Es ist ein seltsamer Wahltag in Donauwörth. Nichts scheint klar. Nicht einmal die Sonne. Heiter bis wolkig, würde der Meteorologe sagen, die Temperaturen lassen eine frösteln bis zur Mittagszeit – und schwitzen danach. Karl Kammer hat an diesem wechselhaften Sonntag einen wichtigen, aber bis zum Nachmittag konstant ruhigen Job. Er ist Wahlvorsteher im Stimmbezirk 23 in Donauwörth, das Wahllokal ist der Kindergarten St. Martin in Riedlingen. Über Kammer, oben an der Seitenwand der Aula, wacht Christus am Kreuz, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Das tue es, sagt Kammer - auch wenn tatsächlich gerade nicht allzu viele Wahlberechtigte zur Stimmabgabe kämen. Doch das sei kaum verwunderlich.
Die Karte zur Landtagswahl in unserer Region: Wie hat Ihre Kommune gewählt?
Kammer geht davon aus, dass gut die Hälfte der Wahlberechtigten per Brief gewählt haben, dazu käme noch ein merklicher Anteil an Nichtwählern. Und so rechnet der Riedlinger Architekt mit einer Zahl von gut 120 bis 150 Wählerinnen und Wählern, die noch direkt am Wahlsonntag "klassisch" wählen - von circa 600 im Stimmbezirk. Sie dürften somit das Zünglein an der Waage sein hinsichtlich des Ergebnisses. Die breite Wählerbasis, darauf deutet auch im ländlichen Raum alles hin, votiere im Vorfeld per Brief. Zur Erinnerung: In früheren Zeiten war es stets umgekehrt. Der Urnengang ist inzwischen öfter ein Zwischenstopp am Briefkasten.
Etwa 45 Prozent wählen im Landkreis Donau-Ries per Brief
Hauptamtsleiter Roland Braun bestätigt diesen Trend am Sonntagnachmittag im Rathaus. 45 Prozent betrage der Briefwähleranteil in der großen Kreisstadt, in mancher Umlandkommune falle er sogar noch höher aus. Auch deswegen habe man sich entschieden heuer die Zahl der Briefwahlbezirke in Donauwörth von zwölf auf 15 auszuweiten.
Dennoch kommen einige persönlich zur Wahl, wie eine Vierergruppe in der Sebastian-Franck-Schule. Für sie ist wählen selbstverständlich. Ein Mann sagt: "Es ist unsere staatsbürgerliche Pflicht. In anderen Ländern wären sie froh, es machen zu können." Eine der beiden Frauen aus der Gruppe fügt hinzu: "Wir wollen mitbestimmen und nicht hinterher nur schimpfen." Die Zweite sagt: "Es ist auch ein bisschen ein Erlebnis, selbst zur Wahl zu gehen."
In der Donauwörther Musikschule sind die Helfer am Sonntagnachmittag fast ein wenig erstaunt, dass doch einige Wählerinnen und Wähler persönlich vorbeikommen. "Ich bin noch gar nicht zum Lesen meiner Zeitung gekommen", erzählt Franz Haselmayr. Er ist seit mehr als 50 Jahren Wahlhelfer, auch, weil er früher bei der Stadt angestellt war. In der Sebastian-Franck-Schule hingegen hilft Josef Sebastian Schau-Schniedermeier zum ersten Mal. Er sprang für eine Kollegin ein: "Es war keine Frage, dass ich es nicht mache."