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Mertingen: Klimaschutz: Warum ein Moor bei Mertingen jetzt im Fokus steht

Mertingen

Klimaschutz: Warum ein Moor bei Mertingen jetzt im Fokus steht

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    Sonnenuntergang über den Lauterbacher Ruten in der Mertinger Höll. Das Niedermoorgebiet droht weiter zu vertrocknen.
    Sonnenuntergang über den Lauterbacher Ruten in der Mertinger Höll. Das Niedermoorgebiet droht weiter zu vertrocknen. Foto: Helmut Bissinger

    Bis ins 19. Jahrhundert war das Mertinger Ried ein für den Menschen kaum nutzbares sumpfiges Gelände. Erst durch die Donauregulierung wurden die Grundwasserstände so weit abgesenkt, dass sich aus dem Röhricht und den Seggenrieden Streu- und Futterwiesen entwickelten. Außerdem begann man mit dem Abbau der bis zu vier Meter mächtigen Torfschichten. Anfangs kamen Tiere und Pflanzen damit noch gut zurecht.

    Die neuen Nutzungen waren extensiv und schufen sogar neue Lebensräume. Erst im 20. Jahrhundert folgte der einschneidende Wandel. Durch die Regulierung der Zusam, die Eintiefung der Gräben und die Anlage von Drainagen wurde vielen Flächen förmlich das Wasser abgegraben. Seit dieser Zeit werden Teile des Riedes als Acker genutzt.

    Mertinger Höll: Mehrere Projekte im Ried wurden in den vergangenen Jahren abgewandt

    Im Laufe der Zeit setzte sich die Einsicht durch, dass das Ried als Bestandteil des Naturschutzareals der Mertinger Höll etwas Besonderes sei. So konnten nach dem Zweiten Weltkrieg Planungen für einen Bombenabwurfplatz, einen Jagdgeschwaderflugplatz, eine Magnetschwebebahn und ein Atomkraftwerk mithilfe der einheimischen Bevölkerung abgewendet werden.

    Zur Sicherung der wertvollsten Lebensräume pachtete der Tierschutzverein Augsburg 1962 die Höll für 20 Jahre, ab 1982 übernahm der Landkreis Donau-Ries diese Aufgabe. Die Ausweisung als Naturschutzgebiet mit einer Größe von 142 Hektar erfolgte 1984. 2001 wurde das Mertinger Ried schließlich als Schutzgebiet für den europaweiten Biotopverbund Natura 2000 gemeldet.

    Bund Naturschutz, Landkreis Donau-Ries und die Lech-Elektrizitätswerke haben inzwischen rund 170 Hektar erworben. Zahlreiche Tümpel und Mulden wurden neu geschaffen, störender Gehölzaufwuchs entfernt. Dadurch konnten die Lebensbedingungen für seltene Tier- und Pflanzenarten verbessert werden. Das Niedermoorgebiet Lauterbacher Ruten müsste nun dringend mit mehr Wasser gefüllt werden, sind doch die Ausdünstungen von Trockenmooren für das Klima höchst schädlich.

    Mertinger Höll als blüten- und artenreiche Wiesen von Bedeutung

    „Blüten- und artenreiche Wiesen sind in unserer heutigen Kulturlandschaft eine echte Seltenheit geworden. Durch eine immer intensivere Nutzung wie durch Düngung und häufige Mahd haben konkurrenzschwache Arten keine Chance“, sagt Alexander Helber, Vorsitzender der Kreisgruppe Donau-Ries des Bund Naturschutz (BN). „So gleichen viele unserer heutigen Wiesen eher einem Grasacker.“

    Im Mertinger Ried gibt es sie noch: die artenreichen mageren Feucht- und Frischwiesen. Aber auch hier sind sie im Rückgang begriffen. So wurde bei einer Kartierung 2016 festgestellt, dass seit 2007 bereits 25 Hektar magere Flachlandmähwiesen verschlechtert oder völlig verschwunden waren.

    Die kleinflächige extensive Nutzung, welche bis Mitte des 20. Jahrhunderts üblich war, ist für die Pflanzen, Wiesenbrüter und Insekten ideal. Die Pflanzen hatten Zeit, zur Samenreife zu kommen. Bei der Mahd ohne große Maschinen war die Überlebenschance von Gelegen und Küken höher. Vor allem wurden meist nur kleine Teilflächen der Wiesen gemäht, sodass ein strukturreiches Nutzungsmosaik entstand und es somit immer Ausweichflächen für Insekten und Co. gab.

    Blick auf die Lauterbacher Ruten unten an der Grenze der Landkreise Donau-Ries und Dillingen.
    Blick auf die Lauterbacher Ruten unten an der Grenze der Landkreise Donau-Ries und Dillingen. Foto: Franz Käsinger

    Gerade für den Großen Brachvogel sind magere und somit langsam wüchsige, lückige Wiesen wichtig. Nur hier findet er Brutplätze, die seinen Ansprüchen genügen. Dort kann er unbemerkt von und zu seinem Nest schleichen, und die Küken können sich, gerade auch bei sehr nassem Wetter, durch die lückenhafte Vegetation bewegen und finden dort auch Nahrung an der Oberfläche.

    Im Niedermoorgebiet der Lauterbacher Ruten ist nach Ansicht von Experten der Wasserhaushalt empfindlich gestört. Sie wollen das Areal daher stärker vernässen. Das ist nach Überzeugung aller Klimaschützer eine elementare Grundlage zur Wiederherstellung der charakteristischen Biotopeigenschaften und damit für die Ansiedlung und den Schutz der moortypischen Flora und Fauna.

    Etablieren sich auf den vernässten Standorten torfbildende Pflanzengesellschaften, kann auch die Senkenwirkung der Moore wiederhergestellt werden.

    Wiedervernässung der Moore im Landkreis Donau-Ries ein Streitpunkt

    Was aber nach wissenschaftlicher Überzeugung grundlegend ist: Die Wiedervernässung der Moore trägt entscheidend zum Klimaschutz bei, da die Torfzersetzung durch Sauerstoffabschluss nahezu zum Erliegen kommt und damit die CO2-Emission drastisch reduziert wird. Fundierten Schätzungen zufolge würde eine klimafreundlich durchgeführte Wiedervernässung der Moore Deutschlands theoretisch bis zu 35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr einsparen.

    Durch eine erfolgreiche Revitalisierung lassen sich die Ökosystemleistungen der Moore zumindest teilweise wiederherstellen. Dabei werden hohe Synergieeffekte zwischen Natur- und Klimaschutzzielen erreicht.

    In Mertingen ist man längst nicht so weit, hat sich der Gemeinderat doch erst zuletzt in einer Kampfabstimmung gegen eine Wiedervernässung ausgesprochen, weil Landwirte eine zu große Beeinträchtigung der umliegenden Flächen befürchten.

    Im Bereich der Lauterbacher Ruten haben der Große Brachvogel und Kiebitze Rückzugsorte gefunden. Der Bruterfolg von Großem Brachvogel und Kiebitz spielen im Donauried eine ganz besondere Rolle. Seit mittlerweile sechs Jahren hat der Bund Naturschutz eine regelmäßige Gebietsbetreuung eingerichtet, weil die Vögel nach Ansicht der Vereinigung vor allem durch Flächenschwund und intensive Landwirtschaft gefährdet seien. Aktuell ist es Michael Oblinger, der mit der Erfassung von Revier- und Neststandorten der Wiesenbrüterarten befasst ist.

    Ein Kiebitz startet in die Brutsaison.
    Ein Kiebitz startet in die Brutsaison. Foto: Ulrich Mäck/arge

    Wurde ein Gelege ausfindig gemacht, beginnt die Ermittlung des Flächenbewirtschafters. Dieser wird vom Gebietsbetreuer kontaktiert und auf die wertvollen Funde auf seinen Flächen aufmerksam gemacht. Durch gezielte Maßnahmen werden mit dem Landwirt anschließend Vereinbarungen zum Gelegeschutz getroffen.

    Der Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz, Helber, sagt dazu: „Eine gute Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Landwirtschaft ist daher für einen erfolgreichen Wiesenbrüterschutz unerlässlich.“

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