Der Schlepper beschlagnahmt, das Haus ebenso, Vater, Mutter und Kinder ausquartiert, Soldaten in der Scheune und im Haus. Wenn Edgar Würth über die Tage Ende April 1945 erzählt, dann sprudeln die Erinnerungen aus ihm heraus. Manches ist beim späteren Bürgermeister von Buchdorf noch so präsent, als wäre es gestern gewesen. Die Ereignisse haben sich bei ihm, der damals 15 Jahre jung war, ins Gedächtnis eingebrannt.
Gewehrkugeln pfiffen in die Ortschaft
Und dann die schlimmsten Momente: der Angriff der Amerikaner auf Buchdorf. „Das feindliche Artilleriefeuer zwang uns am 24. April in den Keller“, erinnert sich Würth. „Gewehrkugeln pfiffen in die Ortschaft“, ist in der Ortschronik nachzulesen, die Herbert Gruber erstellt hat. Er blieb fast bis Mitternacht im „Oberraum der Sakristei“. Das Feuer, so weiß auch Würth, dauerte die ganze Nacht über an. Buchdorf erlebte seinen „schicksalsschwersten Tag“.
Als die US-Truppen am Vormittag des 25. April auf den Ort zumarschierten, mussten die Bewohner das Schlimmste befürchten. Und tatsächlich hatten sie bange Stunden zu überstehen. Heimatforscher Gruber, wie auch Würth, ahnten Ungemach, denn in Buchdorf hatten sich deutsche Soldaten verschanzt, eben auch im Stadel der Familie Würth. Sogar eigene Köche hatte die SS dabei.
Starker Widerstand gegen die Amerikaner
Die Amerikaner stießen „auf starken Widerstand von Einzelkämpfern mit leichten und schweren Waffen“, wurde im Kriegstagebuch der entsprechenden Einheiten der siebten US-Armee unter dem Stichwort „Buchdorf“ vermerkt. Würth: „Die Kämpfe haben bis zum späten Nachmittag gedauert, ehe der Widerstand gebrochen und die Einnahme gemeldet wurde.“
Edgar Würth, der später auch Abgeordneter des Bayerischen Landtags war, hat seine Erlebnisse und Erinnerungen handschriftlich festgehalten, um sie seinen Kindern zu überlassen. Darin berichtet er, wie er damals vor dem 25. April mit seinem Vater auf dem Traktor unterwegs war, „immer auf Feldwegen, weil die wichtigen Straßen von Militärfahrzeugen verstopft waren“.
Panzer fahren in Buchdorf ein
Herbert Grubers Recherchen haben ergeben, dass der Krieg bereits am Weißen Sonntag, 8. April, Buchdorf erreicht hatte. Das deckt sich mit Edgar Würths Erinnerungen. Schon Anfang des „blutigen Monats“ waren zwei SS-Offiziere ins Haus der Würths gekommen, um Küche und Gastwirtschaft zu beschlagnahmen. Von dort erfolgte die Verpflegung der Truppe. „An den Toren unserer Scheune wurde mit Kreide SS/SD angeschrieben.“ Die Sicherheitstruppe der SS habe die Aufgabe gehabt, die Wehrmacht und deren Verteidigungslinie zu überwachen.
An jenem Weißen Sonntag haben, so ergaben die Nachforschungen von Herbert Gruber, US-Tiefflieger auf Kraftwagen der deutschen Truppen geschossen, die sich im Dorf befanden. Dabei kam ein Soldat ums Leben. Am 25. April aber fuhren dann amerikanische Panzer in den Ort ein. Rings um das Dorf stellten sie Geschütze auf. Ein deutscher Offizier und drei Soldaten starben. Die so in Bedrängnis geratenen SS-Einheiten zogen zuvor schon ab, nahmen aber Bürgermeister Karl Haunstetter und drei weitere Männer fest, um sie zu zwingen, auf der Hauptstraße eine Panzersperre zu errichten. Die Erleichterung war groß, als die vier Männer nach Stunden unversehrt ins Dorf zurückkehrten.
Interessantes fand Herbert Gruber in den Protokollen von Vorstand und Aufsichtsrat der Buchdorfer Raiffeisengenossenschaft. US-Soldaten beschlagnahmten das Haus von Raiffeisenrechner Georg Roßmann. Der musste mit seiner Familie im Hühnerstall Quartier beziehen. „Es war eine schreckliche Nacht, im Kanonenfeuer der Amerikaner zu liegen“, heißt es in den Protokollen. „Glück für uns war, dass die Deutschen wegen Munitionsmangels das Feuer nicht erwidern konnten.“ Die Besetzung Buchdorfs endete am Mittag des 26.April. „Das Rechnerzimmer und auch die anderen Räumlichkeiten wurden nicht beschädigt“, vermerkte der Schriftführer.
Durch die Kampfhandlungen wurde auch die Buchdorfer Kirche beschädigt – vor allem am Turm auf der Nordseite. Das Ziffernblatt war weg, das Schallloch war verschwunden. Im Innenraum rieselte es von der Decke. Zwei Granaten waren in das Dach des Kirchenschiffs eingeschlagen. „Um zwei Uhr rückten die Amerikaner ein. Ein halbes Dutzend Autos, dann sechs Panzer“, heißt es in der Dorfchronik. Pfarrer Wolfgang Weiß berichtete später von freundlichen Amerikanern, die allesamt grüßten.
"Ich gab zwei Flaschen Wein, Wermut und Rotwein“
Weiße Fahnen hätten vor jedem Haus geweht, auch vom Kirchturm. Pfarrer Weiß in seinen Aufzeichnungen: „Drei Panzer hielten und die aufgesessene Infanterie verlangte zu trinken. Ich gab zwei Flaschen Wein, Wermut und Rotwein.“
35 deutsche Soldaten ergaben sich. Buchdorf war erobert. Sämtliche Häuser mussten innerhalb von zwei Stunden von den Bewohnern verlassen werden. Häuser, Türen und Schränke, so berichtete Pfarrer Weiß später, hätte man nicht abschließen dürfen. Kirche und Häuser hatten schwere Schäden, aber weder Mensch noch Tier aus Buchdorf kamen zu Schaden.
Den heutigen Buchdorfer Ortsteil Baierfeld hatten die Amerikaner schon am Abend des 24. April erreicht. Der dortige Kirchturm habe einen „schweren Treffer“ erhalten, ist in der Ortschronik nachzulesen. Chronist Herbert Gruber kennt das traurige Schicksal eines deutschen Soldaten, der an jenem Tag allein nach Baierfeld lief. Er war an der Hand verletzt und ließ sich im Hof des Gasthauses Roßkopf in einer Rot-Kreuz-Verwundetenstelle behandeln. Zu diesem Zeitpunkt war das kleine Dorf bereits von den US-Truppen eingenommen. Der Soldat ging zum örtlichen Kommandeur und wollte sich offenbar ergeben. Einem Augenzeugen zufolge entwickelte sich aber ein lauter Wortwechsel mit einem Amerikaner. Dieser nahm den Deutschen mit hinter ein landwirtschaftliches Gebäude und tötete ihn mit einem Genickschuss. Das Opfer wurde auf dem Friedhof in Baierfeld beerdigt.
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