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Wirtschaft: Fahrradbranche: Boom oder doch Krise?

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Fahrradbranche: Boom oder doch Krise?

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    Die Fahrradhändler in Donauwörth konnten sich in den vergangenen Wochen kaum vor Kunden retten. Bei Top-Bike-Brachem stellte der Besitzer Harald Spyrka (Zweiter von links) Pavillons für seine Kunden zum Schutz vor dem Wetter auf. Mit seinen Mitarbeitern Michaela Demharter und Sven Heller stemmte er die Arbeit. Bei Zweirad-Uhl steht Anton Uhl (rechts) in seinem leer gekauften Geschäft.
    Die Fahrradhändler in Donauwörth konnten sich in den vergangenen Wochen kaum vor Kunden retten. Bei Top-Bike-Brachem stellte der Besitzer Harald Spyrka (Zweiter von links) Pavillons für seine Kunden zum Schutz vor dem Wetter auf. Mit seinen Mitarbeitern Michaela Demharter und Sven Heller stemmte er die Arbeit. Bei Zweirad-Uhl steht Anton Uhl (rechts) in seinem leer gekauften Geschäft.

    Die Recherche zu diesem Beitrag bei den Fahrradhändlern in Donauwörth und Umgebung ist nicht leicht. Denn fast immer lautet die Antwort: „Ich hab leider keine Zeit. Die Kunden warten.“ Denn bei den Fahrradläden scheint es momentan rundzulaufen. Seit dem Ende der Corona-Zwangspause Ende April stehen die Kunden in Schlangen vor den Läden. Schließlich ist die Freizeit- und Urlaubsgestaltung mit dem Fahrrad in der aktuellen Situation der Pandemie eine attraktive Möglichkeit.

    Bei Zweirad-Uhl in Donauwörth stehen nur noch wenige Fahrräder im Laden. Der Großteil der Ständer ist leer. „Das ist nur unsere Verkaufsfläche. Auch unser Lager ist wie leer gefegt“, sagt Anton Uhl der Besitzer des Fahrradladens in der Dillinger Straße. In den vier Wochen nach der Wiedereröffnung hätten die Kunden bis zur Straße gestanden, erinnert er sich. Also waren für den 33-Jährigen 15-Stunden-Tage im Geschäft angesagt.

    Kunden stehen Schlange

    Die meisten Kunden hätten die Wartezeiten auf sich genommen. Manche wären aber auch schon einfach umgedreht, als sie den Ansturm auf das Geschäft gesehen hatten. „Die haben jetzt eben kein Rad“, meint Uhl und zuckt mit den Schultern in seinem grünen T-Shirt und Mundschutz, auf dem kleine Fahrräder abgebildet sind. Gerade für beliebte Modell bei E-Bikes würde mancher seiner Kunden aber auch bis zum Herbst warten. Was er verstehe, da E-Bikes eine größere finanzielle Investition sind, so der Experte. Ausverkauft wären viele Modelle aber auch schon in den vergangenen Sommern im Juni und Juli, da die Hersteller die neuen Kollektionen produzieren würden und nun eben die neuen Bestellungen für nächstes Jahr gemacht würden. „Etwa zwei Drittel des Sortiments bestellen wir immer für das kommende Jahr. Der Rest wird dann verteilt über das Jahr geordert“, erklärt Uhl.

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    Den Einnahmeverlust durch die coronabedingte Schließung im Frühjahr habe er aber nicht ausgleichen können. Während der Schließung mussten trotzdem alle laufenden Kosten beglichen werden, nur die Einnahmen durch die Werkstatt seien zum Glück in dieser Zeit nicht weggebrochen.

    Nun hat sich die Anzahl der Kunden aber wieder normalisiert. Das Interesse seit der Wiedereröffnung hat den Donauwörther Radhändler nicht überrascht: „Wenn wir normalerweise Urlaub haben, müssen wir auch davor und danach wieder mehr arbeiten. Durch eine Schließung stauen sich immer Sachen an.“

    Der Donauwörther Kollege von Top-Bike-Brachem konnte sich nach der Wiedereröffnung auch kaum vor Kunden retten. Um seinen Kunden beim Warten etwas Komfort zu bieten, stellte der Besitzer Harald Spyrka mehrere Pavillons im Hof seines Ladens in der Kapellstraße auf. So konnten die Leute trotz Regens oder Sonne ihre Wartezeit etwas angenehmer gestalten.

    „In den ersten drei Tagen nach der Wiedereröffnung hatten wir 180 bis 200 Reparaturen“, sagt Spyrka. Unter normalen Umständen sind es zehn bis zwölf Instandsetzungen am Tag. Auch bei den Neukäufen war die Nachfrage bei Spyrka und seinem Team sehr hoch. „Zum Glück habe ich vergangenes Jahr eine umfangreichere Bestellung an Rädern gemacht. So bin ich momentan in keiner Notsituation und habe noch genügend Ware“, sagt er.

    Training auf dem Rad war eine gute Alternative

    Der Erklärungsversuch des Besitzers: „Die Fitnessstudios hatten zu, und auch das Training in den Vereinen hat nicht stattgefunden. Die Menschen wollten sich aber auch trotzdem bewegen.“ Momentan habe sich Geschäft auch bei ihm wieder normalisiert, aber Spyrka erwartet eine zweite Welle Ende Juli: „Die meisten haben ja ihren Urlaub abgesagt.“

    Von einem Fahrrad-Boom würde Werner Schindel von Bike & Motorwelt in Monheim keines Falls sprechen. „Wir haben sechs Wochen Hunger gelitten“, sagt der Besitzer des Familiengeschäfts, das er mit seiner Frau Irmgard und seinen Söhnen Patrick und Pascal führt. „Ob wir die Umsatzverluste durch die coronabedingten Schließungen insgesamt aufgeholt haben, wird sich am Ende des Jahres zeigen.“ Einige Waren sei ausverkauft. Zwar hätten sie Nachbestellungen getätigt, aber alle Bestellungen konnten nicht sofort geliefert werden. Ein Großteil der Ware wäre noch vorhanden, aber spezielle Wünsche könnten sie ihren Kunden da oft nicht mehr erfüllen. Zudem stehen bereits in der nächsten Woche die ersten Bestellungen für das kommende Jahr an.

    Schindels Einschätzung der momentanen Situation: Der Ansturm in den letzten sechs Wochen war eher durch die Schließung bedingt. Das Interesse hätte sich eher aufgestaut, als dass es gestiegen wäre. „Vielleicht gibt es in den Städten einen Boom, aber bei uns auf dem Land würde ich nicht davon sprechen“, drückt Schindel mit 35 Jahren Berufserfahrung klar aus. Zwar würde es gut laufen, aber die sechs Wochen ohne Umsatz nur durch die Werkstatt und ohne Laden waren einfach zu spüren.

    Neben Fahrrädern verkaufen die Schindels und ihr sechsköpfiges Team auch Motorräder, Roller, Quads, Motorsägen und Rasenmäher. In diesen Bereichen laufe es nicht so gut, sogar auf einem niedrigen Niveau. Er setzt darauf, dass die Menschen dieses Jahr ihren Urlaub in der Region verbringen werden, wodurch er sich noch weiteres Geschäft vor allem für die Fahrräder und E-Bikes erhofft.

    Viele Räder sind ausverkauft

    „Bei uns ist es mit den Rädern okay, aber viele sind eben ausverkauft“, sagt die Besitzerin von Fahrrad-Meyr in Wemding. Beliebte Modelle seien eben einfach schon vergriffen. Dazu würde kommen, dass die Messen im Sommer nicht stattfinden würden. Bei den Reparaturen müsste man sich momentan auch einfach noch Zeit mitbringen. Zehn bis 14 Tage dauern die Arbeiten momentan anstatt einer Woche. Und das, obwohl, auch schon währenddem der Laden geschlossen war, weitere Instandsetzungen angenommen wurden.

    Beim Fahrradladen Moto-in Haberl in Münster scheint der große Ansturm seit der Wiedereröffnung noch weiter anzuhalten. Falls man die Besitzerin Birgit Haberl mal ans Telefon bekommt, hat sie eigentlich keine Zeit. Denn die Kunden warten bei ihr im Laden. „Es läuft gut“, sagt sie kurz angebunden. Die Fahrräder würden auch bei ihr langsam knapp werden. „Aber ich hab jetzt keine Zeit mehr. Ich habe einfach viel zu tun“, sagt sie, bevor sie auflegt, um wieder ihre bereits wartenden Kunden weiter zu bedienen.

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