Wenige Sitzungen, etwas durchschnaufen. Der Sommer ist eine gute Zeit, um eine Bilanz Ihrer bisherigen Amtszeit zu ziehen. Wie fällt diese aus im Hinblick auf die Entwicklung in der Stadt?
JÜRGEN SORRÉ: Seit Amtsantritt ist es eine absolut intensive Zeit gewesen – das war jedoch von vornherein klar. Die Pandemie und deren Auswirkungen und dann der Krieg in der Ukraine sowie dessen Konsequenzen – das sind dagegen Zäsuren, die wir erleben und vor Amtsantritt nicht vorhersehbar waren. In der Pandemie fand eine völlige Ausbremsung statt. Das gilt freilich für alle Kommunen und soll keine Ausrede sein, sondern vielmehr eine Erklärung für eine anspruchsvolle Lage, die sich ergeben hat. Trotzdem haben wir in Donauwörth konzentriert weitergemacht. Wir haben beispielsweise das Freibad fertig umgebaut und pünktlich eröffnet. Das war natürlich ein Highlight. Diese Großbaustelle mit einem Volumen von gut 20 Millionen Euro konnten wir gut abschließen. Aber auch andere wichtige Maßnahmen haben wir erledigt. Solche, die oft als Pflichtaufgabe und selbstverständlich gesehen werden. So beispielsweise das Sieben-Millionen-Euro-Projekt Wasserhochbehälter in der Parkstadt. Viele dieser Projekte haben einen langen Vorlauf und man mag denken, dass gerade wenig läuft, aber das täuscht. Die Arbeit läuft oftmals „unter dem Radar“.
Ist es auch die Bürokratie, die einiges bremst?
SORRÉ: In der Tat gibt es einen regelrechten Bürokratismus in unserem Land. Als Beispiel kann hier das öffentliche Bauen genannt werden – mit den notwendigen Vergaben und Ausschreibungen und den damit verbundenen Fristen, die abgewartet werden müssen. Bürokratismus kostet Zeit, er frustriert auch teilweise. Der Grund liegt aber in der Fülle an Vorschriften, nicht an Verzögerungen durch die Verwaltungen. Hin und wieder ist auch Widersinniges zu erleben und insgesamt erscheint mir öffentliches Bauen komplexer als privates.
Welche Projekte stehen aktuell in der Bearbeitung in Donauwörth ganz vorn?
SORRÉ: Zu nennen wären hier beispielsweise der Neubau des städtischen Kindergartens, das neue Bürgerspital im aktuell entstehenden Alfred-Delp-Quartier sowie natürlich die Tanzhaus-Sanierung. Hier befinden wir uns aktuell jeweils in verschiedenen Planungsphasen. Diese Projekte sind enorme Investitionen, sie sind auch von der Abwicklung her aufwendig und binden Personal, das eben auch nur begrenzt vorhanden ist. Im Hintergrund laufen dann freilich noch weitere Aufgaben, zum Beispiel die Umsetzung der sogenannten Energie- und Wärmewende. Der Ukrainekrieg hat hier den Druck deutlich erhöht.
Was wird in puncto Wärmewende gerade gemacht in Donauwörth?
SORRÉ: Wir sind aufgefordert, bis 2028 eine kommunale Wärmeplanung zu erstellen. Gemäß Beschluss des Werk- und Umweltausschusses wird diese im Haushaltsjahr 2024 beginnen. Im Rahmen der Planungen wird Donauwörth geclustert: Für jedes Quartier, für sämtliche Straßenzüge muss eine Analyse erfolgen: Wo gibt es welche Heizsysteme? Daran anschließend: Wo sind Wärmenetze möglich? Wo gehen in Bezug auf neue Systeme nur Wärmepumpen und wo sind die Leitungen für Wasserstoff kompatibel? Das sind die Fragen, auch wenn diese noch etwas in der Zukunft liegen mögen. Aber sie sind wichtig, wenn wir nicht weiter rein Öl und Gas verheizen wollen. Einfacher sieht es in neuen Baugebieten aus mit den Wärmenetzen – hier wäre das Delp-Quartier zu nennen, wo wir von Anfang an auf ein solches Netz setzen können.
Was sagen Sie Donauwörther Hausbesitzern, deren Heizung gerade oder bald gewechselt werden muss? Auf was sollen sie setzen?
SORRÉ: Die Beantwortung dieser Frage ist derzeit nur eingeschränkt möglich, denn man kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, wo zukünftig Wärmenetze möglich sein werden und umgesetzt werden können. Ob alternativ Wärmepumpen oder die Umrüstung von Gas-Heizsystemen auf Wasserstoff sinnvoll ist, ist von der jeweiligen Immobilie abhängig und kann nur vom Fachunternehmen beantwortet werden.
Es gab einige Ladenschließungen in der Stadt. Wie sehen Sie die Zukunft der Donauwörther Innenstadt?
SORRÉ: Die Entwicklung der Innenstädte ist deutschlandweit vergleichbar. Es ist keine einfache Lage. Die Kommunen haben sich hierbei in den vergangenen Jahrzehnten zum einen selbst Konkurrenz durch Fachmarktzentren in Randlagen der Stadt geschaffen. Dann kommt freilich noch das Kaufverhalten der Menschen hinsichtlich des Internets dazu. Die Pandemie brauche ich gar nicht zu nennen. Und die Inflation sowie die hohen Energiekosten müssen auch bedacht werden. Das nimmt Kaufkraft und manchmal auch Zuversicht bei den Menschen und ist nicht förderlich für das Konsumklima. Diese Rahmenbedingungen treffen alle Kommunen landauf landab. Momentan sind wir hier in einer Talsohle. Wir in Donauwörth stemmen uns dagegen, investieren in die Ausstattung und Attraktivitätssteigerung der Reichsstraße – der Zeitplan ist dabei auch abhängig vom Umbau des Tanzhauses. 2024 starten wir mit Umbauten in der oberen Reichsstraße. Dort soll es mehr Raum und Aufenthaltsqualität für Passanten geben, vor allem im Bereich zwischen Münster und Tanzhaus. Die Kommune kann nur versuchen, gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Das tun wir.
Ist die Nachricht der in Zukunft ausbleibenden Gewerbesteuerzahlungen des Airbus-Konzerns schon verwunden?
SORRÉ: Der Schock ist verdaut. Wir müssen nachhaltig mit weniger Einnahmen kalkulieren, aber damit nun einmal zurechtkommen. Das heißt auch, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen. Es gibt keine feste Streichliste, aber die größeren Projekte müssen stärker als bisher nacheinander abgearbeitet werden und weniger parallel.
Wo sehen Sie Lichtblicke in der momentan angespannten Lage?
SORRÉ: Trotz aller Widrigkeiten kommen wir gut vorwärts. Wir haben hier eine tolle Stadtgemeinschaft, wie man heuer beim Reichsstraßenfest wieder einmal gesehen hat. Und wir haben eigentlich grundsätzlich gute Bedingungen in der Stadt und in der Region – Arbeitslosigkeit ist hier kein großes Thema. Da gibt es Regionen, da sieht es ganz anders aus. Die medizinische und die ärztliche Versorgung ist gut, wir haben ein ausgeprägtes Vereinsleben und einen hohen Erholungswert in und um Donauwörth. Summa summarum: Hier lässt es sich gut leben. Es gibt keinen Grund für Schwarzmalerei, aber auch keinen zum Ausruhen.
Zur Person
Jürgen Sorré ist seit 2020 Oberbürgermeister der Stadt Donauwörth. Der verheiratete Familienvater wohnt im Donauwörther Stadtteil Berg.