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Donauwörth: Missbrauch in der Kirche: Auch in Donauwörth treten viele Menschen aus

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Missbrauch in der Kirche: Auch in Donauwörth treten viele Menschen aus

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    Abschied von einer Institution, die mehrfach enttäuscht hat: Viele Katholiken verlassen derzeit die Katholische Kirche. Hier das Portal der Klosterkirche Heilig Kreuz in Donauwörth.
    Abschied von einer Institution, die mehrfach enttäuscht hat: Viele Katholiken verlassen derzeit die Katholische Kirche. Hier das Portal der Klosterkirche Heilig Kreuz in Donauwörth. Foto: Barbara Wild

    Das Münchner Missbrauchsgutachten erschüttert die Katholische Kirche. Zahlreiche Mitglieder kehren der Institution den Rücken - nicht nur bei den Standesämtern im Raum München. Auch die Rathäuser in der Region rund um Donauwörth verzeichnen seit der Veröffentlichung des Gutschachtens eine hohe Nachfrage an Terminen auf dem Standesamt, weil die Menschen aus der Kirche austreten wollen.

    Blitzumfrage der Redaktion: Überall rund um Donauwörth häufen sich die Kirchenaustritte

    In einer Blitzumfrage dieser Redaktion in den Standesämtern der Region wurde ein klarer Trend sichtbar. In den vergangenen zwei Wochen sind mindestens 90 Landkreisbürger aus der Kirche ausgetreten und damit mehr als sonst üblich in dieser Zeit des Jahres. "Man kann schon sagen, dass in den letzten beiden Wochen die Nachfrage zu Kirchenaustritten gestiegen ist. Im Prinzip gibt es täglich Terminanfragen dazu", so Mario Geck vom Standesamt der Stadt und der Verwaltungsgemeinschaft Rain. Seit Beginn des Jahres hätten 18 Personen ihren Austritt erklärt, vier weitere Termine stehen diese Woche an. Fast ausschließlich handle es sich dabei um Mitglieder der Katholischen Kirche.

    Blick in den mächtigen Innenraum der Klosterkirche Heilig Kreuz in Donauwörth.
    Blick in den mächtigen Innenraum der Klosterkirche Heilig Kreuz in Donauwörth. Foto: Barbara Wild

    Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Donauwörth. Pressesprecherin Annegret Feist bestätigt, dass sich derzeit mehr Bürger als sonst melden, weil sie im Standesamt ihren Austritt aus der Kirche beurkunden lassen wollen. Allein seit 24. Januar hätten 20 Bürger die Institution verlassen. Auch die Verwaltungsgemeinschaften in Wemding und Monheim melden hohes Interesse an den entsprechenden Terminen. In

    Dekan Robert Neuner: "Es ist derzeit alles andere als einfach."

    Am 20. Januar hat die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl ein Gutachten mit 1900 Seiten veröffentlicht. Sie nannte es eine "Bilanz des Schreckens": mindestens 497 Missbrauchsopfer, 235 Täter, Fehlverhalten bei allen Münchner Erzbischöfen seit 1945 und eine Falschaussage desemeritierten Papstes Benedikt XVI. Ein Gutachten, dessen Woge der Empörung bis in den Landkreis Donau-Ries reicht.

    "Ich kann die Gründe nachvollziehen, warum die Menschen jetzt aus der Kirche austreten", sagt der Donauwörther Dekan Robert Neuner. Aber Verständnis könne er dafür nicht aufbringen. Jeder einzelne Austritt landet auf seinem Schreibtisch. Jeder einzelne tue weh. "Es ist einfach sehr endgültig." Der Missbrauchsskandal in der Diözese München, die Rolle des ehemaligen Papstes Benedikt - ja, das alles mache ihn sehr betroffen. "Es ist derzeit alles andere als einfach", macht der Dekan klar, der auch in seinen Predigten das Thema aufgreift. Doch es sei auch schon viel passiert. "Heute müssen alle, die in der Kirche arbeiten wollen, Präventionskurse gegen sexuelle Gewalt absolvieren und ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen."

    Dennoch macht Neuner klar: "Es gibt hier in keinster Weise etwas zu beschönigen und wir als Pfarrer an der Basis dürften auf keinen Fall in den Verdacht geraten, wir vertuschen etwas oder weichen dem Thema aus." Er hoffe, dass die Menschen nicht nur über die Kirche und die Skandale reden, sondern auch mit ihm oder den anderen Pfarrern das Gespräch darüber suchen. "Denn zum Gesamtbild gehört schon, dass es auch sehr viel Gutes gibt", sagt Neuner. Erst am Dienstagmorgen habe der Glaube und die Kirche bei einer Beerdigung den Menschen viel Kraft gegeben.

    Vor dem Liebfrauenmünster in Donauwörth fegt der Wind vereinzelte Schneeflocken durch die Reichsstraße. Ungemütlich ist es draußen, in der Kirche selbst ist es ruhig und am Nachmittag ist das hohe Haus menschenleer. Wer hier nach dem Missbrauchsskandal gefragt und auch eine Antwort geben will, möchte seinen Namen nicht öffentlich nennen. Doch was die Menschen denken, ist eindeutig.

    "Ich bin ungläubig geworden", sagt eine Donauwörtherin

    Eine schlanke Frau mittleren Alters spricht bei der Frage nach den Missbrauchsskandalen und den Folgen für ihren persönlichen Glauben klare Worte: "Ich bin ungläubig geworden", sagt sie. Sie findet die Neuigkeiten zu den Missbrauchsskandalen "ungeheuerlich". Sie sei schon lange dafür, "dass die Kirche offener wird, das liegt aber bei Rom", ist ihre Meinung. Sie selbst will aber trotz der Enthüllungen weiterhin Teil der Kirche bleiben. "Für manche Sachen braucht man es dann doch", so ihre pragmatische Sicht auf die Dinge.

    Eine klare Meinung hat auch ein älteres Paar. "Das, was die machen, verabscheue ich zutiefst. Das können die auch nicht wiedergutmachen", sagt die Frau mit den weißen, kurzen Haaren und dem hellen Mantel. Mit "die" meint sie die pädophilen Priester, die Bischöfe, die deren Verbrechen nicht sehen wollten und vertuschten. Dennoch bleibt die Frau bei Gott: "Mit unserem Glauben an Gott hat das alles nichts zu tun. Wir glauben trotzdem." Ihr Mann fügt an: "Es gibt ja auch Gutes, was die mit dem Geld aus der Kirchensteuer machen, wenn die das nicht unbedingt für Prunkbauten ausgeben", sagt er und spielt damit auf den ehemaligen Kölner Bischof Tebartz-van Elst an, der seine Privatgemächer luxuriös ausstatten ließ und dafür sein Amt aufgeben musste. Auch ein Skandal, der einige vom Glauben abfallen ließ.

    Für eine Seniorin mit hellgrauem Mantel ist das Maß des Ertragbaren bald voll: "Wenn es so weitergeht, dann werde ich aus der Kirche austreten - sogar in meinem hohen Alter." Und eine andere Passantin macht klar: "Für mich hat das schon Auswirkungen auf den Glauben. Das Vertrauen ist weg, weil so viel vertuscht wird." Sie sei dafür, dass die Pfarrer so leben sollten wie andere Menschen.

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