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Rain: Zug prallt gegen Auto und fährt weiter: Polizei ermittelt gegen Lokführer

Rain

Zug prallt gegen Auto und fährt weiter: Polizei ermittelt gegen Lokführer

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    Nach dem Unfall am Bahnübergang Staudheim ist der Zugführer weitergefahren. Die Polizei ermittelt jetzt gegen den 42-Jährigen.
    Nach dem Unfall am Bahnübergang Staudheim ist der Zugführer weitergefahren. Die Polizei ermittelt jetzt gegen den 42-Jährigen. Foto: Barbara Würmseher

    Dieser Fall konfrontiert die Ermittler mit einer fast schon grotesken Situation: „In meiner gesamten Dienstzeit hab ich so etwas Ungewöhnliches noch nicht erlebt“, sagt Ralf Schurius, Leiter der Polizeiinspektion Rain. Und auch sein Kollege Stephan Roßmanith, Verkehrssachbearbeiter bei der Polizei, meint kopfschüttelnd: „So etwas hab ich bisher noch nicht gekannt.“ Ein Zugunglück mit Unfallflucht – wie jetzt am Dienstagabend am Bahnübergang bei Staudheim passiert – ist wohl so ziemlich einzigartig. Die Beamten ermitteln nun in dieser Strafsache.

    Beschuldigter ist ein 42-jähriger Lokführer aus Oberbayern. Ihm wird neben Unfallflucht außerdem unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen. Er steuerte den Triebwagen der Eisenbahngesellschaft Agilis, der am Dienstag gegen 17.40 Uhr an der Kreuzung der Schienen mit der Kreisstraße 39 das Auto einer 77-jährigen Frau erfasste und ein Stück weit mitschleifte.

    Unfall am Bahnübergang bei Staudheim: Lokführer hält zunächst an - und fährt dann weiter

    Nach ersten Erkenntnissen der Polizei war die Halbschranke in der lang gezogenen S-Kurve, wo die Schienen die Straße kreuzen, geschlossen. Die 77-jährige Fahrerin fuhr mit ihrem Wagen unter der Schranke durch und prallte gegen die beiden zusammengekoppelten Triebwagen. Wie PI-Leiter Schurius sagt, wurde der Pkw vom hinteren Teil des Zugs zunächst mitgerissen, schleuderte dann nach rechts zur Seite und blieb schließlich ein Stück weit neben den Gleisen liegen.

    Der Lokführer bemerkte das Unglück und hielt zunächst auch an. Dann aber passierte das Unverständliche: Der 42-Jährige kümmerte sich nicht um die Verletzte, sondern setzte nach wenigen Minuten seine Fahrt fort. Er stoppte fahrplanmäßig in Rain und in Genderkingen, ließ Fahrgäste aussteigen und nahm neue auf. Immerhin verständigte er unterwegs den Krisenmanager des Bahn-Unternehmens. Derweilen wurde die Bundespolizei in Donauwörth von dem Zwischenfall unterrichtet und fuhr mit Blaulicht und Martinshorn zum Donauwörther Bahnhof, wo die Beamten die Fahrt des Agilis-Zugs mit dem flüchtigen Zugführer schließlich beendeten.

    Lokführer macht von Aussage-Verweigerungsrecht Gebrauch

    Warum der Lokführer weitergefahren ist und nicht an der Unfallstelle gewartet hat, bleibt vorerst ein Rätsel. Der 42-Jährige wird, so Ralf Schurius, als Beschuldigter vernommen und kann somit von seinem Aussage-Verweigerungsrecht Gebrauch machen, was er auch tut. Gegen ihn ist ein Ermittlungsverfahren eröffnet. „Wir sind zur Klärung des Sachverhalts auf Hinweise von Zeugen angewiesen, die sich als Fahrgäste im Zug befunden haben“, sagt der Rainer PI-Leiter, der um Hinweise (Telefon 09090/70070) bittet.

    Die verunglückte Autofahrerin wurde polizeilich noch nicht einvernommen, deshalb ist auch nach wie vor unklar, weshalb sie sämtliche Warnschilder, das rote Blinklicht, das Andreaskreuz und die heruntergelassenen Halbschranken übersehen hat. Sie kam glücklicherweise glimpflich davon.

    Bahnübergang zwischen Staudheim und Rain gilt als der gefährlichste im ganzen Landkreis Donau-Ries

    So tragisch der Unfall ist – wirklich wundern kann sich kaum einer darüber, dass es wieder einmal an dieser Stelle gekracht hat. Das passiert im statistischen Durchschnitt etwa alle zwei Jahre. Dieser Bahnübergang zwischen Staudheim und Rain gilt als der gefährlichste im ganzen Landkreis Donau-Ries.

    Im April 2007 wurde dort ein 48-jähriger Motorradfahrer getötet, als er zwischen den geschlossenen Halbschranken durchfahren wollte und mit einem Zug zusammenstieß. Im November 2009 hatte eine 27-Jährige unglaubliches Glück: Als ihr Auto auf den Schienen liegen blieb, konnte sie gerade noch rechtzeitig aussteigen, ehe ein Triebwagen ihr Fahrzeug zu Schrott zermalmte. Im September 2017 erlitt eine 34-Jährige lebensgefährliche Verletzungen, als ihr Pkw unter der Schranke durchrauschte und frontal gegen eine Lok krachte. Soweit nur drei von insgesamt 19 Unfällen, die sich zwischen 2001 und 2020 an diesem neuralgischen Punkt ereignet haben. Die Bilanz: Ein Toter, fünf Schwer- und acht Leichtverletzte.

    Kommt eine Unterführung?

    Die Politiker aus Landkreis und Stadt Rain sind der Gefahrensituation bewusst und sind auch dabei, zusammen mit dem Staatlichen Bauamt und der Bahn diese Gefahrenpunkt zu entschärfen. Doch die Mühlen mahlen langsam.

    Immerhin scheint die Lösung in einer Überführung der Straße, beziehungsweise einer Unterführung der Bahnstrecke zu liegen. Das auf rund fünf Millionen Euro geschätzte Projekt ist in ein Investitionsprogramm des Landkreises für die kommenden vier bis fünf Jahre aufgenommen. Um weiter planen zu können, steht aber auch noch eine Entscheidung des Stadtrats Rain aus, der sich festlegen muss, ob ein Fahrradweg mit integriert werden soll.

    So lange baulich nichts Wesentliches passiert, sind Polizei und Landratsamt bemüht, kurzfristig die Sicherheit an dieser Stelle zu verbessern. „Wir können natürlich weitere Warnschilder aufstellen oder zusätzliche Markierungen anbringen“, überlegt Stephan Roßmanith. „Aber ich bin mit meinem Latein fast am Ende, denn es wird immer welche geben, die auch das ignorieren...“.

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