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Rain: Das mittelalterliche Rain – ein Phänomen

Rain

Das mittelalterliche Rain – ein Phänomen

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    Mittelalterliche Darstellung der Stadt Rain.
    Mittelalterliche Darstellung der Stadt Rain.

    Die Bayerische Landesausstellung „Stadt befreit. Wittelsbacher Gründerstädte“ aus dem Haus der Bayerischen Geschichte gibt bis zum 8. November in den Wittelsbacher Gründungsstädten Aichach und Friedberg tiefgründige, hochinteressante Einblicke in das Mittelalter – insbesondere die Zeit zwischen 1180 bis 1400.

    Damals sind mindestens 200 bayerische Städte entstanden. Gegründet auch von den Wittelsbachern, die von 1180 bis 1918 Bayern beherrschten und prägten: Im neu renovierten Friedberger Schloss sind die Ausstellungen zur Gründungsgeschichte der bayerischen Stadtlandschaft mit kostbaren Leihgaben in klassischer Manier aufbereitet, im Aichacher FeuerHaus stellen multimediale Inszenierungen mittelalterliches Stadtleben vor. Im „Wittelsbacher Land“, von der Stammburg in Oberwittelsbach aus, nahm der Aufstieg der gleichnamigen Familie zur späteren europäischen Königsdynastie seinen Anfang. Aichach und Friedberg erhielten von den Wittelsbachern das Stadtrecht.

    Freundeskreis Alt-Rain kümmert sich um Begleitprogramm

    In der vor 1257 gegründeten Stadt Rain (sie heißt offiziell so, den Zusatz „am Lech“ hat sie sich im Lauf der Zeit zugelegt) kümmert sich im Rahmenprogramm zur Landesausstellung der Freundeskreis Alt-Rain e.V. um ein Begleitprogramm mit einer Ausstellung und um Referate, die einen speziellen Zugang zu den Wittelsbacher Stadtgründungen und zur Rainer Stadtgeschichte beleuchten.

    Einführend wird Dr. Markus Würmseher, Kunsthistoriker und Offizier, mit „Die Stadt im Mittel-alter“ über Allgemeines zur europäischen Stadt im Mittelalter (auch zum Bild der Stadt) bis ins 16. Jahrhundert vortragen.

    Woher kommt Ihr Interesse, Herr Würmseher?

    Würmseher: Als Kunsthistoriker beschäftige ich mich immer wieder mit Fragen des Städtebaus, als Rainer und Gründungsmitglied von Alt-Rain sehe ich den besonderen Zusammenhang zur Landesausstellung.

    Würmseher: Mittelalterliches Erbe Verpflichtung und Potenzial zugleich

    Warum „Stadtgeschichte“?

    Würmseher: Das mittelalterliche Erbe der Städte ist für uns Verpflichtung, enthält aber auch Potenzial. Der moderne Städtebau zeigt – nicht nur im an Megacitys armen Deutschland – Realitäten, die die Bezugsgröße „Mensch“ oft schwer erkennen lassen. Anders im Mittelalter.

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    Sie sind von der Typografie der mittelalterlichen Stadt angetan. Im Mittelalter wurden ja nicht nur in Bayern Städte gegründet. Was fasziniert Sie daran?

    Würmseher: Die politische Siedlungsstruktur Altbayerns, wie wir sie heute kennen, wurde in einem Zeitraum etwa von circa 1200 bis 1350 etabliert. Um 1180 war das Land noch geprägt von Dörfern, Burgen und Klöstern. Bis auf die Bischofsstädte Freising, Regensburg, Passau und Salzburg gab es noch keine Städte. Schwaben und Franken gehörten noch gar nicht dazu. Es war allerdings der welfische Herzog Heinrich der Löwe, der vor den Wittelsbachern als Stadtgründer auftrat. Heute ist „die Stadt“ weltweit ein Erfolgsmodell: Seit etwa 2007 leben dort weltweit mehr Menschen als auf dem Land – in unterschiedlicher Qualität.

    Welche Intention lag der urbanen Revolution zugrunde?

    Würmseher: Ein lebhafter Ausdruck. Die zum Ende des 12. Jahrhunderts noch junge Herzogsdynastie der Wittelsbacher sicherte sich durch die Gründung und Förderung von Städten und Märkten militärischen, politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Einfluss, den sie für die Sicherung ihrer Herrschaft benötigte. An die Attraktivität des städtischen Lebens dachte in der frühen Phase sicher niemand. Für den Stadtwerdungsprozess gibt es dabei unterschiedliche Muster. Interessanterweise ähnelt etwa der Grundriss Rains dem des nahen Aichach – aber die altbayerische Identität Rains hat natürlich noch viele andere Bezüge zum Land östlich des Lechs. Die erste urkundliche Erwähnung geschah 1257 als „civitas nostra“, also als Stadt des Herzogs, in einer Urkunde des Klosters Niederschönenfeld. Zur Stadtgründung wurde damals der etwas südlicher in Richtung Bayerdilling gelegene Ort Brucklach umgesiedelt.

    So wurde Rain eine Stadt nach Maß

    Welche Rechte erhielten Stadtgründungen?

    Würmseher: Sowohl die von den Wittelsbachern gegründeten, wie auch die gewachsenen Städte erhielten Schutz durch den Landesherrn, Markt- und Messerechte, Gerichtsbarkeit, sonstige Stadtrechte wie persönliche Freiheit der Bürger, die Eigentum an Grund und Boden erwerben und vererben durften. Bleiben wir beim Beispiel Rain: Die Stadt erhielt 1372 die Niedere Gerichtsbarkeit, wurde Sitz eines herzoglich-bayerischen Landgerichts; von 1394 bis 1505 erhielt die Stadt das Umgeldrecht – eine Art Verbrauchssteuer – aus dem lukrativen Salzhandel. Sie erhielt das Recht, vier Märkte im Jahr abzuhalten. Dem gegenüber standen Steuer und Abgaben für den zugesicherten Schutz. Ein bedeutsames und bestimmendes Merkmal der Gründungsstädte war die Parzellierung des Bodens, der an die Siedler gegeben wurde: eine Stadt nach Maß! Die Stadtpfarrkirche war das erste städtebauliche Zentrum, ein anderes dann der Marktplatz mit dem Rathaus. Über die Wohn- und Funktionsgebäude werden wir in der Vortragsreihe sprechen, also auch über die Wasserversorgung.

    Ihr Vortrag ist als Skizze der gesamteuropäischen Idee des Städtebaus beschrieben. Was wollen Sie damit erzählen?

    Würmseher: Das würde den Rahmen des Vortrags weitaus sprengen. Aber kurz: Die mittelalterliche Stadt entstand nicht auf dem Reißbrett, dennoch gab es schon allerhand Vorbilder, zudem lassen sich bestimmte Phänomene voneinander abgrenzen. In ein und derselben Stadt konnten eigene Strukturen existieren, so gab es etwa in Augsburg autonome Bereiche des Bischofs, der Bürger sowie der Klöster – alle jeweils mit eigenen Rechten. Die Einwohnerzahl spielte für die Wahrnehmung nur bedingt eine Rolle, so konnte durchaus das kleine Eichstätt etwa neben Wien oder Florenz in der Sammlung der bedeutendsten Städte der (bekannten) Welt erscheinen. Trotz aller Differenzierung waren alle Städte befestigt, allein die Weltmetropole Venedig kam ohne Stadtmauer aus. Viele erhaltene mittelalterliche Gebäude zeigen uns noch heute die flexiblen, aber vor allem auch technischen und logistischen Leistungen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Bauwerke in der Qualität noch weit unterhalb einer Kathedrale – den Spitzenbauten des Mittelalters – überzeugen durch brillante Kenntnisse, etwa in der Gefügekunde oder bei der (heute kaum erreichten) intelligenten Verwendung des Baumaterials.

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