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Donauwörth: Urteil im "Koffermord"-Prozess steht bevor: War es Mord oder ein Unfall?

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Urteil im "Koffermord"-Prozess steht bevor: War es Mord oder ein Unfall?

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    In diesem Wäldchen bei Holzkirchen liegt der Leichenfundort des sogenannten Koffermords. Die Spuren des Verbrechens sind dort längst verwischt.
    In diesem Wäldchen bei Holzkirchen liegt der Leichenfundort des sogenannten Koffermords. Die Spuren des Verbrechens sind dort längst verwischt. Foto: Winfried Rein

    Es war eine schier unglaubliche letzte Reise, die die 34-jährige Afghanin Maryam H. am 13. Juli 2021 im ICE von Berlin nach Donauwörth antreten musste: als Leichnam in einem Gepäckstück – transportiert von ihren beiden Brüdern. Eine weitere Nacht auf dem Donauwörther Volksfestplatz folgte – im Kofferraum eines Autos –, ehe die Fahrt mit der getöteten Frau weiterging zu einem Wäldchen bei Holzkirchen (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen). Dort hob der ältere Bruder, Sayed Youssuf H., im Schutz des Dickichts ein großes Erdloch als Grab für seine Schwester aus. Als "Koffermord" macht dieser Kriminalfall, der in Berlin seinen Ausgangspunkt hatte, seit eineinhalb Jahren bundesweit Schlagzeilen. Nun steht der Prozess gegen die beiden Brüder vor dem Ende.

    Mit diesem Spaten und dieser Schaufel soll die Leiche bei Holzkirchen vergraben worden sein.
    Mit diesem Spaten und dieser Schaufel soll die Leiche bei Holzkirchen vergraben worden sein. Foto: Oh

    In Donauwörth hatte der 27-jährige Sayed Youssuf H. seinerzeit eine Wohnung in der Parkstadt und eine Lebensgefährtin in einem anderen Donauwörther Stadtteil. Wegen dieses örtlichen Bezugs wählten die Brüder wohl ausgerechnet Donauwörth als Zwischenstation bei ihrem Versuch, die sterblichen Überreste Maryams von der Polizei unbemerkt in Bayern verschwinden zu lassen. Doch ihre Rechnung ging nicht auf. 

    Drei Wochen nach der Bluttat führt die Donauwörther Lebensgefährtin die Polizei zum Grab im Wald

    Eine Vermisstenanzeige in Berlin, Aufnahmen von Überwachungskameras am dortigen Bahnhof Südkreuz, polizeiliche Ermittlungen und Verhöre: Drei Wochen nach der Bluttat und den gruseligen Versuchen, sie zu vertuschen, führte die 42-jährige Donauwörther Freundin Sayed Youssuf H.. die Beamten zur heimlichen Begräbnisstätte. Sie hatte ihren Lebensgefährten dorthin gefahren, nachdem sie in einem Donauwörther Baumarkt Schaufel und Spaten zum Graben gekauft hatte. Von der Toten im Kofferraum wollte sie nichts gewusst haben. Es folgten die Festnahmen der Brüder und ein elf Monate andauernder Prozess vor dem Berliner Landgericht Moabit. Dort wird nun am 16. Februar das Urteil gefällt.

    In der Wohnung der Geliebten des Mordverdächtigen wurde ein baugleicher Koffer zu jenem gefunden, in dem die Leiche transportiert wurde.
    In der Wohnung der Geliebten des Mordverdächtigen wurde ein baugleicher Koffer zu jenem gefunden, in dem die Leiche transportiert wurde. Foto: Oh

    Die entscheidende Frage ist: War es heimtückischer Mord, wie die Staatsanwaltschaft im Plädoyer konstatierte, oder wurde Maryam H. Opfer eines "bedauerlichen Unfalls", wie es der ältere Bruder Sayed Youssuf H. gern verstanden haben möchte. Dessen Verteidiger jedenfalls vertritt den Standpunkt der Körperverletzung mit Todesfolge und hat maximal fünf Jahre Freiheitsstrafe beantragt. Sein Mandant hatte im Prozess von einem Streit mit Maryam erzählt, in dem es um die Frage gegangen sei, ob man die Eltern aus Afghanistan nach Berlin nachholen solle. Er sei dafür gewesen, die Schwester dagegen. In der Aufregung habe er sie im Affekt bis zum Tode gewürgt. 

    Nicht erklärt sind damit die Gewaltspuren am Leichnam, dem die Kehle durchgeschnitten worden war. Sayed Youssuf H. gab in der Beweisaufnahme allerdings zu Protokoll, diese Verstümmelung habe er der Schwester post mortem zugefügt, um sie leichter im Koffer unterbringen zu können. 

    Der Rechtsanwalt des jüngeren Bruders will Freispruch für seinen Mandanten

    Der Vertreter der Nebenklage, der für Maryams Sohn im Gerichtssaal sitzt, hatte indes in diesem Kehlschnitt ein Vorgehen gesehen, wie es durchaus bei Ritualmorden üblich sei. Ein Indiz also für einen "Ehrenmord", wie er den Brüdern von Beginn an vorgeworfen wird, da sie mit dem westlichen Lebenswandel Maryams nicht einverstanden gewesen seien?

    Am 16. Februar geht es ab 14.30 Uhr im Urteil um die Frage, ob das Gericht auf Mord aus niederen Beweggründen erkennt oder der Argumentation der Körperverletzung mit Todesfolge folgt. Spannend ist auch, wie die Rolle des jüngeren Bruders Seyed Mahdi H. beurteilt wird. Es ist nicht bewiesen, dass der 23-Jährige an der Tötung beteiligt war. Seyed Mahdi H. hat im Prozess dazu geschwiegen und sein Bruder Sayed Youssuf H. deckt ihn, indem er sagt, allein gewesen zu sein. 

    Indizien wie Fingerabdrücke sprechen allerdings dafür, dass Seyed Mahdi H. durchaus Mittäter gewesen sein oder sich zumindest der Beihilfe schuldig gemacht haben könnte. Sein Verteidiger sieht die Rolle Seyed Mahdis indes ausschließlich im Abtransport der Leiche. Das würde dann lediglich den Straftatbestand der Störung der Totenruhe erfüllen. Der Rechtsanwalt des 23-Jährigen hat auf Freispruch plädiert. 

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