Es ist ein ungewöhnlicher Fall, wie er wohl bundesweit kein zweites Mal bekannt sein dürfte, und der bei den Ermittlern einiges Kopfschütteln ausgelöst hat: Am 21. April vergangenen Jahres ereignete sich gegen 17.40 Uhr am gefährlichen Bahnübergang zwischen Rain und Staudheim ein Unfall, infolgedessen der Zugführer sich unerlaubt entfernte.
Eine damals 77-jährige Frau war mit ihrem Auto – aus Richtung Staudheim kommenden – unter der heruntergelassenen Halbschranke in der lang gezogenen S-Kurve durchgefahren, von einem Triebwagen der Agilis-Gesellschaft erfasst und ein Stück weit mitgeschleift worden.
Die Polizei verhinderte erst in Donauwörth die Weiterfahrt des Zugführers
Der damals 42-jährige Zugführer aus Oberbayern hielt zunächst an, kümmerte sich dann aber nicht weiter um das Unglück, sondern setzte seine Fahrt fort. Er erreichte planmäßig die Haltestellen in Rain und Genderkingen, ehe die Polizei am Bahnhof Donauwörth seine Weiterfahrt schließlich unterband.
Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat nun ihre Ermittlungen wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und unterlassener Hilfeleistung abgeschlossen und Strafbefehl beim Amtsgericht Nördlingen beantragt, der auch erlassen wurde.
Wie Pressesprecher Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt, soll dem Zugführer bewusst gewesen sein, dass es zu einem Unfall gekommen ist. Er hat eine Schnellbremsung eingelegt und dennoch nach kurzer Zeit unbeirrt seine Fahrt fortgesetzt, ohne sich vergewissert zu haben, was genau passiert war.
Informationen der Zugbegleiterin wurden vom Zugführer wohl ignoriert
Die Informationen der Zugbegleiterin, die ihn verständigt hat, soll er ignoriert haben, so die Staatsanwaltschaft, die nun eine Geldstrafe im „mittleren vierstelligen Bereich“ beantragt hat. Das Gericht folgte dieser Auffassung und erließ den Strafbefehl. „Nach Höhe der Tagessätze wäre der Zugführer damit unterhalb der Eintragungsgrenze im Führungszeugnis“, so Oberstaatsanwalt Nickolai, „er wäre also nicht vorbestraft.“
Der Zugführer hat allerdings den Strafbefehl nicht akzeptiert, sondern Einspruch dagegen eingelegt. Die juristische Abwicklung des Vorfalls vom 21. April ist damit also noch nicht erledigt. Wie Dieter Hubel, Direktor des Amtsgerichts Nördlingen, unserer Zeitung sagt, prüft nun die Staatsanwaltschaft erneut.
Auch gegen die Unfallverursacherin, die damals 77-jährige Autofahrerin, wurde ermittelt. Das Verfahren gegen sie wurde allerdings wegen geringen Verschuldens gegen eine Geldbuße eingestellt. Die Frau musste einen Geldbetrag um mittleren dreistelligen Bereich an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Das Gericht hielt ihr dabei zugute, dass sie selbst beim Unfall erhebliche Verletzungen erlitten hatte.
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