Vor 175 Jahren war es noch nicht möglich, mit dem Zug durch Deutschland zu fahren. Dies war nicht einmal durch Bayern möglich. Es existierten einzelne Strecken, die aber untereinander nicht verbunden waren. Das änderte sich mit dem Bau der Ludwig-Süd-Nord-Bahn. Die sollte von Lindau über Augsburg und Nürnberg bis nach Hof führen und dort an das thüringische Eisenbahnnetz angeschlossen werden. Die Bauarbeiten für das Jahrhundertprojekt begannen 1841. Nach und nach kamen Abschnitte hinzu. Einer davon führt durch den heutigen Donau-Ries-Kreis. Am 15. Mai 1849 startete der Betrieb auf dem Teilstück zwischen Donauwörth und Nördlingen. Noch immer existieren zahlreiche eindrucksvolle Original-Bauwerke aus jener Zeit.
Für die Menschen, die entlang der Strecke lebten, muss der Anblick der Züge einer Sensation gleichgekommen sein. Bis dahin waren die Leute ausschließlich zu Fuß, mit Ochsen- oder Pferdefuhrwerken beziehungsweise Postkutschen unterwegs gewesen. Nun schnaubten Dampflokomotiven der Königlich-Bayerischen Eisenbahn mit bis zu 65 Stundenkilometern durch die Gegend.
Der erste Bahnhof in Donauwörth entstand am Hotel Krebs
Bis es so weit kam, gab es freilich jahrelange Diskussionen, Planungen und Bauarbeiten. Und auch das Geld spielte bei dem Prestige-Vorhaben, das der bayerische König Ludwig I. vorantrieb, eine große Rolle. Die Bahn erreichte 1844 von Augsburg her Donauwörth. Die Züge kamen zunächst nur bis Nordheim, ehe 1845 eine Brücke über die Donau fertig war und ein provisorischer Bahnhof im Bereich des heutigen Ärztehauses Maximilium (früher Hotel Krebs) hochgezogen war (1847).
Zu diesem Zeitpunkt liefen bereits die Bauarbeiten auf dem Abschnitt in Richtung Nördlingen. Der Entscheidung, die Trasse durch das Wörnitztal und das Ries weiter über Oettingen und Gunzenhausen in Richtung Nürnberg zu führen, waren jahrelange Überlegungen und Debatten vorausgegangen. Der direkte Weg von Donauwörth nach Treuchtlingen wäre wegen der hügeligen Landschaft in der Monheimer Alb zu teuer geworden. Auch andere Alternativen über Marxheim oder Steppberg oder über Ebermergen und Fünfstetten oder über das Kesseltal waren zuvor verworfen worden.
In Donauwörth war für die Bahn ein Tunnel nötig
Aber auch die Route durch das Wörnitztal bedeutete einen enormen Aufwand. Dies galt bereits direkt in und bei Donauwörth. Die Trasse führte durch die Promenade. An der Querung mit der Pflegstraße etwa auf Höhe der heutigen evangelischen Kirche war der Bau eines fast 162 Meter langen Tunnels nötig. Der kostete eine Riesensumme von fast einer Million Gulden. Entlang der Wörnitz mussten zahlreiche Dämme aufgeschüttet und Einschnitte in die Landschaft vorgenommen werden. Am Weinberg bei Felsheim verzögerten und verteuerten massive Erdrutsche das Projekt.
Zwischen Wörnitzstein und Heroldingen mussten fünf Brücken über die Wörnitz gebaut werden. Dies machte Aufweitungen und Verlegungen des Flusses notwendig. Alle Arbeiten mussten quasi von Hand erledigt werden. Das Heer der Beschäftigten verfügte nur über Schaufeln, Pickel, Schubkarren und Pferdefuhrwerke. Für das Teilstück zwischen Donauwörth und Nördlingen kalkulierte der zuständige Sektionsleiter mit 1500 Erdarbeitern sowie 1250 Steinbrechern, Steinhauern, Maurern und Handlangern.
Im Wörnitztal waren allein fünf Bahnbrücken über den Fluss nötig
Die vier Brücken bei Harburg, Ronheim und Katzenstein stehen noch heute. Die Steinpfeiler sind 175 Jahre alt, der Überbau, der ursprünglich aus Holz bestand, wurde durch Metall ersetzt. Die Eisenbahn-Bogenbrücke südlich von Wörnitzstein wurde 1877 überflüssig, als der Bahnhof in Donauwörth mit der Eröffnung der Donautalbahn (Ulm - Ingolstadt) an den heutigen Standort verlegt wurde und sich damit die Streckenführung zwischen Donauwörth und Wörnitzstein änderte. 1945 wurde die Wörnitzsteiner Brücke gesprengt und anschließend komplett abgetragen. Die beiden Dammanschlüsse sind in der Flur noch erkennbar.
Die Streckenführung wurde vor 175 Jahren so gewählt, dass die meisten Orte im heutigen Landkreis mehr oder weniger umgangen werden konnten und nur einzelne Gebäude weichen mussten. Ebermergen traf es da wesentlich härter: Dort fielen aufgrund der geografischen Gegebenheiten dem Eisenbahnbau 18 Anwesen zum Opfer. Das war ein Achtel des Gebäudebestands im Dorf. Mit einem großen Damm und zwei baugleichen Bogenbrücken werden seitdem die Seitentäler des Reisbachs und des Morschbachs überquert. Eine Besonderheit dabei: Die beiden Bogenbrücken sind fast komplett im Originalzustand erhalten. Die allermeisten anderen Bauwerke dieser Größe zerstörte die deutsche Armee am Ende des Zweiten Weltkriegs teilweise oder ganz. Weil die Brücken in Ebermergen mitten im Dorf stehen, blieben sie unversehrt. In den vergangenen Jahren fand erstmals eine Generalsanierung der denkmalgeschützten Konstruktionen statt. Die Deutsche Bahn investierte rund fünf Millionen Euro.
Das Stationsgebäude der Bahn in Harburg entstand erst 1860
Auch viele kleinere Brücken, Unterführungen und Durchlässe, die zwischen 1845 und 1849 entstanden, sind im Donau-Ries-Kreis nach wie vor sichtbar. Was dabei auffällt: Die Bauwerke sind so gestaltet, dass auf der Strecke - wie ursprünglich geplant - ein zweites Gleis verlegt hätte werden können. Dies geschah aber nicht. Ebenfalls mehr oder weniger im Originalzustand erhalten sind einige Bahnwärterhäuschen sowie Bahnhofsgebäude. In Harburg gab es 1849 zunächst ein provisorisches Holzbauwerk, ehe das Geld für ein richtiges Stationsgebäude zur Verfügung stand, das 1860 vollendet wurde.
1849 stoppten die Züge auf dem heutigen Landkreisgebiet nur in Donauwörth, Harburg, Möttingen und Nördlingen, wenig später dann auch in Dürrenzimmern und Oettingen. Andere Orte erhielten erst viel später eine Haltestelle, denn es erforderte einen hohen Aufwand, die Dampflokomotiven zu stoppen und mit ihnen wieder anzufahren. Die ersten Loks, die Nordschwaben durchquerten, stammten von der Firma Maffei (Typ B I). Sie waren zwölf Meter lang und wogen 24 Tonnen. Auffällig war an ihnen die birnenförmige Form des Schlots. Sie sollte den Funkenflug verringern. Beheizt wurden die Lokomotiven mit Torf, der in Tenderwagen mitgeführt wurde. Die Dampfloks erhielten Namen von berühmten Persönlichkeiten wie Dürer und Fugger. Andere Bezeichnungen wiesen einen regionalen Bezug auf. Sie hießen beispielsweise "Donau", "Harburg", "Oettingen", "Wörnitz" und "Hesselberg".
1854 verkehrten erstmals Schnellzüge durch die Region auf ihrem Weg von München über Augsburg, Donauwörth, Nördlingen und Nürnberg nach Hof. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Eisenbahnnetz nach und nach vervollständigt. Ein Teil im Landkreis ist inzwischen wieder verschwunden oder wird nur noch eingeschränkt genutzt,