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Rain: Sie wünscht sich „Dancing Queen“ zur Beerdigung

Rain

Sie wünscht sich „Dancing Queen“ zur Beerdigung

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    Wer allein gehen möchte, darf ungestört sein. Wer Menschen um sich haben will, kann sie zu sich holen. Hospiz-Mitarbeiter berücksichtigen jeden Wunsch der Menschen, die sie begleiten.
    Wer allein gehen möchte, darf ungestört sein. Wer Menschen um sich haben will, kann sie zu sich holen. Hospiz-Mitarbeiter berücksichtigen jeden Wunsch der Menschen, die sie begleiten. Foto: Uwe Zucchi, dpa

    Vom Platz im Hospiz, den sie bestellt und besichtigt hat, vom Sarg, den sie bezahlt hat und in dem sie in ihrem Brautkleid liegen will, über alle Gespräche beim Bestatter, bis hin zur Musik, die bei ihrem Requiem erklingen soll.

    „Ich hab mir mein Lieblingslied ‘Der Mond ist aufgegangen’ gewünscht“, verrät die 70-Jährige. „Und wenn die Leute nach der Beerdigung den Friedhof verlassen, dann möchte ich, dass ‘Dancing Queen’ von Abba gespielt wird. Sie sollen fröhlich weggehen.“ Sibylle Schmitz lacht bei dieser Vorstellung ihr sympathisches Lachen, ihr glucksendes Koloratur-Lachen. Sie lacht gerne und oft. Sie lacht lebensfroh. Und dennoch ist sie dem Tod in diesen Tagen oft näher als dem Leben.

    Kaum eine Stelle am Körper bereitet keine Schmerzen

    Sibylle Schmitz aus einer Landkreisgemeinde ist schwer krebskrank. Sie hat ein Multiples Myenom – Blutkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Es gibt kaum eine Stelle am Körper, die ihr keine Schmerzen bereitet. Nerven, Gelenke, der Leib tun ihr weh, der Kreislauf macht immer wieder schlapp, dazu kommen Durchfall, Übelkeit und der Verlust ihres Geruchs- und Geschmackssinns. Sie ist vom Arzt als austherapiert entlassen worden und hält sich nurmehr mit starken Schmerzmitteln und Opiaten über Wasser.

    Wie Krebs aussehen kann, das hatte sie schon bei ihrem Mann erfahren müssen. „Er hatte Magenkrebs und ich hab ihn bis zu seinem Ende 2010 gepflegt“, erzählt sie. Danach hat sie versucht, ihr Leben ohne ihn zu genießen, doch das Schicksal durchkreuzte ihre Pläne. „Während einer Reise nach Prag brach sie auf der Karlsbrücke zusammen.

    Die Diagnose kam am 6. Dezember 2017

    Es folgten Krankenhausaufenthalte, Untersuchungen und die niederschmetternde Diagnose am 6. Dezember 2017. „Um 18 Uhr hat mir der Arzt gesagt, was los ist. Danach bin ich erst einmal zusammengebrochen, habe geweint und geschrien. Aber dann hab ich beschlossen, zu kämpfen.“ Doch Chemotherapie mit sämtlichen quälenden Nebenwirkungen sowie zwei Stammzellen-Transplantationen blieben erfolglos.

    Es sind oft kleine Dinge, mit denen Hospizhelfer Sterbenskranken das Lebensende ein bisschen schöner machen können. (Symbolfoto)
    Es sind oft kleine Dinge, mit denen Hospizhelfer Sterbenskranken das Lebensende ein bisschen schöner machen können. (Symbolfoto) Foto: Sebastian Kahnert/dpa

    Trotz aller Schmerzen und aller Angst hat sich Sibylle Schmitz eine gute Portion Humor bewahrt. „Mit dem da oben“, sagt sie augenzwinkernd, „hab ich noch ein Hühnchen zu rupfen. Und ich glaube, er weiß das, deshalb hat er Schiss, mich zu holen.“ Und ihren Krebs erpresst sie jeden Tag aufs Neue mit den Worten: „Überleg es dir gut: Wenn ich sterbe, stirbst du auch!“

    Und sie hat sich auch den Blick für die kleinen Freuden bewahrt: „Wenn ich hier auf dem Sofa liege und nach draußen schaue, dann sehe ich das immer wiederkehrende Wunder, wie die Knospen aufbrechen. Daran freue ich mich und davon zehre ich lange. Dann wer weiß, ob ich das nächstes Jahr noch mal erlebe.“

    Die 70-Jährige wünscht sich, einfach noch ein bisschen da bleiben zu dürfen, kann ihr Schicksal aber annehmen. Erst recht kann sie das, seit sie vor wenigen Tagen das Abendmahl empfangen hat. Jetzt fühlt sie sich leichter, ein bisschen ruhiger. „Ich hadere nicht mehr. Wenn ich nun sterbe, dann ist es gut so ...“

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