Am Montag steht der Donauwörther Stadtteil unter dem Eindruck der Zusam, die sich Löcher in den Damm bohrt. Die alles entscheidende Frage ist, ob er dem Druck Stand hält. So war der Tag.
Ruhig und beschaulich liegt Auchsesheim am Montagmorgen da - wohl kaum anders, als an anderen Tagen. Ein paar Radler strampeln durch die Mertinger Straße, gelegentlich passieren Autos den Ort. Zwei Frauen stehen an einem Gartenzaun. Die Szenerie wirkt vollkommen unaufgeregt. Und doch liegt die Bedrohung nur wenige hundert Meter weiter westlich und nähert sich in kleinen Schritten. Es sind die Wasser der entfesselten Zusam, die den Deich aufweichen, überspülen, zwischen den aufgeschichteten Sandsäcken Löcher bohren und nach Auchsesheim hinüberschwappen.
Mit Bangen blicken an diesem Montag alle Bewohner des Donauwörther Stadtteils in Richtung Hochwasser und hoffen, dass ihnen das Schlimmste erspart bleibt. Das Schlimmste - das ist ein Szenario, das an Tagen wie diesen vielerorts droht: dass Deiche brechen und braune Wasser-Schlamm-Massen Häuser, Straßen, Felder und Plätze überschwemmen, Leben gefährden und großen Schaden hinterlassen. In Auchsesheim dreht sich denn auch tatsächlich alles um diese Frage: Hält der Damm stand? An mehreren Stellen ist er bereits undicht. Doch im selben Maß, in dem sich die Naturgewalt ihren Weg bahnt, tun die Menschen dort alles, um ihr Widerstand entgegenzusetzen.
Krisenbesprechung im Feuerwehrhaus Auchsesheim
Krisenbesprechung kurz nach 9 Uhr: Landrat Stefan Rößle. Donauwörths Oberbürgermeister Jürgen Sorré und die Einsatzleiter der Feuerwehren und des THWs, der Wasserwacht und andere Helfer bringen sich auf einen aktuellen Stand der Lage. Und der lautet um diese Zeit: Alles ist offen.
Rößle schildert, wie gefährlich die Situation mittlerweile am Damm entlang der Zusam ist. Zu gefährlich, um die Helfer weiter dort arbeiten zu lassen. Niemand darf dort mehr hin. Man muss ihn aufgeben, sich selbst überlassen und hoffen, dass er standhält. Nur ein, zwei Einsatzfahrzeuge bleiben dort positioniert, um die Entwicklung beobachten zu können. Hin und wieder kreist ein Hubschrauber in der Luft - auch der Landrat fliegt mit, verschafft sich einen Überblick.
Um sich der drohenden Gefahr nicht kampflos zu ergeben, errichten die Bürgerinnen und Bürger zusammen mit dem THW und der ortsansässigen Firma Wagner in einer Blitzaktion am Sonntag einen Behelfsdamm, der sich unmittelbar an der Ortsrandbebauung ab Höhe der Ortsmitte bis hin zum Ortsrand zieht. Innerhalb von 13 Stunden schütten sie einen rund 1,1 Kilometer langen und 90 Zentimeter hohen Wall aus Kies und Sand auf. Am Montag befestigen sie die Deichkrone mit Sandsäcken, die unermüdlich herbeigeschafft werden.
Viele Anwohner fühlen sich besser, wenn sie im Ort bleiben
Viele helfende Hände packen mit an. Anwohner, die sich entschlossen haben, zu bleiben, sind auch darunter. "Wir fühlen uns besser, wenn wir vor Ort sehen, wie es weiter geht", sagen sie. "Dann haben wir wenigstens nicht diese schreckliche Ungewissheit." Sie wirken gefasst. "Wir tun alles, was wir können, das andere liegt nicht in unserer Hand."
Der Zusammenhalt ist spürbar. Sie tun es miteinander und füreinander. Dann kommt eine Truppe junger Leute und zieht einen Handkarren hinter sich her. Es ist die Landjugend Auchsesheim, die belegte Semmeln, Süßigkeiten und Getränke für die Helfer bringt, so wie viele auf diese Weise in diesen Tagen unterstützen. "Wir sind eine Dorfgemeinschaft und gehören zusammen", sagt die Jugend stellvertretend für alle anderen. Derweilen wächst der Damm und mit ihm Zuversicht. Doch gleichzeitig nähern sich auch die Wasser der Zusam.
Volker Scupin lebt in der Siedlung am Ortsrand und blickt skeptisch über Wiesen und Felder auf die Seenlandschaft, die dort eigentlich nicht hingehört. Er ist wütend und mit dieser Wut ist er nicht allein. Etliche Auchsesheimer fühlen sich von Behörden wie dem Wasserwirtschaftsamt im Stich gelassen. "Ich lebe seit 20 Jahren hier", sagt Scupin. "Wie oft ist man zusammengesessen und wie oft hat man uns diesen Damm hier versprochen. Und nichts ist passiert." Ein anderer Anwohner vermisst schon viel länger die Einlösung dieses Versprechens: "Seit 40 Jahren wird das Problem auf unsere Kosten verschleppt."
Hilfskräfte aus Oberfranken sind in Auchsesheim eingetroffen
Inzwischen ist am Feuerwehrhaus, dem zentralen Treffpunkt für Hilfskräfte, Verstärkung aus Oberfranken angekommen. Drei Züge dortiger Wehren treffen ein, um die Kollegen zu unterstützen. Sie haben Boote und Pumpen dabei und werden verteilt auf die drei kritischsten Punkt an diesem Montag: Hamlar, Heißesheim und Auchsesheim. Die Wasserrettung trifft nahezu gleichzeitig mit zwei Wagen und Booten ein. Alexander Appel von der Wasserwacht Rain berichtet von 70 bis 80 Kollegen aus dem ganzen Landkreis, die seit Freitag durchgehend im Einsatz sind. Doch sie werden in Auchsesheim zur Stunde nicht gebraucht und machen sich auf den Weg nach Hamlar und nach Bäumenheim.
Dann kann Landrat Stefan Rößle wenigstens für Heißesheim Entwarnung geben. Wie aus der Luft zu sehen war, sei der Ort nicht so stark betroffen, wie befürchtet. Die Lage hat sich entspannt, die Evakuierungs-Empfehlung kann aufgehoben werden. Für Auchsesheim gilt das freilich nicht, solange der Damm in kritischem Zustand ist. Und da sich erst in den nächsten Stunden entscheiden wird, was passiert, treffen die Behörden Vorsorge: Feuerwehrautos fahren mit Lautsprecherdurchsagen durch die Straßen. Die Bevölkerung wird dringend gebeten, sich in Sicherheit zu bringen. Eine Anwohnerin will dies in ihrer Wohnung im ersten Stock tun. "Ich bin lieber vor Ort", sagt sie. Sie hat sich für den Notfall eingedeckt mit allem Lebensnotwendigen. "Aber ich bin zuversichtlich, dass es gar nicht so schlimm kommt."
Ein 13-Jähriger, der mit seiner Familie am Ortsrand wohnt, geht ebenfalls davon aus, sein Zuhause nicht zu verlassen. Für den schlimmsten Fall ist er sich allerdings sicher: "Wenn das Wasser kommt, sind wir die Ersten, die es erwischt." Wie geht es ihm bei diesem Gedanken? "Mei Schlaf is scho a bissle unruhig!"
Vorerst gilt für Auchsesheim: abwarten und hoffen
Unter Schlafmangel leiden tatsächlich viele in diesen Tagen. Die Helfer kommt oft auf nicht mehr als drei Stunden, ehe sie sich wieder zum Dienst melden. Bernd Götzfried, Stellvertretender Kommandant der FFW bekennt: "In der vergangenen Nacht hab ich mir den Luxus gegönnt, fünf Stunden zu schlafen." Auch er wischt sich die Müdigkeit aus den Augen, die vielen ins Gesicht geschrieben steht. "Wenn Sie wissen, wer betroffen ist, können Sie nicht ruhig schlafen", erklärt er.
Ruhelos dürfte auch die Nacht zum Dienstag für die Auchsesheimer sein. Wie es behördlicherseits heißt, wird sich wohl erst danach herausstellen, ob die gemeinsamen Anstrengungen erfolgreich sind. Bis dahin gilt: Abwarten und hoffen ...
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