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Schicksal: Emilys Leben war perfekt – bis zum 23. April

Schicksal

Emilys Leben war perfekt – bis zum 23. April

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    Von Barbara Würmseher

    Straß/Bayerdilling

    „Hatte heute einen schönen Tag und hab viel erlebt. Bin wieder selber stolz auf mich. Aufgeben gibt es nicht. Euch allen einen schönen Abend und bis morgen. Ganz liebe Grüße, Emily“

    Diese Nachricht hat Emilys Familie im Namen der Zweijährigen auf Facebook gepostet. Dort gibt es seit Oktober eine ganze Chronologie an Einträgen mit Fotos, Videos und immer wieder positiven Mitteilungen wie dieser, die tapfer und zuversichtlich klingen. Und Tapferkeit und Zuversicht haben Emily und ihre Familie in der Tat nötig. Denn das Schicksal hat ihr Leben vor gut einem halben Jahr völlig umgekrempelt. Die Kleine ist seitdem vom Hals abwärts gelähmt.

    Dabei war jener 23. April ein wunderbarer, frühsommerlicher Tag und kein böses Omen kündigte das Schlimme an, das kommen sollte. Während Emilys Eltern Bianca (37) und Thomas Gaudermann (36) in der Arbeit waren, passte die Oma in Bayerdilling auf die damals 20 Monate alte Enkelin auf. Tante Nadine Steib wohnt im Nachbarhaus und kümmerte sich ebenfalls um die Kleine, in die sie völlig vernarrt ist. An diesem Mittwoch packte die 30-Jährige ihre Nichte ins Auto, um sie nach Neuburg zu einer Besorgung mitzunehmen. „Ich hab ihr noch ein Dirndl angezogen und Zöpfe geflochten und sie dann im Kindersitz auf der Rückbank angeschnallt. Emily hatte Spaß. Sie ist immer gern

    Die beiden waren gegen 11 Uhr auf dem Rückweg, als das Schreckliche passierte: Zwischen Burgheim und Gempfing platzte ein Reifen. Das Auto brach aus, prallte gegen einen Baum und fing sofort Feuer. Nadine Steibs einziger Gedanke war: „Raus mit der Kleinen.“ Da sich die Tür verklemmt hatte, blieb nur der Weg über den Kofferraum. Die 30-Jährige zog Emily aus dem brennenden Auto. Äußerlich wirkte das Mädchen unverletzt, atmete aber nicht mehr. Ein Lasterfahrer leistete Erste Hilfe und verhinderte so das Schlimmste. „Wenn er nicht gewesen wäre, gäbe es unsere Kleine nicht mehr“, ist Nadine Steib sicher. Noch während der Notarzt das Kind transportfähig machte, traf auch Papa Thomas Gaudermann am Unfallort ein. Er konnte nur hilflos zusehen, wie man seine Tochter in den Rettungs-Hubschrauber brachte, um sie ins Klinikum nach Augsburg zu fliegen.

    Selbst noch unter Schock stehend, hatte er die schwere Aufgabe, seiner Frau die Unfallnachricht zu überbringen. Stunden zwischen Hoffen und Bangen folgten, ehe die Eltern abends die Diagnose erfuhren: Ihr einziges Kind hatte eine 60- bis 80- prozentige Schädigung des Rückenmarks erlitten und ist seitdem vom Hals abwärts querschnittsgelähmt.

    „Die Ärzte sagten uns, dass Emily auch nie wieder schlucken und sprechen können wird“, erzählt Thomas Gaudermann. Ihr fröhliches, völlig gesundes Kind plötzlich als lebenslangen Pflegefall zu sehen, war für die Gaudermanns ein schwerer Schlag. Der für alle Eltern vielleicht schlimmste Albtraum war für sie Wirklichkeit geworden. „Natürlich sind wir da erst mal in ein Loch gefallen“, erinnert sich Papa Thomas. Schwer trägt auch Nadine Steib an diesem Schicksal. Als Fahrerin des Unglücksautos ist sie von Schuldgefühlen geplagt. „Auch wenn der Fehler nicht bei mir lag, ist es doch mir passiert – und dabei wollte ich immer die Super-Tante sein“, sagt sie, um Fassung ringend. „Beim ersten Treffen mit Bruder und Schwägerin nach dem Unfall hatte ich Angst vor deren Reaktion. Aber es hat sich gezeigt, dass wir eine stabile Familie sind. Thomas und Bianca haben mir keine Vorwürfe gemacht.“

    „Der Familienzusammenhalt ist großartig“, so empfindet auch Emilys Vater. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Verwandter bei dem Mädchen ist, um ihm beizustehen. Emily wird noch immer stationär betreut. Sie ist im Mai in eine Fachklinik nach Vogtareuth (Chiemgau) gewechselt, wo Mama Bianca bei ihr ist. Dort bekommt sie Logopädie, um ihr Schluckvermögen zu trainieren. Sie bekommt Physiotherapie, damit die Muskeln nicht verkümmern und die Gliedmaßen nicht steif werden. Bianca Gaudermann hat gelernt, die Pflege selbst zu bewältigen. Sie wäscht und wickelt ihre Tochter, wechselt Katheder, schließt den Schlauch an die Beatmungsmaschine an, die Emily wohl lebenslang brauchen wird, saugt Schleim ab, setzt das Mädchen in den Reha-Buggy und füttert es.

    Ja, sie füttert Emily! Denn entgegen der Prognosen kann das Mädchen inzwischen kleine Häppchen selbst kauen und schlucken. Solche Fortschritte machen die Familie glücklich und hoffnungsfroh. „Ich kenne meine Tochter“, sagt Thomas Gaudermann. „Sie ist eine Kämpferin und ich weiß, dass sie längst nicht am Ende ihrer Möglichkeiten ist.“ Überhaupt weigern sich die Gaudermanns, mit ihrem Schicksal zu hadern. „Es hilft nicht, zu überlegen, was wäre wenn. Wir müssen uns der Situation stellen.“

    Das ist nicht immer ganz einfach, zumal Mutter Bianca ihre Stelle gekündigt hat, um ganz bei Emily zu sein, und Vater Thomas jetzt überraschend seinen Arbeitsplatz als Maschinenführer verloren hat. Finanziell stehen große Ausgaben an, um den Alltag mit dem schwerbehinderten Kind zu bewältigen. „Die Versicherung schießt vieles zu“, sagt Thomas Gaudermann, „aber etliche Kosten müssen wir selbst tragen.“ Unter anderem hat er einen Kleinbus gekauft, der behindertengerecht umgerüstet wird. Auch kann die Familie nicht in ihrem Mietshaus in Straß wohnen bleiben. Es ist nicht barrierefrei. Die Gaudermanns planen, in Bayerdilling ein Haus zu bauen.

    Info Wer für Emily spenden möchte, wendet sich an den Verein „International Children Help“, IBAN DE45 2555 1480 0313 4182 20, BIC NOLADE21SHG.

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