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Landkreis Donau-Ries: Donauwörther Agenturchef: "Die rosigen Zeiten sind vorbei"

Landkreis Donau-Ries

Donauwörther Agenturchef: "Die rosigen Zeiten sind vorbei"

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    Richard Paul, Chef der Arbeitsagentur in Donauwörth und zuständig für Nord- und Westschaben, spricht über den Wandel am Arbeitsmarkt.
    Richard Paul, Chef der Arbeitsagentur in Donauwörth und zuständig für Nord- und Westschaben, spricht über den Wandel am Arbeitsmarkt. Foto: Barbara Wild

    Die Arbeitslosigkeit im Landkreis Donau-Ries ist um ein Drittel gestiegen, vor allem gibt es weniger freie Stellen. Was also erwartet die Region? Wie stark werden die Bremsspuren der Pandemie bei den Menschen ankommen? Das haben wir Richard Paul, Chef der Arbeitsagentur in Donauwörth, gefragt.

    Herr Paul, machen Sie sich Sorgen um den Arbeitsmarkt im Landkreis Donau-Ries?

    Paul: Im positiven Sinne kümmern wir uns ja immer, aber es lässt sich wahrlich nicht von der Hand weisen, dass sich die extrem positive Lage der vergangenen Jahre verändert. Im Durchschnitt lag unsere Arbeitslosigkeit bei 2,2 Prozent und damit stets unter dem Bayerndurchschnitt von 3,6 Prozent. Schon vor der Pandemie hat sich da ein Abschwung der Konjunktur gezeigt, ab März kam dann die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie dazu. I Jahresdurchschnitt hatten 500 Menschen mehr als bisher keinen Job mehr, insgesamt über 1700. Das ist im Vergleich zu anderen Regionen nach wie vor eine sehr gute Lage, aber es ist eine klare Eintrübung. Weil wir vorher so niedrig waren, ist es ein Anstieg von fast 40 Prozent.

    Sind die rosigen Zeiten also vorbei?

    Paul: So viele Betriebe wie nie in der Region sind in Kurzarbeit. Neben mehr Arbeitslosen gibt es zudem deutlich weniger freie Stellen bei den Betrieben. Also ist es auch schwieriger, eine neue Arbeit zu finden. Dennoch: Im Vergleich zu anderen Region geht es uns immer noch sehr, sehr gut. Zudem ist nach wie vor viel Bewegung im Markt.

    Auf was müssen wir uns denn einstellen?

    Paul: Das hängt nicht nur von der Pandemie ab. Denn schon seit gut eineinhalb Jahren spüren wir einen Strukturwandel – Onlinehandel, weiterer technischer Fortschritt und Digitalisierung haben schon dazu geführt, dass manche Betriebe Stellen abgebaut oder das Mittel der Kurzarbeit genutzt haben. Zugleich scheiden viele ältere Arbeitnehmer aus, und die Suche nach Fachkräften bleibt ein großes Thema. Hinzu kommt natürlich dann die große Unsicherheit durch die Pandemie. Aber unterm Strich denke ich, dass der Arbeitsmarkt vor Ort sich auf dem aktuellen Niveau bewegen wird. So ganz rosig, wie es war, wird es eine Zeit lang nicht mehr sein.

    Kurzarbeit ist im Jahr 2020 bislang eines der Themen schlechthin für die Arbeitsagentur Donauwörth.
    Kurzarbeit ist im Jahr 2020 bislang eines der Themen schlechthin für die Arbeitsagentur Donauwörth. Foto: Weizenegger

    Was verändert die Corona-Pandemie langfristig am regionalen Arbeitsmarkt?

    Paul: Corona ist ganz klar ein Beschleuniger. Wir sehen das im technischen und IT-Bereich. Das ist ein drastischer Wandel. Auch der Strukturwandel in der Automobilindustrie hin zum E-Auto bedeutet letztendlich weniger Arbeitsplätze bei den Zulieferern – und wir haben in der Region viele Betriebe im verarbeitenden Gewerbe, die hier liefern. Es wird weiter Bedarf an Fachkräften geben, aber weniger Standardjobs wie bisher.

    Die Arbeitslosigkeit ist um ein Drittel gestiegen, wo würden wir denn ohne Kurzarbeit stehen?

    Paul: Zum Glück gibt es dieses Mittel. Von März 2020 bis Ende Januar 2021 haben die Betriebe im Landkreis Donau-Ries haben 1643 Kurzarbeitergeldanzeigen für insgesamt 40.800 Beschäftigte gestellt. Das sind fast zwei Drittel aller sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze im Landkreis – da sieht man, wie die Agentur ein Stück weit den Lebensunterhalt sichert. Und es wird schwieriger, weil die Rücklagen jetzt aufgebraucht sind. Um den Jahreswechsel hat noch mal die Nachfrage zugenommen. Und jetzt ist die Frage, wann und wie das Ende des Lockdowns kommt.

    Arbeitslose im Donau-Ries-Kreis: Wen es besonders trifft

    Wen trifft denn Arbeitslosigkeit besonders?

    Paul: Das liegt auf der Hand: Mitarbeiter in der Gastronomie und Handel oder auch in den Dienstleistungen, die derzeit nicht möglich sind. Im verarbeitenden Gewerbe trifft es Männer. Auch bei den ausländischen Mitarbeitern fällt es eher auf, weil diese oft eine schlechtere Qualifikation aufweisen und mehr in Hilfsjobs aktiv sind. Und es trifft viele Jugendliche.

    Warum ist das so?

    Paul: Es ist zum einen leicht, nach der Ausbildung dem jungen Mitarbeiter keinen Folgevertrag anzubieten. Zudem ist der soziale Hintergrund bei jungen Leuten noch nicht so verpflichtend. Im Landkreis ist die Jugendarbeitslosigkeit nach wie vor gering, aber anteilig ist der Anstieg deutlich um fast 70 Prozent – im Januar waren 341 Jugendliche unter 25 arbeitslos gemeldet.

    Was heißt das für die Ausbildungsplätze?

    Paul: Hier gibt es keine Veränderung im Landkreis Donau-Ries, denn wer Fachkräfte sucht, bekommt sie am leichtesten, wenn er selbst ausbildet. Das haben die Unternehmen verinnerlicht. In Westschwaben ist der Einbruch an Ausbildungsplätzen hingegen viel stärker, da gibt es eine ganz andere Lage.

    Was raten Sie den Menschen, denen das Kurzarbeitergeld zu wenig ist und die klassischen Hilfsjobs einfach nicht möglich sind?

    Paul: Es ist klar, dass das für viele eine ganz klare Durststrecke ist. Es bleibt dann wirklich nicht mehr viel, als staatliche Unterstützung. Das trifft übrigens auch Menschen, die vorher soloselbstständig waren. Da hat der Gesetzgeber reagiert und den Zugang erleichtert.

    Gibt es eine Scheu, das auch zu beantragen? Wer vorher sein eigener Chef war und Unternehmergeist gezeigt hat, dem fällt es sicher nicht leicht, auf den Staat als Ernährer zu setzen.

    Paul: Ja, diese Scheu ist deutlich spürbar. Wir merken aber schon, dass die Nachfrage nach Grundsicherung anzieht.

    Welche Chancen haben denn Arbeitslose, die schon vor der Pandemie lange ohne Job waren?

    Paul: Dieser Anteil im Landkreis ist sehr gering und war es immer. Natürlich wächst auch diese Zahl. Vor allem kommt jetzt die Phase, in der die ersten im März im Lockdown ihren Job verloren haben. Die fallen jetzt nach einem Jahr aus der Arbeitslosigkeit heraus und stehen vor Hartz IV. Es ist also ganz entscheidend, wie der Lockdown weiter verläuft. Aber klar: Je länger jemand arbeitslos ist, desto schwieriger ist der Weg zurück in den Job.

    Der Alltag im Homeoffice: Unternehmen aus dem Landkreis Donau-Ries bieten ihren Mitarbeitern vermehrt die Möglichkeit an, von daheim aus zu arbeiten. Bei den Behörden ist der Anteil der Mitarbeiter im Homeoffice gering.
    Der Alltag im Homeoffice: Unternehmen aus dem Landkreis Donau-Ries bieten ihren Mitarbeitern vermehrt die Möglichkeit an, von daheim aus zu arbeiten. Bei den Behörden ist der Anteil der Mitarbeiter im Homeoffice gering.

    Gibt es nicht einen enormen Bedarf im Gesundheitsbereich?

    Paul: Es ist schon der Trend, dass höhere Beschäftigung und mehr Berufe in diesem Bereich geboten werden. Aktuell haben wir etwa ein Viertel mehr an Jobs als vor einem Jahr. Die Pandemie beschleunigt auch das, aber zudem werden wir alle älter und brauchen diese Berufe. Deutlichen Rückgang gibt es hingegen in der stärksten Branche in der Region: dem verarbeitenden Gewerbe.

    Gibt es positive Auswirkungen der Pandemie, die Sie ausmachen können?

    Paul: Die Kultur des Homeoffice wird sich erhalten – Arbeitsformen wie diese waren vor einiger Zeit gar nicht vorstellbar. Die örtliche Bindung zwischen Job und Privatleben lässt etwas nach. Das ergibt für die Menschen die Möglichkeit, bei einer Firma im Ballungsraum zu arbeiten und trotzdem in der Heimat zu bleiben. Oder anders herum. Die Arbeit wird einfach mobiler.

    Was wird in Ihren Augen nach Ende der Pandemie die größte Herausforderung für den Arbeitsmarkt?

    Paul: Die spürbaren Themen wie Fachkräftesicherung, alternde Bevölkerung und der Strukturwandel werden uns beschäftigen. Es wird für viele Branchen einen hohen Bedarf an Zuwanderung geben.

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