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Donauwörth: So dramatisch verlief eine Flucht aus Kiew in die Donauwörther Parkstadt

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So dramatisch verlief eine Flucht aus Kiew in die Donauwörther Parkstadt

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    Dichte Rauchwolken nach einem russischen Angriff im Oktober dieses Jahres. Die ukrainische Hauptstadt Kiew, aus der Valeri und seine Frau flohen, ist alles andere als sicher.
    Dichte Rauchwolken nach einem russischen Angriff im Oktober dieses Jahres. Die ukrainische Hauptstadt Kiew, aus der Valeri und seine Frau flohen, ist alles andere als sicher. Foto: ---/ukrin, dpa

    Valeri hat viel erlebt. Hartgesotten ist er, könnte man sagen. Er war Polizist in Kiew, zuletzt in einem gehobenen Posten bei der Kriminalpolizei. Kein leichter Job. Aber das, was er auf seiner Flucht miterleben musste, erscheint wie aus einem tragischen Film. In Deutschland war er zuvor mit seiner Frau schon gut 20-mal gewesen – aber unter völlig anderen Umständen. Mit wenig kam er nun wieder hier an. Doch eines sind Valeri und seine Frau Regina nicht: zermürbt. Sie fangen neu an, sind motiviert. Wie sie das machen? Dankbarkeit ist eine Antwort.

    Valeri ist einer jener Menschen, denen man das Alter nicht ansieht. Gut 1,90 Meter groß, durchtrainiert, ebenso sportlich wie gut gelaunt. Knapp über 70 ist er, er sieht aber gut 15 Jahre jünger aus. Würde man Valeri hier oben in der Parkstadt im Supermarkt oder auf dem Platz der Begegnung treffen, man käme nicht auf die Idee, dass er aus einem Kriegsgebiet kommt - und dass sein Sohn und eines seiner Enkelkinder gerade an der ukrainischen Front kämpfen. 

    Valeri zeigt Bilder: Ein Trupp ukrainischer Soldaten. Einer davon ist sein Sohn.

    Er zeigt Bilder von ihnen. Ein Trupp mit Tarnkleidung ist zu sehen, Sturmgewehre unterschiedlicher Art in den Händen. Auch sie posieren mit zuversichtlichen Gesichten. Bis auf fünf oder sechs seien alle inzwischen gefallen, erklärt Valeri. Der Sohn und der Enkel, sie gehören nicht zu den Opfern, Gott sei Dank. Valeris Sohn habe den Eltern gleich zu Beginn des russischen Angriffskrieges vehement dazu geraten, die Ukraine zu verlassen in Richtung Westen. Deutschland lag gedanklich stets nahe, immer wieder hatten Valeri und Regina das Land besucht; auch beruflich hatte der

    Die Flucht beschreibt der ehemalige Polizeibeamte gestikulierend. Mit Worten ist sie wohl auch kaum zu beschreiben. Geschosse seien links und rechts der Straße eingeschlagen, als sie mit ihrem Hyundai aus Kiew heraus gen Westen fuhren. Als er darüber berichtet, wird das Gesicht des überzeugten Optimisten dann doch sehr ernst. Es folgen Tage und Nächte zu viert im Auto, mit der Tochter und der zwölfjährigen Enkelin.

    Die Hilfsbereitschaft in der Parkstadt sei von Anfang an immens gewesen

    An keiner Grenze habe man die Ukrainer schlecht behandelt, sagt er, ganz im Gegenteil. Die Hilfsbereitschaft sei immens gewesen, in Polen wie auch später in Deutschland, wo zunächst deutsche Freunde in Berlin die Anlaufstelle waren. Das Ehepaar wusste, dass sie igrnedwann weiterziehen sollten - für die Tochter und die Enkelin, die mit dabei waren auf der Flucht, ein Refugium, eigene vier Wände organisieren. So ging es über ein Hilfs-Netzwerk, über das auch Wohnraum vermittelt wurde, nach Donauwörth in die Parkstadt. 

    Er sei immens froh, berichtet Valeri, dass er mit dem Haus der Begegnung sofort eine Anlaufstelle hatte. Über die Unterstützung, die Kurse, Kontakte, Hilfestellungen in allen Lebenslagen, die er in Donauwörth von Anfang an bekommen habe, schüttelt er den Kopf - vor Rührung. Großartig sei das alles, wunderbar. Und nein, er habe hier nie Ablehnung oder Anfeindungen erleben müssen, im Gegenteil. Auch aus der deutschrussischen Community in der Parkstadt erfahre er keine Zurückweisung, keine Sprüche, vielmehr hätten sich im Haus der Begegnung Freundschaften gebildet. Vor allem im Rahmen der Sprachkurse. Valeri spricht seine Sätze auf Deutsch, sehr klar, ein wenig Englisch dazu. Gelernt hat er Deutsch erst hier, in Donauwörth. Er spricht erstaunlich flüssig in ganzen Sätzen, nur ab und zu muss Quartiermanager Jörg Fischer dolmetschen. Auf Russisch. Das sei nicht schlimm für ihn, sagt Valeri, das Russische, er sei ja in Russland geboren, Regina in Kiew - er verstehe all die Aggression nicht, den Krieg; und letztlich, das sei auch sein Mittel, um mit allen "wie in einer Familie" zu leben hier oben in der Parkstadt, spare er das Thema Politik aus. Auch aus den Telefonaten mit seinem Enkel und seinem Sohn, wenn er mit ihnen, die in der ukrainischen Armee dienen, telefoniert. 

    Teil der Parkstadt-"Familie" sein, das wollen die vier Ukrainer

    Er wünsche sich, sagt Valeri, dass der Krieg ein Ende findet, dass er wieder zurückkann in die Ukraine. Der Krieg, er werde enden. Sicher. Bis dahin solle seine Enkelin hier fleißig lernen an der Ludwig-Auer-Mittelschule. Sie wollen sich integrieren, weiter die Sprache lernen, Menschen kennenlernen, Teil der "Familie" sein in der Donauwörther Parkstadt. So wie er es auch früher in der Ukraine empfunden habe. Damals, vor dem 24. Februar, bevor die Odyssee der Flucht für ihn begann, die in Donauwörth endete.

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