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Landkreis Donau-Ries: Friedberger Ach: Giftige Chemikalien, fünf Landkreise, ein Ziel

Landkreis Donau-Ries

Friedberger Ach: Giftige Chemikalien, fünf Landkreise, ein Ziel

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    Die Friedberger Ach im Donau-Ries-Kreis nahe ihrer Mündung in die Donau. Das Gewässer fließt durch fünf Landkreise und verbreitet dabei giftige Chemikalien, die bei Penzing hineingelangen.
    Die Friedberger Ach im Donau-Ries-Kreis nahe ihrer Mündung in die Donau. Das Gewässer fließt durch fünf Landkreise und verbreitet dabei giftige Chemikalien, die bei Penzing hineingelangen.

    Fünf Landkreise, fünf Betroffene: Die vom Fliegerhorst in Penzing bei Landsberg ausgehende Verunreinigung der Friedberger Ach mit per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) hat über Augsburg und Aichach-Friedberg zuletzt auch in unserem rund 100 Kilometer nördlich liegenden Landkreis Donau-Ries und im Nachbarkreis Neuburg-Schrobenhausen für Konsequenzen gesorgt (wir berichteten mehrfach). Über viele Jahre hinweg gelangte der Giftstoff früher durch Löschschaum – Einsatz bei Feuerwehrübungen auf dem ehemaligen Militärflughafen Penzing – ins Erdreich und weiter in den Bach. Das ist spätestens seit 2013 bekannt, aber erst seit Mitte Februar gilt auch eine Verzehrwarnung für geangelte Fische aus der Friedberger Ach im Donau-Ries-Kreis. Nun reagieren die Kreisgruppen des Bunds Naturschutz (BN). Sie wollen zusammenrücken, damit Bundeswehr und Bund endlich schneller handeln.

    Der Verlorene Bach wird später zur Friedberger Ach.
    Der Verlorene Bach wird später zur Friedberger Ach. Foto: Philipp Schröders

    Vertreter des Bunds Naturschutz stellen Forderungen auf

    In einer virtuellen Pressekonferenz, an der die Vorsitzenden der fünf betroffenen Kreisgruppen sowie ein Chemiker und PFC-Experte aus dem ebenfalls stark von der Verunreinigung betroffenen Landkreis Altötting teilnahmen, formulierten die BN-Vertreter ihre Forderungen. Letzter Auslöser für das gemeinsame Vorgehen sei der Appell der Landratsämter in Donau-Ries und Neuburg-Schrobenhausen an die Bürger gewesen, den Verzehr der belasteten Fische deutlich einzuschränken. Für den Donau-Ries-Kreis riet das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sogar vorsorglich, ganz darauf zu verzichten.

    Für Alexander Helber, den Leiter der BN-Kreisgruppe Donau-Ries, ist es unbegreiflich, dass das Landratsamt Donau-Ries erst zwei Jahre nach den anderen betroffenen Landkreisen – nämlich erst jetzt Mitte Februar – eine Verzehrwarnung von Fischen aus der Friedberger Ach ausgesprochen hat. Er verglich die jahrzehntelange PFC-Belastung der Friedberger Ach mit einer Umweltkatastrophe wie Tschernobyl, auch wenn sie hier regional beschränkt sei. Diese Belastung habe langfristige Folgen, denn sie löse sich nicht einfach auf. „Als BN fordern wir ein schnelles Handeln der Behörden über Landkreisgrenzen hinweg für das gesamte Flusssystem“, betonte Helber, der den Zusammenschluss der BN-Gruppen angestoßen hat.

    Die Mündung der Friedberger Ach in die Donau, aufgenommen von der Oberhausener Donauseite auf Höhe der Felsenspitze, dem letzten Ausläufer des Fränkischen Juras.
    Die Mündung der Friedberger Ach in die Donau, aufgenommen von der Oberhausener Donauseite auf Höhe der Felsenspitze, dem letzten Ausläufer des Fränkischen Juras. Foto: Michael Geyer

    Helber hat den Eindruck, "dass alle wegschauen"

    Helber erwartet, dass sich die verantwortlichen Behörden ein umfassendes Bild von den Schäden machen und nach außen kommunizieren. Bisher hat er den Eindruck, „dass alle wegschauen, wie sich diese Kontaminierung langfristig auf das gesamte Ökosystem auswirkt.“ Die Friedberger Ach fließe ja auch an Häusern vorbei und an landwirtschaftlichen Grundstücken. Dort werde ebenfalls Wasser entnommen. Zudem setzte sich das PFC auch in Bodensedimenten ab. „All das muss man umfassend untersuchen“, so Helbers Forderung.

    Den Wert der Friedberger Ach sieht der Naturschützer durch die Chemikalien stark herabgesetzt. „Eigentlich müsste die erste Konsequenz sein, dass man für lange Zeit dort keine Fische mehr entnehmen kann“, sagte er. „Guten Gewissens kann man jedenfalls keinen dort gefangenen Fisch mehr essen. Die Fischerei wird nahezu wertlos werden.“

    Gerhard Merches, Umweltingenieur aus Altötting, wies darauf hin, dass die tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge an PFOS (Perfluoroctansulfonsäure) für den Menschen in zwei Schritten 2018 und 2020 sehr deutlich herabgesetzt worden sei. Gründe dafür seien unter anderem entwicklungstoxische Effekte und verringerte Geburtsgewichte, verringerte Antikörperbildung (Immunsystem) und erhöhte (LDL- und Gesamt-) Cholesterin-Konzentrationen gewesen.

    Johannes Enzler fordert: Kein kontaminiertes Futter verabreichen

    Um die Anreicherung von PFC in der Nahrungskette zu vermeiden, sollten alle anliegenden Landnutzer die Bewässerung von Nutzpflanzen mit Wasser aus dem verlorenen Bach Friedberger Ach unterlassen, und keine Nutztiere mit dem Bachwasser tränken oder kontaminiertes Futter verabreichen, forderte Johannes Enzler, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Augsburg. Schließlich gelange das PFC nicht nur über Fische in die Nahrungskette.

    Damit war man im Nachbarlandkreis Neuburg-Schrobenhausen, einer – neben Penzing – zweiten PFC-Quelle angekommen: dem Nato-Flugplatz in Neuburg-Zell, wo über Jahre ebenfalls PFC-haltiges Löschmittel zum Einsatz gekommen war. Das Gift sickert unaufhörlich ins Oberflächen- und Grundwasser und wird über den Grundwasserabstrom weiter transportiert.

    Wie Günter Krell (Bund Naturschutz Neuburg-Schrobenhausen) erzählte, seien bereits vor rund zehn Jahren auf Militär- und Privatflugplätzen rund 25 Verdachtsfälle festgestellt worden. Aber gemacht worden sei nichts. Mitte Juni 2018 habe der BN-Kreisvorsitzende einen entsprechenden Brief an den damaligen Landrat und jetzigen Wirtschaftssekretär im Bayerischen Landtag, Roland Weigert, geschrieben. „Erst dann wurde der Landkreis aktiv, vorher war nichts passiert, hatte man nur zugeschaut, was sich um den noch mehr belasteten Flugplatz Manching tut, wo man bereits ein halbes Jahr früher zu handeln begonnen hatte“, schilderte Krell.

    Aufgrund der jüngsten Erkenntnisse mit den belasteten Hühnereiern müsste nicht nur die längs-, sondern auch die horizontale Ausbreitung des Grundwasserstroms rund um den Flugplatz Neuburg noch genauer untersucht werden. Scheinbar sei die Ausbreitung doch breiter als angenommen.

    Die Fische in der Friedberger Ach sind mit PFC belastet, vor dem regelmäßigen Verzehr wird gewarnt.
    Die Fische in der Friedberger Ach sind mit PFC belastet, vor dem regelmäßigen Verzehr wird gewarnt.

    Das Tempo muss deutlich beschleunigt werden

    Wie in Penzing finden auch in Neuburg seit Jahren Untersuchungen statt. „Wir sehen, dass gehandelt wird, aber das Tempo der Sanierung muss deutlich beschleunigt werden, um eine weitere Verunreinigung der Gewässer und des Grundwassers zu verhindern“, erklärt auch Folkhart Glaser, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Landsberg.

    Dabei würden auch kleinräumige Sanierungsmaßnahmen wie bei einer Wäscherei in Pöttmes sehr wohl funktionieren, auch ohne dass Jahre verstreichen, wie sein Aichach-Friedberger Kollege Ernst Haile sagte. „Dieses Tempo erwarten wir auch von der Bundeswehr bei der Sanierung des Fliegerhorsts Penzing und des 100 Kilometer langen Flusssystems.“

    Gefordert werden vom Bund Naturschutz:

    Ein Grundwassermodell, das die momentane und künftige Belastung des Grundwassers mit PFC sowie die räumliche Ausdehnung der Verunreinigungen und deren weitere zeitliche Entwicklung abbildet.

    Hydraulische Sperren, sogenannte Abstromsicherungen. Dadurch wird verhindert, dass noch mehr verseuchtes Grundwasser den Fliegerhorst verlässt.

    Ein Grund- und Trinkwassermonitoring.

    Ein schnelleres Tempo bei der Sanierung.

    Wichtig ist es dem Bund Naturschutz, so Annemarie Räder, BN-Regionalreferentin Oberbayern, dass die Behörden über Zuständigkeiten hinweg miteinander kooperieren. „Denn es muss Druck aus den Regionen kommen, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) endlich mit den Sanierungen ihrer Standorte vorangeht. Außerdem sehen wir ein bayernweites, systematische Monitoring als unerlässlich.“

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