Jedes Jahr wird die erste Mahd zur Todesfalle für Abertausende von Jungtieren. Biogasanlagen, die Industrialisierung der Landwirtschaft und im Zuge ihrer Entwicklung immer schnellere und größere Mähwerke haben in den letzten Jahren zu besonders zahlreichen und qualvollen Verlusten bei den Kitzen geführt. Denn der erste Schnitt fällt mit der Brut- und Setzzeit von Rehkitzen, Junghasen und Wiesenbrütern zusammen, die insbesondere in Wiesen ihren Nachwuchs sicher wähnen.
Das "Drücken" ist die Überlebensstrategie der Kitze
Ihre Überlebensstrategie, das „Drücken“, schützt Kitze und Junghasen vor Fuchs, Raben- und Greifvögeln, aber nicht vor dem Kreiselmähwerk. Diese werden „vermäht“ – grausam verstümmelt oder getötet.
So in Flotzheim. Hier hat sich laut Oberfrank „ein krasses Vergehen gegen den Tierschutz“ abgespielt. Ein Landwirt oder dessen Mitarbeiter hat zum wiederholten Male ohne jegliche vorherige Schutzmaßnahmen mehrere Wiesen gemäht. Bereits in den letzten Jahren wurden fast zehn schwer verletzte oder totgemähte Kitze auf diesen Wiesen entdeckt. Mehrmaligen Aufforderungen seitens des Jagdpächters, frühzeitig den Mähzeitpunkt anzukündigen, wurde nicht nachgekommen. Als der Jäger Andreas Ferber an einem Maiabend bei seiner Revierfahrt an einer der besagten Wiese vorbeifuhr, war diese zu seinem Entsetzen bereits gemäht. Er ahnte nichts Gutes. Bei einem Kontrollgang mit seinem Jagdhund entlang einer direkt angrenzenden Hecke zeigte letzterer nach kurzer Zeit an, dass sich in der Hecke Wild aufhalten muss.
Ein lebendes Rehkitz, dem alle vier Läufe abgemäht waren
Dem Hund folgend fand der Jagdpächter gut sechs Meter in der Hecke ein lebendes Kitz vor, dem alle vier Läufe abgemäht wurden, der Torso war jedoch unversehrt. Es war eindeutig nachzuverfolgen, dass dieses Kitz anscheinend in die Hecke geworfen wurde und aufgrund der schweren Verletzungen nicht mehr von selbst dort hingelangen konnte. Zudem hat sich ein Zeuge kurze Zeit später gemeldet, der diesen Ablauf bestätigen kann. Das schwerst verletzte Kitz wurde unverzüglich vom Jäger erlöst – ohne den Zufallsfund hätte das Leiden wohl noch einige Tage angedauert. In der Folge wurde zudem noch ein totgemähter Junghase in der Hecke gefunden.
Helfer retten die Kitze mit großem Engagement
Dass es auch ganz anders laufen kann, zeigt ein Beispiel aus Schweinspoint. Mit großen Engagement und Einsatz ging dort die Jagdpächterfamilie Raab mit Mitjägern und Bekannten ans Werk. Mehr als zehn Kitze wurden in den Wiesen gefunden, bevor die Mähmaschine kam. Die Jungtiere wurden mit viel Gras, um möglichst wenig „menschliches Aroma“ auf die Tiere zu übertragen, in gut belüftete Kartons gelegt. Nachdem die Wiese gemäht war, wurden sie wieder freigelassen.
„Landwirte und Jäger stehen gemeinsam in der Verantwortung, etwas gegen den Mähtod zu tun“, sagt Robert Oberfrank, Vorsitzender vom Jagdverband Donauwörth. „Wenn Bauern und Jäger partnerschaftlich zusammenarbeiten und die Landwirte ihre Jäger rechtzeitig vor dem Mähtermin informieren, haben diese die Möglichkeit, Wiesen und Felder nach Jungwild abzusuchen. So lässt sich der grausame Mähtod zu einem großen Teil verhindern“, ergänzt Jägervorstand Albert Reiner.
Richtige Mähstrategie hilft den Bauern und den Kitzen
Schon die richtige Mähstrategie würde ein Stück Leid verhindern. Beim Grünlandschnitt muss, so verlangt es das neue Artenschutzgesetz, die Wiese grundsätzlich von innen nach außen gemäht werden, damit Rehe, Hasen und Fasane, während der Mahd noch die Möglichkeit zur Flucht haben. Auch die Schnitthöhe und eine angebrachte elektronische Wildscheuche am Mähwerk sind sehr Erfolg versprechend.
Das Tierdrama in Flotzheim wird wohl ein Nachspiel haben, denn der Jagdverband Donauwörth wird den Landwirt wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz anzeigen. Landwirte sind laut Robert Oberfrank dazu verpflicht, vor der Mahd den Tod der Kitze zu verhindern. Verstümmeln sie dennoch Tiere, drohen ihnen Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen. Oberfrank ist enttäuscht: „Entweder ist dies manchen Landwirten nicht bewusst oder es beschleicht einen manchmal der Eindruck, es ist schlicht egal.“
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