"Wir wissen, was Hochwasser ist, aber dieses Ausmaß war bei uns noch nie da!" - Josef Wagner (59), der zusammen mit Sohn Max-Josef den seit 1470 in den Donau-Lech-Auen ansässigen Hof "Eichmühle" bei Genderkingen leitet, steht am Rande eines Kartoffelackers. Er blickt auf faulende Pflanzen, die ihre verschrumpelten Blätter kraftlos über matschige Erdäpfeln hängen. "Auf 15 Hektar Kartoffelanbau haben wir Totalausfall", stellt er ernüchtert fest, als er die kläglichen Überreste begutachtet. Nur ein paar hundert Meter weiter liegen die Felder mit Küchenkräutern. Auch dort bietet sich ein trauriger Anblick: Die Petersilie liegt welk und braun im sumpfigen Boden, nachdem das Wasser dort tagelang gestanden hat.
Die Wagners kennen Überschwemmungen. Direkt am landwirtschaftlichen Betrieb läuft der Mühlbach vorbei, zur Donau sind es rund 500 Meter, auch der Lech ist Luftlinie nur etwa 1,5 Kilometer entfernt. Von jeher treten die Gewässer gelegentlich über die Ufer, auch beim Pfingsthochwasser 1999 musste die Familie zusammen mit Helfern gewaltig die Ärmel hochkrempeln. Doch für das was diesmal passiert ist, haben Josef und Max-Josef Wagner keinen Vergleich. "Selbst Schmutter, Zusam und Egelseebach haben wir zu spüren bekommen." Neben dem Ackerland waren die Hofstelle des Seniors, das neu gebaute Haus des Juniors, die Ferienwohnungen und die landwirtschaftlichen Hallen betroffen.
Familie Wagner: "Jetzt ist der Ernstfall eingetreten. Wir haben Existenzangst."
Bedenken hatten die Wagners schon lange. Schon als vor zehn, zwölf Jahren der Donaudamm abgebaggert und das Erdreich in den Fluss gekippt wurden. Schon als Josef Wagner in der BR-Sendung "Jetzt red i" aus seiner Sicht zur Problematik sprach. "Wir hatten damals schon Angst", schildert er, "und nun ist der Ernstfall eingetreten. Wir haben - wie andere Berufskollegen auch - Existenzsorgen."
Als ab Freitag das Wasser stieg, konnte die Familie Wagner das Getreide aus dem Lager zusammen mit Helfern gerade noch auf Hängern zu Kollegen fahren. Aber die Feld-Erträge, mit denen Ackerbauer Josef und sein Sohn Max-Josef heuer gerechnet haben, brechen dramatisch ein. Auf Dinkel, Winterweizen und -gerste, Körnermais, Zuckerrüben, Kartoffeln und Küchenkräuter ist die Eichmühle spezialisiert. Der erste Augenschein zeigt, dass viele Feldfrüchte, die gerade im Wachstum sind, massiv Schaden genommen haben.
Allein bei den Kartoffeln rechnet Josef Wagner mit 100.000 Euro Verlusten. Maximal 50.000 Euro pro Betrieb wird die Staatsregierung Unterstützung leisten. Ein Tropfen auf den heißen Stein. "Das reicht bei uns in keiner Weise", bilanziert Josef Wagner. Beim Getreide haben er und Sohn Max-Josef je nach Wachstumsstand bis zu 100 Prozent Ausfall, zumindest aber einen "kräftigen Minderertrag". Die Zuckerrübe steckt Überschwemmungen "halbwegs gut weg". Aber die entscheidende Frage ist hier: "Wie lange steht sie im Wasser?"
Hochwasser im Donau-Ries: Kameradschaft und Hilfe waren "gigantisch"
Schlaflose Nächte liegen hinter den Wagners. Hätten sie nicht die Kameradschaft und tatkräftige Unterstützung so vieler spüren dürfen, hätte sich die Flut auch Wege in die Gebäude gebahnt. So aber halfen drei Lkw-Ladungen Schotter, jede Menge Sandsäcke und zahllose tatkräftige Hände, das zu verhindern. "Das war gigantisch", sind die Wagners dankbar.
Wie lange sie an den finanziellen Einbußen zu knabbern haben, vermögen sie nicht zu sagen. "Sicher etliche Jahre, denn wir haben ja auch Investitionen getätigt, die wir zurückzahlen müssen. Es ist richtig bitter. Wir sind fleißig, haben 13-, 14-, 15-Stunden-Tage und dann kommt sowas und macht unsere ganze Arbeit zunichte."
Die beiden Bauern der Eichmühle suchen Antworten auf viele Fragen: Warum war es diesmal so anders als früher? Warum wurde der Polder bei Riedensheim nicht geöffnet? Warum werden Stauseen nicht ausgebaggert, um mehr Kapazität zu schaffen? Warum werden Dämme nicht ausreichend instand gehalten? Warum kann man nicht beizeiten Wasser aus der Donau ablassen - analog zum Forggensee -, damit mehr Fassungsvermögen da ist? - Die Gesamtproblematik ist von Menschenhand gemacht, da sind sich die Wagners sicher. Max-Josef: "Die Natur rächt sich an den Sünden der Menschen. Das Wasser sucht sich seinen Weg."
Im Landkreis sind insgesamt wohl über 6000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen betroffen
Vielen ist es in diesen Tagen ähnlich ergangen wie den Wagners bei Genderkingen. Der Kreisverband des Bayerischen Bauernverbands hat sich mit Ortsobmännern getroffen, um zu beratschlagen. Die erste Bilanz laut BBV-Kreisgeschäftsführer Michael Stiller: "Im südlichen Donau-Bereich sind über 4200 Hektar Acker- und 600 Hektar Grünlandfläche betroffen. Nördlich der Donau an Wörnitz und Eger kommen weitere 1000 bis 1500 Hektar dazu." Jetzt geht es zunächst darum, dass die Landwirte ihre Schäden melden, um vom Freistaat Mittel aus der "Hochwasserhilfe 2024" zu erhalten. Nach der Erstmeldung werden dann im zweiten Schritt die konkreten Details erfasst.
Egal, welche Kulturen auf den Feldern geflutet wurden, es gilt flächendeckend: In vielen Bereichen herrscht Totalausfall, in manchen kann, so Stiller, "vielleicht noch was geerntet werden". Je nachdem, wie umfangreich die Verluste sind, ist auch die Stimmung unter den Landwirten. Von teilweise "sehr, sehr deprimierend" spricht der BBV-Geschäftsführer, auch von großen psychischen Belastungen, verbunden mit der Frage: "Wie kommen wir heuer über die Runden?"
Michael Stiller wünscht sich, dass man eine Solidarversicherung auf den Weg bringt, die die Schäden der Landwirte abdeckt. Hier gehe es um Jahreseinkommen von Menschen. Der BBV versuche, hier etwas anzustoßen.
BBV-Kreisgeschäftsführer Michael Stiller fordert: "Man darf die Landwirtschaft nicht vergessen!"
Beim Hochwasserschutz wünscht sich der Kreisgeschäftsführer Lösungen im Sinne der Landwirtschaft. Dass sie gefunden werden müssen, steht für ihn außer Frage, da der Klimawandel auch künftig für vergleichbare Naturereignisse sorgen werde. "Wenn die Landwirtschaft das Wasser der Gesamtgesellschaft schlucken muss, weil überall Flächen versiegelt wurden, müssen wir nicht nur über Polder und Deicherhöhung nachdenken, sondern auch über dezentrale Wasserrückhaltesysteme. Es darf kein Wohn-, kein Gewerbe- und Industriegebiet, mehr erschlossen werden, ohne dass das Oberflächenwasser auf der eigenen Fläche zurückgehalten wird."
Laut Stiller werde es künftig auch nicht immer gehen, Überschwemmungen aus den Orten herauszuhalten. Man müsse das Hochwasser gezielt durch die Orte lenken und dafür Sorge tragen, dass in den Anliegerhäusern Heizungen und Elektrik in den Obergeschossen installiert würden.
"Wir erwarten", so Stiller im Namen seines Berufsstandes, "dass die Landwirte nicht die Solidarauffanggesellschaft aller Probleme dieser Welt sind. Es kann nur mit der Landwirtschaft gehen." Er hoffe auf die Solidarwirkung der Gemeinschaft und auf die Erfüllung der staatlichen Aufgabe. "Die Politik muss das auf den Weg bringen, auch wenn es viel Geld kostet. Man muss weiter nach kreativen Lösungen suchen und darf dabei die Landwirtschaft nicht vergessen."