Die erste Meldung zu jener Pandemie, die seit einem Jahr die ganze Welt im Griff hat, war hier in Donauwörth eine unscheinbare Information auf der Serviceseite der DZ am 30. Januar 2020. Die Krankenkasse DAK startete eine Beratungshotline. An sich nichts Ungewöhnliches. Wenn da nicht bereits die ersten Bilder aus China in den Köpfen herumgegeistert wären.
Bis Ende Februar sind 141 Menschen im Kreis Donau-Ries in Zusammenhang mit Covid-19 gestorben
„Vor allem für Patienten, die an einer Vorerkrankung leiden, ist eine Infektion gefährlich“, hieß es in der knappen Meldung – und es folgte ein in der Rückschau bitterer Vorgeschmack auf das, was da noch kommen sollte: Bis Ende Februar 2021 sind 141 Menschen in Zusammenhang mit der vom neuartigen Coronavirus hervorgerufenen Krankheit Covid-19 im Kreis Donau-Ries gestorben.
Die Warnung der Krankenkassen-Experten verhallte zu jener Zeit im Januar noch relativ ungehört: „Wir können eine weite Verbreitung der Coronaviren in Deutschland verhindern, wenn wir erste Krankheitsfälle früh erkennen, die betroffenen Patienten isolieren und konsequent Hygienemaßnahmen einhalten.“ Im Landkreis fanden unterdessen die letzten Vorbereitungen für das allgemeine gesellige Beisammensein statt: Fasching, die närrische Jahreszeit, buntes Treiben schier allerorts.
Am 1. Februar vergangenen Jahres berichtete die DZ über die Auswirkungen des Coronavirus, das damals vor allem in China verortet wurde, darüber, dass die international tätigen Firmen in der Region begannen, ihre Mitarbeiter nicht mehr nach Asien reisen zu lassen. Der Vorstandsvorsitzende der Donau-Ries-Klinik in Donauwörth, Jürgen Busse, teilte damals mit, dass Patienten mit Verdacht auf das neue Coronavirus in den gKU-Krankenhäusern „noch nicht vorstellig geworden“ seien. Aber: Man sei vorbereitet. Doch eigentlich schien alles noch ziemlich weit weg.
In Bäumenheim waren noch Tausende beim Fasching unterwegs
Parallel hatte das Landratsamt eine Mitteilung mit Informationen zum Virus veröffentlicht. Darin hieß es: „Als begründete Verdachtsfälle gelten derzeit nur Personen mit Symptomen an den Atemwegen, unabhängig von deren Schwere, die bis maximal 14 Tage vor Erkrankungsbeginn entweder Kontakt zu einem bestätigten Infektionsfall mit dem neuen Coronavirus hatten oder sich im Risikogebiet, der Provinz Hubei, aufgehalten haben.“
Heute wissen wir, dass bis zu 50 Prozent der Krankheitsverläufe asymptomatisch sein und trotzdem Ansteckungen stattfinden können. Was die DZ dann auf ihrer Samstagsseite am 22. Februar vermeldete, klingt aus heutiger Sicht schier makaber: „Die Bäumenheimer haben ein Virus. Es ist so ansteckend wie das Coronavirus in China.“ Gemeint war der Gaudiwurm in Bäumenheim, er hatte Tausende angelockt. Allein 2200 Maskierte in 16 Fußgruppen und auf 46 Motivwagen waren unterwegs. „Seit Wochen schon hatten die Organisatoren keine Anmeldungen mehr entgegengenommen. Bei 85 Gruppen war Schluss“ – einige Wochen später war dann allgemein Schluss. Beim ersten harten Lockdown, den der Kreis Donau-Ries erlebte.
Ende Februar summierten sich die ersten Fälle bestätigter Corona-Infektionen in Bayern. Im Landkreis beschlich viele ein mulmiges Gefühl beim Betreten der Arztpraxen. In den Krankenhäusern des Landkreises wurden die ersten erforderlichen Maßnahmen für die Versorgung von Fällen getroffen. Einige Tage später listeten die Behörden erste Covid-Fälle im Ostalbkreis.
Hamsterkäufe in Donauwörth und Umgebung: Klopapier und Nudeln werden knapp
Derweil wurden dem Gesundheitsamt bis zu diesem Zeitpunkt 241 an Influenza Erkrankte gemeldet – hierbei gab es einen Todesfall. In den Köpfen spielte dann ab Anfang März 2020 allerdings das Coronavirus die vorherrschende Rolle: „Auch wenn es noch keinen bestätigten Fall gibt, sind die Auswirkungen des neuartigen Coronavirus auch in der Region längst deutlich zu spüren. Die Bürger reagieren vermehrt mit Hamsterkäufen, Veranstaltungen werden abgesagt, Desinfektionsmittel und Mundschutzmasken und sogar Toilettenpapier oder Nudeln können nur noch mit Glück ergattert werden“, hieß es im Lokalteil dieser Zeitung am 7. März.
Am selben Tag meldete das Gesundheitsministerium die ersten beiden Corona-Fälle im Landkreis. Den Betroffenen ging es gut („beide Patienten sind wohlauf“). Sie waren aus einem Risikogebiet im Norden Italiens zurückgekommen. Für das öffentliche Leben sollte die Nachricht aber noch keine Konsequenzen haben: Die Schulen, wie auch die Kindertagesstätten/Kindergärten, blieben vorerst geöffnet. Wegen eines Verdachtsfalles wurde als erste Bildungseinrichtung die Montessori-Schule in Deiningen am 11. März geschlossen. Eine reine Vorsichtsmaßnahme.
Im Kreis Donau-Ries hagelt es Absagen von Veranstaltungen
Dann jedoch stiegen die Fallzahlen, bei den gesellschaftlichen Terminen hagelte es Absagen: Wemdinger Männerballett, nordschwäbisches Literaturfestival, Sportwettkämpfe … Unterdessen wurde am 12. März der erste schwere Covid-Fall im Landkreis gemeldet. Ein 48-jähriger Mann aus einem Ort nahe Donauwörth, ein trainierter Sportler, hatte sich in Südtirol das Coronavirus eingefangen. Es begann mit Schnupfen, endete mit akuten Schmerzen und hohem Fieber. Es folgte die Krankenhaus-Einweisung nach Augsburg – nach einem Hin und Her an der Hotline 116117 und mit dem Gesundheitsamt. Nach einigen Tagen besserte sich sein Zustand, der Mann konnte in der Folge aus der Klinik entlassen werden.
Wiederum zwei Tage später wurden alle Schulen und Kitas in Bayern geschlossen, ausnahmslos – die Kommunalwahlen fanden dennoch am 15. März trotzdem statt, direkt an den Wahlurnen.
Derweil ging es für die Region wie für das ganze Land in den ersten Corona-Lockdown, die Polizei kontrollierte die Einhaltung der neuen Verordnungen zum Infektionsschutz. Die wurden verschärft, nachdem die Frühlingssonne die Menschen scharenweise in die Städte getrieben hatte. Menschen durften sich sodann nicht mehr in Gruppen treffen, Einkäufe wurden auf „Versorgungsgänge für die Gegenstände des täglichen Bedarfs“ beschränkt und sämtliche Gaststätten geschlossen. Die Polizeireviere in Donauwörth und Rain wurden dazu in den ersten Tagen mit Kräften des Einsatzzugs aus Augsburg und der Bereitschaftspolizei aus Königsbrunn verstärkt.
Anfang April 2020 kommt das Virus mit Wucht im Landkreis Donau-Ries an
Anfang April ist das Virus mit tragischer Wucht im Landkreis Donau-Ries angekommen: Binnen weniger Tage sterben im Seniorenheim der Diakonie in Harburg acht Bewohner. Am 2. April meldet das Gesundheitsamt bis dato 113 bestätigte Corona-Erkrankte. In Monheim wird sodann das erste zentrale Testzentrum eingerichtet, mit maßgeblicher Hilfe des Technischen Hilfswerks (THW). Der Führungsstab des Katastrophenschutzes am Landratsamt trifft sich in dieser Zeit täglich zur Lagebesprechung. An der Kreisbehörde alleine sind 200 Mitarbeiter nur für den Bereich „Corona“ abgestellt. Nach wie vor herrschte Mangel am Nötigsten: Desinfektion, Schutzkleidung, Masken. Es wurde dazu aufgerufen, jene so wichtigen Artikel zu spenden. Quasi in letzter Sekunde erreichte zentral vom Freistaat bestelltes Material den Kreis – das THW verteilte es. Freiwillige allerorts nähten Masken, in erster Linie für die Pflegekräfte. Schier allerorts formieren sich privat, in Vereinen und Kirchengemeinden Helfergruppen, die Einkäufe für Risikogruppen erledigen. Indes ist zu diesem Zeitpunkt klar: Öffentliche Gottesdienste wird es in den Kirchen zu Ostern nicht geben.
Die Maßnahmen scheinen unterdessen zu wirken. Im Mai dann die ersten Lockerungsschritte: Das Besuchsverbot in der Donau-Ries-Klinik und in den Seniorenheimen wird gelockert, viele Unternehmen in der Produktion, die ganz geschlossen hatten, nehmen die Arbeit wieder auf – die Schüler besuchen nach Pfingsten wieder die Schulen, wenn auch unter anderen Umständen; die Infiziertenzahlen sanken ab Mitte Mai merklich, ab Juni herrschte spürbar weniger Mangel an Schutzausrüstung.
In Rain waren 400 Zuschauer beim Fußball zugelassen
Der Sommer verläuft – den Umständen entsprechend – weitgehend ruhig. Sportvereine öffneten vorsichtig, es wurde trainiert, einige Menschen fahren in die Ferien. Die niedrigen Zahlen bei den Neuinfektionen schienen sie zu beruhigen. Gottesdienste waren wieder möglich, wenn auch mit klaren Abstandsregeln. Ende September öffnete das Testzentrum im zentral gelegenen Möttingen seine Pforten, nachdem dessen Vorgänger in Monheim sogar vorübergehend geschlossen worden war. Beim Heimspiel des TSV Rain gegen den FC Memmingen waren nun bis zu 400 Zuschauer zugelassen.
Dann die Wende. Das Virus zeigte nun, wie schnell die Situation kippen kann. Bereits Ende Oktober stand Ministerpräsident Söders neue „Corona-Ampel“ im Kreis Donau-Ries auf Dunkelrot: 115 nachweislich Infizierte auf 100.000 Einwohner im Sieben-Tages-Schnitt. Die Lokale schlossen erneut.
Im November steht angesichts der nun entwickelten Impfstoffe fest: Im Landkreis wird es zwei Impfzentren geben, in Donauwörth und Nördlingen. Bis Mitte Dezember hatten sich insgesamt 2120 Bürger im Kreis infiziert, 44 waren im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Ende des Jahres wird erstmals geimpft: Eine 82-jährige Heimbewohnerin aus Nördlingen erhält die erste Immunisierung in der Region. Die Impfungen verlaufen seither schleppend – Hauptgrund ist schlicht und ergreifend zu wenig vorhandener Impfstoff.
Das neue Jahr beginnt alles andere als erbaulich in der Region. Zu Weihnachten waren größere Treffen mit Verwandten und Bekannten möglich gewesen. Die zweite Welle wirkt sich dann ab Januar heftig aus. Der Inzidenzwert liegt Mitte des Monats laut Angaben des Robert-Koch-Instituts bei 214,5, es werden jetzt seit März 84 Tote gezählt. Es kommt wieder zu Ausbrüchen in Seniorenheimen, etwa in Monheim und beim BRK in Donauwörth. Der erste Monat des neuen Jahres liefert eine bittere Bilanz: Die Zahl der Infizierten steigt auf 3493 (davon gelten 3151 als genesen), fast die Hälfte der bis dahin 124 Todesfälle seit Beginn der Pandemie ist im Januar geschehen.
Der Februar begann im Landkreis Donau-Ries mit einer leichten Entspannung
Dann: leichtes Aufatmen. Der Februar startet mit einer leichten Entspannung, obwohl die ersten Mutationen des Virus in den Nachbarlandkreisen den Medizinern im Gesundheitsamt durchaus Sorge bereiten. Den Februar über sorgen die frühen Impfungen von Landrat Stefan Rößle und Donauwörths Oberbürgermeister Jürgen Sorré für kontroverse Debatten. Schließlich verkündet die Regierung von Schwaben im Fall Rößle: Dienstlich sei kein Fehlverhalten festzustellen. Sorré wartet noch auf die Bewertung.
Anfang März, ein Jahr nach dem ersten Auftreten des Virus im Landkreis, ist die Stimmung eine gemischte in der Region: Einerseits ist man Anfang des Monats der Landkreis in Bayern mit der niedrigsten Inzidenz – ein Wert von zeitweise knapp 11 bedeutete deutschlandweit Rang drei hinter der Stadt Kaufbeuren (9,0) und dem Landkreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein (10,5). Andererseits geben eine mögliche „dritte Welle“ durch die Mutationen und die bislang schleppend vorangehenden Impfungen auch Anlass zu Sorge. 3626 von 134.000 Landkreisbürgern hatten sich bislang nachweislich infiziert. Die meisten gelten als genesen, einige spüren die Folgen nach wie vor, 141 sind laut RKI gestorben. Ein Jahr Corona im Landkreis – und das Ganze ist wohl noch eine ganze Zeit lang nicht Geschichte.