Man mag es kaum glauben, aber immer wieder gelingt es versierten Betrügern, vor allem älteren Leuten deren gesamte Ersparnisse abzuschwatzen – teilweise enorme Werte. In einem Verfahren zu der Masche „Falsche Polizeibeamte“ vor dem Augsburger Amtsgericht muss sich derzeit ein 29-jähriger Angeklagter verantworten, der einer Seniorin aus Tapfheim Gold, Schmuck und Bargeld im Wert von bis zu 117.000 Euro abgenommen haben soll.
Ein Nachmittag im November 2019: Bei der verwitweten Seniorin in Tapfheim klingelt das Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldet sich ein angeblicher Polizist von der „Kriminalstelle Aalen“ (die es so nicht gibt) und berichtet von einem Einbruch in der Nachbarschaft. Bei den Tätern habe die Polizei auch den Plan für einen Einbruch in die Wohnung der Angerufenen gefunden, die man nun warnen und der man helfen wolle. Die Seniorin wird in der Folge über ihre Vermögenssituation ausgehorcht, schließlich wird ihr aufgetragen, sie möge alle Wertgegenstände aus dem Tresor, den Schränken und Verstecken bereitlegen. Gleich komme jemand von der Polizei vorbei und nehme die Sachen in Empfang, um sie vor möglichen Einbrechern sicher zu verwahren.
Dass der Mann eine Jogginghose trägt, stört die Tapfheimerin nicht
Die heute 78-Jährige tut, wie ihr geheißen – und tatsächlich klingelt es an diesem Abend nach 22.30 Uhr noch an der Tür. Dass der angebliche Polizist eine Jogginghose trägt und sehr nervös wirkt, bekümmert sie in diesem Moment nicht. Sie übergibt ihm unter anderem vier Goldbarren, zahlreiche Goldmünzen, ihren gesamten Schmuck und fast 2000 Euro Bargeld. Immerhin sollen ja am nächsten Morgen noch zwei Polizisten vorbeikommen, um alles Weitere mit ihr zu besprechen. Erst als am kommenden Tag niemand erscheint, dämmert es der Seniorin, dass sie betrogen worden sein könnte.
Sie verständigt ihre Schwiegertochter, die wiederum die „richtige“ Polizei ruft, die sich an die Arbeit macht. So steht es sinngemäß in der Anklageschrift, so schildert es ein Beamter der Donauwörther Inspektion, der mit dem Vorfall zu tun hatte. Er und der Sachbearbeiter von der Kriminalpolizei in Augsburg beschreiben vorsitzender Richterin Sandra Mayer und deren Schöffen auch allgemein die Arbeitsweise der seit Längerem polizeibekannten Betrugsmasche.
Betrugsmasche: Ausgangspunkt ist ein Callcenter in der Türkei
Ausgangspunkt sei immer wieder das Callcenter eines einschlägig bekannten Geschäftsmannes in der Türkei. Von dort aus würden perfekt deutsch sprechende sogenannte „Peiler“ zunächst bei möglichen Opfern anrufen und diese auszuhorchen versuchen. Bei wem da angerufen wird? Der Donauwörther Polizeibeamte äußert einen Verdacht: Scheinbar würden bevorzugt ältere, allein lebende Menschen in Krisensituationen ausgewählt, die, wie die Geschädigte aus Tapfheim, erst kürzlich ihren Lebenspartner verloren haben, was man Totentafeln entnehmen könne.
Ist das Opfer durch geschickte telefonische Gesprächsführung entsprechend zurechtgelegt, werde von einem „Logistiker“ der Bande ein „Abholer“ beauftragt, der sich möglichst schleunig die Beute übergeben lässt. Anschließend werde diese Beute an Bandenchefs weitergereicht und unter den Beteiligten aufgeteilt. Dass es so auch der 78-Jährigen widerfahren ist, erbringt die Ermittlungsarbeit der Polizei.
Die Spur führt nach Aalen
Über die Handy-Ortung können Kriminaltechniker einen Täterkreis eingrenzen. Die Spur führt zu einem Brüderpaar nach Aalen. Mobiltelefone werden beschlagnahmt, Gesprächsverläufe ausgewertet und Videos angeschaut, die auf den Geräten gespeichert sind. Dabei findet sich ein Film, auf dem man die kleine Tochter eines inzwischen in Berlin inhaftierten anderen Bandenmitgliedes spielen sieht.
Das Kind spielt tatsächlich mit einer Kette der Frau aus Tapfheim. Ihr verstorbener Ehemann hatte das Schmuckstück einst fotografiert, weswegen es die Polizei eindeutig habe zuordnen können. Wiederbeschaffen konnte die Polizei der Seniorin diese Kette aber ebenso wenig wie die weiteren Teile der Beute.
Vor Gericht steht ein 29-jähriger Libanese
Weil sich unter den entwendeten Gegenständen auch Schmuckstücke befinden, deren Wert nicht allein im reinen Materialwert besteht, gehen die Schätzungen über den Beuteschaden zunächst weit auseinander. Hatte die Polizei zunächst einen Schaden von „nur“ 55.000 Euro ermittelt, folgte die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift den Angaben eines Juweliers. Der hatte anhand vorgelegter Fotos der Geschädigten eine Schadenssumme von rund 117.000 Euro errechnet.
Ob der jetzt vor Gericht stehende 29-jährige Mann, geboren in Deutschland, libanesischer Staatsbürger, tatsächlich der Abholer bei der Geschädigten in Tapfheim war, darüber muss letztlich das Gericht entscheiden. Auf Anraten seines Verteidigers Kristian Frank äußerte sich der angeklagte Maurer aus Aalen vor Gericht zu den Vorwürfen nicht.
Bevor das Gericht sein Urteil spricht, sollen am nächsten Verhandlungstag weitere Zeugen vernommen werden, darunter mutmaßliche Helfer des Angeklagten, der weder ein Auto noch einen Führerschein besitzt.
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