Die Corona-Pandemie hat unsere Welt auf den Kopf gestellt. Seit Anfang November gelten bundesweit erneut Kontaktbeschränkungen. Was bedeutet das nun konkret? Das haben wir Bürger aus den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft gefragt.
Sanitäter Julian Linden: „Es ist belastend“
„Im Rettungsdienst ist es unangenehm über lange Zeit die FFP2-Masken zu tragen. Mit der Maske oder sogar mit der Schutzausrüstung ist es bei hohen Belastungen sehr anstrengend“, sagt Julian Linden, der als Notfallsanitäter in Donauwörth arbeitet.
Für einen Einsatz bei einem bestätigten Corona-Patienten müssen er und seine Kollegen einen Ganzkörper-Schutzoverall, Face Shields oder Schutzbrille, FFP2-Maske neben der sonstigen Dienstbekleidung anziehen. Er wünsche sich, dass bei Einsätzen, die Leute Zuhause selbstverständlicher eine Maske tragen würden. Auch gibt er zu Bedenken, dass der Rettungsdienst mit derselben Personalstärke wie vor Corona arbeite. Regelmäßig fielen Mitarbeiter aus, weil sie unter Quarantäne sein. Dadurch müssten alle öfters für Kollegen einspringen, das sei belastend.
Nach dem ersten Lockdown sei die Sprache davon gewesen, dass auch an der Personalstärke im Rettungsdienst gearbeitet werde. „Es hat sich nichts getan, was ärgerlich ist. Wir arbeiten mit derselben Besetzung und haben immer noch die gleichen Probleme“, sagt der 25-Jährige. Er findet aber auch etwas Positives an der Situation: „Wir haben unter den Kollegen einen großen Zusammenhalt“, sagt Julian Linden.
Pflegekraft Brigitte Foag: „Ich habe großen Respekt“
Seit 25 Jahren ist Brigitte Foag Pflegerin bei der Diakonie in Donauwörth. Nahezug täglich ist sie in Kontakt mit Menschen, die Hilfe brauchen, um das tägliche Leben zu meistern. Maske, Desinfektion, möglichst Abstand halten – das ist nicht nur für sie selbst in ihrem Beruf, sondern auch für jeden ihrer Patienten eine gesundheitlich absolut notwendige Maßgabe.
„Ich habe großen Respekt vor der Verantwortung, die ich gegenüber meinen Patienten, Kollegen und auch jedem meiner Mitmenschen habe“, sagt die 58-Jährige aus Oberndorf. Sie ist es deshalb gewohnt, sehr genau darauf zu schauen, dass Hygienemaßnahmen eingehalten werden. „Deshalb freut es mich auch sehr, dass alle die Maske aufsetzen.“ Privat vermisst sie es, mit Freunden und Bekannten mal Essen gehen zu können.
„Das geht mir schon ab“, sagt sie. Doch sie sei in der glücklichen Lage, dass ihre Arbeitskollegen über die Jahre Freunde geworden sind. „Das ist ein Glücksfall“, sagt sie und klingt dabei wirklich positiv. Hinzu komme noch „meine Handvoll Familie“. Da die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen für sie nicht infrage steht, kann sie dem Lockdown auch etwas Positives abgewinnen. „Mein Terminkalender ist nicht so voll – also habe ich mehr Zeit für mich“.
Rentner Erich Rieder: „Ich habe kein Angst“
Streng genommen gehört Erich Rieder aus Wemding mit seinen 63 Jahren zur Gruppe der Risikopatienten. Dessen ist sich der Rentner zwar bewusst. „Aber ich sehe mich nicht besonders in Gefahr.“
Dennoch sei es für ihn keine Frage sich an die verhängten Schutzmaßnahmen zu halten. Er kenne auch niemanden, der sich davon distanziere. „Höchsten auf Facebook“, sagt der auch im Netz aktive Rentner. Schon vor der Pandemie habe er einen enormen Umbruch in seinem Laben gehabt, als er in Rente ging. „Damals musste ich mich schon auf ein deutlich ruhigeres Leben einstellen. Die Pandemie und der Lockdown haben jetzt nicht mehr viel Veränderung gebracht.“ Was er in dieser Zeit des Lockdowns vermisse, sei es sich mit Bekannten und Freunden auf einen Kaffee oder ein Bier zu treffen oder spontan miteinander etwas zu unternehmen. „Und ich finde es sehr schade, dass das kulturelle Leben abgeschaltet ist“, so der 63-Jährige.
Seine Hobbys aber – Fotografie und das Engagement für den Naturschutz beim Rieser Naturschutzverein und bei der Schutzgemeinschaft Wemdinger Ried – könne er weiter ausüben, weil vieles davon ja eh draußen passiere und mit entsprechendem Abstand. Rieder: „Und im Frühjahr wird das alles hoffentlich vorbei sein.
Gabriele Wawrok, Obdachlosenhilfe: Kein Zimmer für Quarantäne
„In der Obdachlosenunterkunft in Donauwörth leben derzeit 23 Menschen. Ihnen fehlt es momentan größtenteils an Ausweichmöglichkeiten“, sagt Gabriele Wawrok von der Obdachlosenhilfe des Caritasverbands Donau-Ries.
Cafés und Bäckereien seien sonst Rückzug für Obdachlose. Die Bewohner gelten zwar als ein Hausstand, aber die meisten hielten sich nicht an Abstandsregeln oder trügen keine Maske. Viele von ihnen leugneten Corona und ließen sich nicht gerne testen. Beim Krankheitssymptom Fieber gehe es dann aber zum Arzt, oder der Notarzt werde gerufen. Für einen Obdachlosen, der sich mit Corona infiziert, gebe es im ganzen Landkreis aber kein Quarantäne-Zimmer. Bisher sei so ein Fall aber zum Glück noch nicht vorgekommen. „Ich würde mir wünschen, dass es mehr Unterkünfte in Hotels und Pensionen für obdachlose Menschen gibt“, sagt Wawrok. 2019 habe es 40 Zwangsräumungen im Landkreis gegeben. Diese Woche bearbeite sie den heuer 85. Fall.
Die Zwangsräumungen hätte durch die Pandemie zugenommen. Dazu gehören der Vater in Kurzarbeit, die alleinerziehende Mutter sowie die ältere Frau, die ihre Überweisungen nicht mehr schriftlich machen und so ihre Miete nicht überweisen konnte.
Musiker Stefano Messina: „Das ist für mich ein Todesurteil“
„Die erneuten Beschränkungen sind für mich als Musiker das Todesurteil. Meine Auftritte sind bis Mai 2021 abgesagt. Seit Montag habe ich einen Fabrikjob angenommen“, sagt Stefano Messina aus Kaisheim.
Seit zehn Jahren arbeitet er als Musiker und tritt mit seiner Band auf Feiern auf. Der 35-Jährige hat Verständnis für die Maßnahmen, aber fühlt sich als Künstler finanziell alleine gelassen. Seit dem ersten Lockdown habe er einmalig 3000 Euro von der Künstlersozialkasse erhalten. Seit Juli durfte Messina zwar wieder einige Konzerte spielen, doch vor drei Wochen sagten Veranstalter alle seine Termine bis Mai 2021 ab. Überlebt habe er die vergangenen Monate durch die wenigen Auftritte heuer und seinen Rücklagen aus zehn Jahren. Das gehe jetzt aber nicht mehr.
Seit Montag arbeite er nun in einer Fabrik. Das sei Glück im Unglück, aber natürlich eine ganz andere Welt. „Es hilft nichts, ich muss. Als Musiker habe ich momentan keine Perspektive.“ Momentan nehme er nur noch selten seine Gitarre in die Hand, um zu spielen. Auf einen Facebook-Beitrag zum Thema „Ohne Kunst und Kultur wird’s still“ habe er aber eine tolle Resonanz von Fans und Bekannten erhalten. Sein Wunsch: „Eine wirtschaftliche und finanzielle Lösung der Politik für Künstler, wie ein Grundeinkommen.“
Verkäuferin Tanja Seitz: „Alles ist besser, als zu schließen“
Tanja Seitz arbeitet in einem Beruf, der sie viel mit Menschen zusammenbringt, und in dem Kommunikation und Nähe dazu gehören. Die Filialleiterin des Modehauses Britzelmeir in Rain liebt es, ihre Kunden zu beraten.
In Corona-Zeiten allerdings gibt es da Hindernisse. „Manchmal ertappe ich mich tatsächlich dabei, dass ich einer Kundin beispielsweise ein Tuch zurechtzupfe. Dann denke ich mir: Upps, bloß nicht zu nahe kommen“, sagt die 49-Jährige. Abstandsgebot, strenge Hygiene, Mund-Nasen-Schutz aus Plexiglas – all das ist für Tanja Seitz und ihr Team längst zur alltäglichen Normalität geworden. Dennoch gibt es Situationen, in denen sie sich die neuen Grenzen bewusst machen müssen. Die durchsichtige Maske erleichtert es da, wenigstens über Mimik Nähe herzustellen. „Wir nehmen das alles gern in Kauf, denn wir sind glücklich, dass wir überhaupt öffnen dürfen.“
Tanja Seitz war beim kompletten Lockdown im Frühjahr „fix und fertig“, wie sie sagt. „Es ist alles besser, als wenn wir wieder die Türen schließen müssen.“ Angst, sich anzustecken, hat sie nicht, „denn wir verhalten uns, genauso wie unsere Kunden, vernünftig“. Jetzt freut sie sich auf das Weihnachtsgeschäft, das „hoffentlich ohne Einschränkung sein darf“.
Wirt Martin Kilian: „Wir machen trotzdem weiter“
Dass er nun zum zweiten Mal in diesem Jahr keine Gäste bewirten darf, das hätte sich Martin Kilian vom Hotel-Restaurant Straussen in Harburg nicht vorstellen wollen. „Wir waren nach dem ersten Lockdown zuversichtlich, dass so etwas nicht noch einmal passiert.“ Dementsprechend sei im Haus die Stimmung jetzt gedrückt, er selbst „leicht sauer“.
Beim ersten Mal habe man mit dem Liefer- und Abholservice die Verluste etwas abfedern können, daher gibt es beim Straussen dieses Angebot erneut. Auch die Tatsache, dass er zumindest Monteure und Geschäftsreisende im Hotel unterbringen darf, gibt dem Chef Grund zur Hoffnung. Dass er im November komplett dicht macht, kam für ihn nicht infrage: „Wir sind ein Familienbetrieb und haben noch die Metzgerei. Außerdem wollen wir ja unsere Auszubildenden weiter beschäftigen. Von daher wollten wir gar nicht ganz zumachen, nein, wir machen trotzdem weiter“, gibt sich Kilian kämpferisch.
Bedenken hat er, was die in Aussicht gestellte staatliche Hilfe – 75 Prozent des Umsatzes des November 2019 – angeht. „Wir hoffen, dass wir nicht bestraft werden, weil wir jetzt zu viel arbeiten.“ Von der letzten Staatshilfe müsse man womöglich etwas zurückzahlen. „Auch da waren wir schon zu fleißig...“
Gebärdendolmetscher Günter Seuberth: „Unsere Mitglieder vereinsamen“
Eine Gruppe von Menschen, die durch Corona in die nahezu komplette Isolation gestürzt wurde, sind die Gehörlosen. Ihr Handicap alleine schon schließt sie von einem Großteil der üblichen Kommunikation aus. Erst recht vereinsamen sie infolge der bestehenden Kontaktverbote, wie Günther Seuberth erzählt.
Der Gebärdendolmetscher ist Vorstandsmitglied im Hörgeschädigtenverein Nordschwaben und weiß um die akute Not. „Das Hauptproblem ist, dass sich unsere Mitglieder schon seit Mitte März nicht mehr im Gehörlosenzentrum in Nordheim treffen dürfen“, gibt er Einblicke in den Alltag. „Ihre Heimat ist unser Verein, aber nun gibt es keinen Kaffeeklatsch mehr, keine Spieleabende, keine Bastelstunden und vieles mehr. Auch der monatliche Seniorentreff im Gasthaus Drei Kronen darf nicht stattfinden.“
Erschwerend komme hinzu, dass sich in einigen Arztpraxen die Mediziner weigern, den Mundschutz während der Behandlung abzunehmen. „Das ist aber für Gehörlose zur Verständigung unbedingt notwendig, da sie darauf angewiesen sind, von den Lippen abzulesen“, sagt Seuberth. „Alle unsere Gehörlosen leiden seit Corona unter Einsamkeit“, fasst er zusammen.
Sportler Fabian Müller: Fit mit Maske und ohne Team
Eigentlich würde im November die Saison noch auf Hochtouren laufen, für 21. war das nächste Spiel gegen Feuerbach angesetzt. Doch die Zweitligaspieler von Donau Floorball Ingolstadt/Nordheim haben Zwangspause. Der 22-jährige Fabian Müller aus Nordheim gehört der Spielgemeinschaft an.
Er kann den Lockdown nachvollziehen: „Das ist aus meiner Sicht die letzte Möglichkeit, die steigenden Zahlen in den Griff zu bekommen.“ An den Alltag mit Maske, Abstand und Co. habe er sich gewöhnt. „Das ist keine Einschränkung mehr“, sagt der Student Sportlich sieht es da anders aus. Durch das fehlende Training leiden das Mannschaftsgefüge und der Kontakt zu den Mitspielern. „Jedoch ist uns die Situation bewusst und auch der Sport muss zum Wohle der Gesellschaft zurückstecken.“ Er selbst geht regelmäßig joggen mit einzelnen Sprinteinheiten, außerdem hält er sich durch Kraftzirkeltraining fit.
Wann es mit Floorball weitergeht, ist offen. Aktuell hat der Dachverband den Spielbetrieb bis Jahresende ausgesetzt. Das Training soll aufgenommen werden, sobald es die Infektionszahlen zulassen. Dann sollen die eingeschlafenen Strukturen im Spiel aufgefrischt und neue Akzente hineingebracht werden, sagt Müller.