Was einst für München und seinen Speckgürtel galt, das ist längst auch ein greifbares Phänomen 100 Kilometer von der Landeshauptstadt entfernt geworden: teures Wohnen. Und manchmal ist es gar sündteuer, obwohl den Mietern alles andere als Luxus geboten wird. Das zeigt beispielhaft der Fall von Khalid M. aus Donauwörth. Er sollte letzten Endes über 1100 Euro pro Monat für 16 Quadratmeter bezahlen.
Nein, es liegt kein Tippfehler vor - aber zur Sicherheit die Flächengröße der bescheidenen Behausung noch einmal in ausgeschriebener Form: sechzehn. Für ein Zimmer in einer Art Wohnheim sollte M. am Schluss 1118 Euro pro Monat zahlen. Der versteht nun die Welt nicht mehr: "Ich dachte, in Deutschland herrschen Recht und Gesetz. Und diese Kosten sind unfair."
Schon die Frau zahlte 559 Euro für das Zimmer in Donauwörth
Doch der Reihe nach. Um die Geschichte des Mietstreits zu verstehen, über den letztlich das Gericht zu befinden hatte, sollte man die Umstände, die Geschichte von Khalid M. kennen. Der wurde vor 28 Jahren in der jordanischen Hauptstadt Amman geboren. Im Alter von drei Jahren siedelte er mit seinen Eltern in die Vereinigten Arabischen Emirate über. Dort lernte er seine Frau kennen, eine Deutschjordanierin, die in Berlin aufgewachsen war. Sie wollte zurück nach Deutschland gehen, um ihr Abitur nachzuholen und im Anschluss zu studieren. Die Ehefrau wanderte zuerst aus, mietete ein Zimmer in einer Art Arbeiterwohnheim in Donauwörth. Es war jener Raum mit 16 Quadratmetern. Kahlid zog schließlich nach, das Ehepaar wohnte die ersten Monate zu zweit in dem Raum während sie parallel eine herkömmliche Wohnung suchten. Khalids Frau zahlte 559 Euro für das Zimmer. Nicht gerade billig nach allgemeinen hiesigen Marktpreisen.
Irgendwann kam die ersehnte Nachricht: Dem Paar wurde eine Genossenschaftswohnung in Donauwörth angeboten. 52 Quadratmeter für 290 Euro kalt. Doch irgendwann trudelte auch die Hiobsbotschaft ein, wie M. berichtet. Die Aufforderung zur Nachzahlung. 1118 Euro pro Monat wären zu entrichten gewesen in der alten Wohnung. Schließlich lebte man ja zu zweit in dem Zimmer, gelegen übrigens zwischen einer Werkstatt und einer Hauptverkehrsstraße. Parallel kündigte sich weiteres Unheil für M. an. Seine Frau verließ ihn Hals über Kopf, sie wollte alleine in die alte Heimat Berlin. M. stand alleine da, mitsamt der Mietforderung. Zu diesem Zeitpunkt, sagt er, habe er kaum Deutsch gesprochen; seine Frau, eine deutsche Muttersprachlerin, habe bis dahin alles Behördliche gemanagt. Den kompletten bisherigen Briefwechsel habe sie mitgenommen. Was blieb, war die Zahlungsforderung.
"Wir hatten keine eigene Toilette, keine eigene Dusche"
Das Ganze ging schließlich ans Gericht. Streitwert: 2086 Euro. M. sagt, er könne es schlicht nicht fassen, dass jener Preis für das Zimmer verlangt werden darf. "Wir hatten keine eigene Toilette, keine eigene Küche, keine eigene Dusche." Alles musste geteilt werden mit drei weiteren Mietparteien in jener Art Wohnheim. Mit seinem Anwalt argumentierte M., es müsse sich um Mietwucher handeln - und der sei zurückzuweisen. Das Gericht allerdings sah dies anders.
In dem Gerichtsbeschluss, der als Bescheid nach dem Briefwechsel jetzt bei M. einging, heißt es: "Ein Mietwucher liege, stellt der Sachverständige abschließend fest, nicht vor." Damit beruft man sich auf eine gutachterliche Prüfung, wonach "die allgemeine Lage" eine wesentliche Rolle spielte sowie hauptsächlich der Vergleich mit anderen und ähnlichen Mietobjekten in Donauwörth, genauer gesagt mit anderen "Unterkünfte(n) für 2 Personen in einem Doppelzimmer". Es wurden auch Mieten für Monteurszimmer herangezogen. Der Sachverständige kommt "auf ein medianes monatliches Entgelt von 1350 Euro". Kurzum: Nach diesen Ermittlungen und nach jenem "Medianwert" sind 1118 Euro für die 16 Quadratmeter kein Wucher. Somit: legal.
Sozialarbeiter Riedelsheimer: "Spitze des Eisbergs" auf dem Mietmarkt
Albert Riedelsheimer hat als Sozialarbeiter schon öfter mit dem Thema Wohnen zu tun gehabt. Als dritter Bürgermeister in Donauwörth kümmert er sich zudem vor allem um die sozialen Belange in der Stadt. Er sagt, dass "dieser Fall wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs" ist. Das, was in sogenannten Arbeiterwohnheimen teils an Mieten gezahlt werde, sei der Öffentlichkeit meist unbekannt - in zahlreichen Fällen gebe es wohl öfter jene hohen Mieten. Er versteht nicht, warum sie nicht als Wucher gelten. "Was ist ein Wucher, wenn nicht so etwas?" In der Tat: Eine kurze Recherche zeigt - auch wenn in Donauwörth die Preise nach oben gingen in den vergangenen Jahren, so ist man weit entfernt von 1118 Euro, oder gar nur der Hälfte, für 16 Quadratmeter. Zumindest auf dem "normalen" Markt. Beispiele finden sich rasch: zwei Zimmer, 70 Quadratmeter, 800 Euro kalt. 2,5 Zimmer, gut 60 Quadratmeter, 570 Euro. Bei den Genossenschaften liegt man oft noch merklich darunter. Bei sogenannten Monteurszimmern sieht es in der Tat oft anders aus - trotz weniger Komforts kommen hier Preise von über 1000 Euro zusammen, allerdings zählt das eher zum oberen Ende der Fahnenstange, mitsamt Wäscheversorgung, ruhiger Lage und, und, und.
"Solche Preise werden vor allem bei den Schwächsten abgegriffen, etwa bei Migranten und einfachen Arbeitern", resümiert Riedelsheimer. Vor allem Zuwanderer würden sich oft weder mit der Sprache noch mit den Preisen richtig auskennen, zudem hätten sie oft schlechtere Chancen, etwas anderes zu finden auf dem angespannten Markt. Was bliebe, das seien dann jene kleinen Zimmer mit ihren teils beachtlichen Preisen.
Für M. geht es dennoch weiter. Er bringt dieser Tage den nächsten Deutschkurs zu Ende. Danach fange seine Ausbildung als Pflegehelfer an. Doch die ausstehende Miete plus Prozess- und Anwaltskosten, das drücke. Und mehr noch - es sei schlicht "unfair". Er wolle nicht in die Privatinsolvenz gehen, sagt er. Er habe weder ausschweifend gelebt, noch Geld verschleudert. Er habe nur eine Weile auf 16 Quadratmetern gelebt, für 1118 Euro im Monat, wie er anschließend erfuhr.