhaltebecken westlich der Seen laufen. Die Gefahr laut Rister und weiteren Grundbesitzern, die sich nun organisiert haben um vor dem Projekt zu warnen: "Wir befürchten aufgrund der Nähe zum See und des kiesigen Untergrundes den Eintrag von Schadstoffen in das Gewässer und einen drastischen Anstieg des Wasserspiegels des Sees – bis hin zur Überflutung der niederen Grundstücke aufgrund der sehr langen Einstauzeit."
Ab mittlerem Donau-Hochwasser kann Riedlinger Rückhalteraum volllaufen
Geplant ist, wie bereits berichtet, ein Rückhalteraum, der ab einem 80-jährigen Hochwasser (HQ 80) – kurzum: einem Hochwasser mittlerer Größe – geflutet würde. Rister und seine Kollegen Wolfgang Stefan, Hans-Peter Schäferling und Stefan Zeitlmann, die sich ebenfalls hier am See versammelt haben, können den Sinn des Projektes nicht verstehen. "Für den Schutz Donauwörths hätte das keinen Sinn", sagt Rister, die Stadt sei aktuell bereits für ein großes, ein hundertjähriges Hochwasser (HQ 100) geschützt.
Der neue Rückhalteraum bedeutete, wie auch die Interessengemeinschaft "Rettet die Riedlinger Flur" vorrechnete, lediglich eine Scheitelreduktion der Hochwasserwelle von 1 bis 1,5 Zentimeter für 24 Stunden bei einem HQ 80 – dies habe somit keine nenneswerte Auswirkung auf die gefährdeten Donauwörther Gebiete Nordheim, Auchsesheim und Zusum. Vielmehr bestehe für Donauwörth und auch das Airbus-Werk im Industriegebiet eine zusätzliche Überflutungsgefahr im Falle eines Dammbruchs. Das sei kein unrealistisches Szenario, ist Rister überzeugt, denn der Tapfheimer Rückhalteraum stromaufwärts würde zuerst leerlaufen müssen – dann erst der Riedlinger "Kleinpolder". Für die Grundbesitzer scheint klar: Das Wasser würde lange im Becken bleiben, die Dämme könnten folglich aufweichen.
Hochwasserschutz: Sorge bereiten in Riedlingen beide Varianten der Dämme
Was den Riedlingern des Weiteren Sorge bereitet, sind die möglichen Dammbauvarianten. Ein abdichtender Damm würde demnach den Wasserspiegel der Seen absenken, da kein oberirdischer Zulauf mehr möglich sei, die Sauerstoffversorgung des Seewassers unterbrochen. Bei einem sogenannten durchlässigen Dammbau könne, wie die Grundbesitzer erklären, Schadstoffeintrag durch den Grundwasserzufluss erfolgen. Im Falle eines Hochwassers könnten Sondermüll, Quecksilber, Medikamentenrückstände und Klärwasser aus überlasteten Kläranlagen in den Seen landen. "Das würde das Naherholungsgebiet zerstören. Das wären dann keine Badeseen mehr und Fischerei wäre unmöglich", befürchtet Hans-Peter Schäferling.
Das Fazit der Gruppe: Alle Varianten des Dammbaus wären mit erheblichen Risiken für die Natur wie auch für die Landwirtschaft behaftet. Nicht zu vergessen seien ein womöglich künftig fehlender Grundschutz, Wertverlust, Geruchsbelästigung durch Brackwasser und Fischkadaver sowie optimale Bedingungen für Mückenschwärme.
Kritik auch seitens der Landwirtschaft am Riedlinger Rückhaltebecken
Zuletzt hatte es auch seitens der ansässigen Landwirtschaft Kritik an dem Vorhaben gehagelt. Die maximale Flutungsfläche in Riedlingen ist größtenteils landwirtschaftlich genutztes Gebiet (netto 128 Hektar). Auch die Bauern bezeichnen nach Einsicht in die Planungen das Projekt als kaum effizient. Sie forderten jüngst, wie berichtet, als Alternative ein besser gesteuertes Management an den Staustufen flussaufwärts. Dabei geht es um gezielte Vorabsenkungen in den Stauseen vor absehbaren Hochwasserlagen. Die Baggerseehäusle-Eigentümer nennen zudem Flussausbaggerungen als effiziente Alternativen – wie etwa beim Freistaats-Projekt City River in Donauwörth – sowie Renaturierungen in vertretbaren Arealen. Wertvolle Natur- und Erholungsgebiete ohne Weiteres zu opfern, das sei jedoch keine Option.