„Ich hab immer nach vorne geschaut. Man darf sich im Leben nicht hängen lassen“ – nach dieser Devise lebt Josef Emunds.
Schon als Bub hat er lernen müssen, wie hart das Leben sein kann. Als seine Heimatstadt Köln 1945 von den Alliierten ausgebombt wurde, stieg der siebenjährige Kriegswaise mit Schwester, Oma, Tante und Kusine in den Zug, der ihn auf der Flucht quer durch Deutschland trug. Ständig wurde die Fahrt von Beschüssen unterbrochen – und letztlich am Ostermontag 1945 endgültig durch Bomben gestoppt. Das war im Bahnhof in Rain. Josef Emunds und seine Angehörigen brachten sich im Keller des Krankenhauses in Sicherheit, ehe sie auf Familien verteilt wurden. Nur den kleinen Seppi, wollte niemand haben.
Der Kalkofen in der Zuckerfabrik explodierte
Bis sich Lene Abel, Inhaberin eines Schreibwarengeschäfts, zusammen mit ihrer Schwester seiner erbarmte. Es folgten schöne Jahre für Josef Emunds. „Mir ist es gut gegangen bei den Abel-Tanten“, sagt er lächelnd. „Ich war glücklich und hab viel von ihnen gelernt.“
Josef Emunds wurde erwachsen, arbeitete als Maschinenmeister bei Südzucker, heiratete seine Hanni und bekam zwei Kinder – Sohn Josef und Tochter Susanne. Glücklicher Familienalltag. Bis zum 23. Dezember 1982. „An diesem Tag kam der große Knall“, wie es Emunds nennt.
Am Tag vor Heiligabend wurde er zur Reparatur des Kalkofens in die Zuckerfabrik gerufen. Dort kam es dann zu einer Explosion. Ein Rohr platzte und 80 Grad heiße Kalkmilch übergoss Josef Emunds Gesicht. Dabei verlor er das Augenlicht. Zahlreiche Operationen folgten – ohne den gewünschten Erfolg. Emunds versuchte, sich mit Blindenstock in der Dunkelheit zurechtzufinden. Erst Jahre später brachte ein Eingriff Linderung. Heute hat er 15 Prozent Sehkraft wieder.
Trost in schweren Zeiten: das Singen im Chor
Trost in der schweren Zeit waren ihm die Chorproben beim Rainer Liederkranz. „Ich konnte zwar keine Noten mehr lesen“, erzählt er, „aber ich hab mich halt an meinen Sangesnachbarn orientiert.“ Und Trost war ihm vor allem der Zusammenhalt in der Familie. Hanni und die Kinder waren an seiner Seite.
Bis zum 4. September 1984. An diesem warmen Sommerferientag wollten Hanni und Tochter Susanne nach Donauwörth fahren. In der Kurve beim Tierheim Hamlar hatte ihr VW-Käfer keine Chance gegen den überholenden BMW, der ihnen auf der Gegenspur entgegenkam. Susanne war sofort tot, Hanni starb eine Woche später. „Wenn ich heute an dieser Stelle vorbei komme, dann läuft es mir noch immer kalt den Rücken hinunter“, beschreibt Josef Emunds seine Trauer.
Er hat gelernt weiterzuleben
Doch er hat gelernt, weiterzuleben. Er hat seinen Sohn und dessen Familie und er hat Lebensgefährtin Gerda. Mit ihr zusammen bewältigt er den Alltag. Geradezu symbolisch wirken ihre Radtouren rings um Rain, auf denen man sie immer mal sieht: auf ihrem Tandem – Gerda fürsorglich vorne, Josef direkt hinter ihr ...
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