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Donauwörth: Proteste bei Abschiebeaktion: Gericht verurteilt Asylbewerber zu Geldstrafen

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Proteste bei Abschiebeaktion: Gericht verurteilt Asylbewerber zu Geldstrafen

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    Proteste bei Abschiebeaktion: Gericht verurteilt Asylbewerber zu Geldstrafen
    Proteste bei Abschiebeaktion: Gericht verurteilt Asylbewerber zu Geldstrafen Foto: Christian Mühlhause

    Wegen Landfriedensbruch sind zwei Flüchtlinge aus Gambia am Amtsgericht Augsburg zu Geldstrafen in Höhe von 800 und 900 Euro verurteilt worden. Die beiden Männer (21 und 28 Jahre alt) hatten sich im März mit rund 50 anderen Bewohnern in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (jetzt Ankerzentrum) in Donauwörth zu einem Mob zusammengeschlossen, um die Abschiebung eines Landsmannes zu verhindern. Damals wurden 32 Männer festgenommen. Gegen die Strafbefehle legten einige Widerspruch ein, weswegen es jetzt zu einer dreistündigen Verhandlung gekommen ist, bei der zahlreiche Unterstützer im Publikum saßen und auch mehrere Landsleute.

    Die Anklage, verlesen von Staatsanwältin Yvonne Möller, warf den beiden Landfriedensbruch vor und einem der Männer zudem die Beleidigung eines Polizisten. Letzteres gab der Angeklagte auch zu, wohl auch weil es davon Videoaufnahmen gibt. Ansonsten schwiegen die Männer und überließen das Reden ihren Anwälten. „Wir haben die Sorge, dass hier die polizeiliche Lesart der Ereignisse festgeschrieben werden soll und eine bewusste Dramatisierung stattfindet“, so einer der Verteidiger. Er kritisierte zudem, dass die Angeklagten „wegen einer solchen Bagatelle“ zwei Monate in Haft saßen.

    Von den geladenen Zeugen berichtete nur einer über eine körperliche Auseinandersetzung, bei der ein Asylbewerber seine Hand weggeschlagen habe, als er auf ihn zuging. In allen anderen Aussagen war von einer aufgeheizten Stimmung die Rede, in der Drohungen und Beleidigungen ausgestoßen worden sein sollen. Sie sollen unter anderem „Wir werden euch töten“ und „Scheiß Polizei“ gerufen haben. Die in der Aufnahme anwesenden Mitarbeiter der Malteser flüchteten damals in einen Raum vor einer Gruppe von Männern und wurden über das Fenster evakuiert.

    Wer war wann und wo an dem Aufruhr beteiligt?

    Der Prozess zeigte aber, wie schwer es ist, in solchen Situationen die Täter zu ermitteln, die teils aus dem Schutz der Gruppe und in dem Fall auch der Dunkelheit heraus agierten. Die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma widersprachen sich teils in ihren Aussagen darüber, welcher der beiden Gambier wann und wo an dem Aufruhr beteiligt gewesen sein soll oder was sie anhatten. Zumindest einer der beiden Männer fiel aber optisch schon auf, wie sein Anwalt im Plädoyer betonte. „Seine Haare standen damals zehn bis 15 Zentimeter nach oben, wie auch Fotos belegen.“

    Einig waren sich die Zeugen nur darin, dass beide keine körperliche Gewalt anwendeten und nicht zu der Gruppe von etwa 15 Personen gehörten, die die Mitarbeiter der Malteser verfolgten. Auch bewertete ein Sicherheitsmann die Lage als beherrschbar, während ein Flüchtlingsbetreuer damals fürchtete, der Mob würde ihn „lynchen“.

    Problematisch bewerteten die Verteidiger auch das Vorgehen der Regierung von Schwaben und der Polizei bei der Tätersuche. So habe die Regierung den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma Bilder gezeigt, auf denen quasi nur Gambier zu sehen gewesen seien. „Zum einen waren auch andere Afrikaner vor Ort und zum anderen gilt der Grundsatz, dass acht Bilder vorgelegt werden müssen. Auf einem davon ist der Beschuldigte. In diesem Fall waren aber alle Bilder von Verdächtigen.“ Auch als die Security später in der Erstaufnahme von der Polizei durch die Wohnblöcke geführt worden sei, habe es nur Verdächtige gegeben, so die Anwälte.

    Richterin Susanne Scheiwiller bestätigte in ihrem Urteil den Strafbefehl wegen Landfriedensbruch. Als Gründe nannte sie das Schweigen der Angeklagten und dass durch ihr Handeln eine Gefahr für die Allgemeinheit bestanden habe. Sie hätten durch ihre Anwesenheit Solidarität demonstriert und dazu beigetragen, dass sich die Situation zuspitze. Auch sagten zwei Zeugen aus, dass sie etwas gerufen haben. Und mehrere Zeugen empfanden die Situation als bedrohlich, verwies sie. Auch seien die Zeugen unvoreingenommen gewesen. „Das Urteil ist generalpräventiv zu sehen, weil es immer mehr Probleme in den Unterkünften gibt. Sie sind Gäste in unserem Land und sollten sich auch so benehmen.“ Das Urteil sorgte bei den Unterstützern für hörbaren Unmut. Die Verteidiger werden jetzt beraten, ob sie das Urteil annehmen werden.

    Demonstranten kritisieren Vorgehen der Polizei in Donauwörth

    Vor dem Prozess demonstrierten etwa 20 Personen gegen das Vorgehen der Polizei in Donauwörth im vergangenen März. Dazu aufgerufen hatten unter anderem der Flüchtlingsrat Augsburg und die Linksjugend Solid. „Wir wollen unsere Solidarität zeigen mit den beiden Beschuldigten und ein Zeichen gegen die exzessive Gewalt setzen, mit der die Polizei damals vorgegangen ist“, sagt Billor Kerem von der Linksjugend. Eine andere Rednerin beklagte den „institutionellen Rassismus“, der auch in dem Fall zutage getreten sei. Es hätten sich in der Nacht Menschen mehrerer Nationen über das Verhalten der Beamten beschwert, am Nachmittag sei aber ausschließlich die Gemeinschaft der Gambier Ziel des Polizeieinsatzes im „Internierungslager“ gewesen.

    Franz Dobler vom Flüchtlingsrat beklagte, dass Humanität in der Politik keinen Platz mehr habe, und forderte die Abschaffung der Ankerzentren. Diese seien ein „rechtsfreier Raum“, in dem die Polizei viele Freiheiten habe, und „unterhöhlen“ das Asylrecht. Auch seien sie nur eine vermeintliche Antwort auf die Hysterie der sogenannten „besorgten Bürger“, hätten aber keinen wirklichen Nutzen.

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