Sylvia Wiedemann hat Sehnsucht. Sehnsucht nach Kuba. Es sind aber nicht nur das Meer, der Strand und die Sonne, die sie vermisst, sondern auch die Menschen. Diese sind meistens sehr arm und benötigen dringend Hilfe aus dem Ausland. Wiedemann lässt die Kubaner nicht im Stich und bringt deshalb regelmäßig Alltagsgegenstände auf die Insel. In einem kleinen, rosafarbenen Büchlein notiert die Oberndorferin die Wünsche ihrer Bekannten: „Ballettschuhe für Analia, Sonnenblumensamen für Adriana, eine Haarschneidemaschine für Edel, Ersatzteile für die Flex von Sandro, Vorhänge für Yoanis und ein Eisensägeblatt für Gabriel.“ Zweimal im Jahr fliegt Wiedemann auf die Karibikinsel, um die Wünsche zu erfüllen. Im Gepäck hat sie nicht nur Gegenstände des täglichen Lebens, sondern vor allem Kleidung und Schuhe. Diese erhält sie in Deutschland von Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen, sortiert sie in ihrem Keller ond bringt sie dann nach Kuba. Eigentlich. Doch nun, wegen Corona, ist vieles anders.
Angefangen hat alles vor 19 Jahren. Damals reiste sie das erste Mal auf die Insel und war sofort begeistert. „Ich war fasziniert vom Land und den liebenswerten Menschen. Aber auch schockiert von der Armut“, erzählt Wiedemann. Und so beschloss die Verkehrsfachwirtin, im darauffolgenden Jahr ihren Urlaub erneut in Kuba zu verbringen.
Die Oberndorferin fliegt normal zweimal im Jahr nach Kuba
Diesmal hatte sie aber einen zweiten Koffer mit Klamotten im Gepäck, die sie verschenkt hat. Von da an habe sie das „Kubafieber“ gepackt und die 53-Jährige fliegt zweimal im Jahr auf ihre Lieblingsinsel – einmal im Mai und einmal im September.
Der Ablauf ist meist derselbe: Zuerst wohnt die Oberndorferin für etwa eine Woche alleine in einem „Casa Particular“, eine privat vermietete Ferienwohnung in Matanzas, etwa 100 Kilometer östlich von Havanna gelegen. In der 150.000-Einwohner-Stadt lebt Sandro mit seiner Familie. Ihn haben die Wiedemanns bei ihrem ersten Aufenthalt im Hotel kennengelernt. „Er ist der Koch des Hotels, und wir haben sofort Freundschaft geschlossen“, erzählt Wiedemann.
Sie wird bei der Familie als „kleine Schwester“ bezeichnet
Bei Sandros Mutter lagert auch ihre Reisetasche. „Damit ich einen zusätzlichen Koffer mit nach Kuba nehmen kann, lasse ich immer eine Reisetasche mit den Dingen, die ich benötige gleich unten. Deshalb habe ich seit Jahren auf allen Bildern die gleichen vier T-Shirts an“, berichtet Wiedemann lachend. Sandros Schwester Yoanis bezeichnet die Deutsche bereits als „mi hermanita“ – also meine kleine Schwester. Und so fühlt sich Wiedemann auch als akzeptiertes Familienmitglied.
„Wir sind wie eine große kubanische Familie“, erklärt sie. Nach dem einwöchigen Aufenthalt kommen meistens ihr Mann oder Verwandte nach – natürlich mit vollgepackten Koffern. „Bei uns kosten lebensnotwendige Dinge, wie ein Nachthemd oder ein Feuerzeug, fast gar nichts, für die Kubaner ein Vermögen“, betont sie. Und so sammelt die Oberndorferin das ganze Jahr über Kleidungsstücke und andere Dinge, die in ihrem rosa Büchlein stehen.
Wegen Corona: Der letzte Kuba-Urlaub datiert aus dem September 2019
23 Kilogramm darf sie in einen Koffer packen. Einen zusätzlichen Reisekoffer mit nochmals 23 Kilogramm kauft sie für etwa 90 Euro hinzu. Je nachdem, wie viele Familienmitglieder sie begleiten, schafft sie pro Flug bis zu fünf vollgepackte Koffer auf den Inselstaat. Auch Fahrräder hat sie schon transportiert.
Doch natürlich beeinflusst die Corona-Pandemie auch die Hilfsdienste von Sylvia Wiedemann. Das letzte Mal war sie im September 2019 auf Kuba. „Mein Keller ist gerammelt voll, aber ich kann die Hilfsgüter nicht auf die Insel bringen“, klagt Wiedemann. Wenigstens habe sie jetzt einen internationalen Paketdienstleister gefunden, der in die Karibik liefert. Das erste Päckchen hat die Oberndorferin vor Kurzem abgeschickt – adressiert ist es an die elfjährige Analia. „Sie will unbedingt an eine Kunstschule gehen und Tänzerin werden. Deshalb habe ich ihr Ballettschuhe und ein Kleidchen geschickt.“
Wegen der Pandemie sind auf der Insel die Lebensmittel knapp
Ob das Päckchen tatsächlich ankommt, weiß Wiedemann nicht, hofft aber auf das Beste. Schließlich sind die Kubaner dringend auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Corona habe die Situation noch deutlich verschlechtert. „Lebensmittel sind knapp, und die Haupteinnahmequellen aus dem Tourismus fallen seit einem Jahr aus“, so die Kubaliebhaberin. Besonders ihre Freunde, die in den Hotels arbeiten, hat es hart erwischt. Doch die Kubaner sind kreativ: So werden die Grünflächen der Hotelanlagen schon mal zu Anbauflächen für Gemüse umfunktioniert.
Dass die Regierung ein neues Währungssystem eingeführt hat, macht die Situation nicht besser. Bis 2020 gab es neben dem Kubanischen Peso auch den Peso convertible, der fest an US-Dollar angepasst war und vor allem von Touristen verwendet wurde. Diesen gibt es nicht mehr, und so sind die Kubaner vermehrt auf ausländische Divisen angewiesen.
Sylvia Wiedemann hofft auch eine schnelle Corona-Impfung
„Ein Liter Milch kostet etwa acht Euro. Da ist Geld dringend nötig“, erklärt Wiedemann. Doch natürlich kann die Oberndorferin nicht allen ihren Bekannten Geld schicken. „Umso wichtiger wäre es, wenn ich bald wieder auf die Insel fliegen könnte, um wenigstens die Kleidung zu liefern.“
Sylvia Wiedemann hofft, bald geimpft zu werden, um dann ihre lang ersehnte Reise antreten zu können. Mit im Gepäck hat sie neben Kleidern und Schuhen vor allem Seife, Zahnpasta, Duschgel, Masken und Desinfektionsmittel. „Es wäre schön, wenn in Zukunft alle Kubaurlauber diese Dinge mitnehmen könnten und an die Einheimischen verschenken“, wünscht sich Wiedemann, die irgendwann auf der Insel leben will.
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