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Kaisheim: Hat ein Häftling Benzin ins Mittagessen der JVA gemischt?

Kaisheim

Hat ein Häftling Benzin ins Mittagessen der JVA gemischt?

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    Fenster der JVA Kaisheim. Wer vergiftet hier das Mittagessen?
    Fenster der JVA Kaisheim. Wer vergiftet hier das Mittagessen? Foto: Wolfgang  Widemann

    Er hätte es tun können, wohl besser als jeder andere. Aber auch manch anderer hätte Benzin in die Soße des Mittagessens im Gefängnis in Kaisheim mischen und Menschen verletzen können.

    Folglich sprach das Schöffengericht des Augsburger Amtsgerichts den 41-jährigen Angeklagten frei. Gefährliche Körperverletzung warf die Staatsanwaltschaft dem gelernten Schreiner vor, der zur Tatzeit eine Haftstrafe wegen Diebstahls und Betrugs absaß. Mittels einer mehr als halbstündigen Erklärung, vorgetragen von seiner Rechtsanwältin Stefanie Amann, widersprach der Angeklagte dem Vorwurf der Anklage.

    Er habe wegen seines einwandfreien Verhaltens als Gefangener im Freigängerhaus leben dürfen. Auch habe er immer wieder außerhalb der Anstalt Arbeiten erledigt, zur Tatzeit als Gärtner. Am 18. März 2019, dem Tattag, sei ihm ein Außenauftrag geplatzt, also habe er in der Gärtnerei Innendienst geleistet. Weil ein Mitgefangener gemeckert hatte, habe ihn der Aufseher kurzerhand abkommandiert, das Mittagessen abzuholen.

    Benzin im Mittagessen: Häftlinge haben sich Mund und Hals verbrannt

    In Kaisheim wird das Essen zentral in der Anstaltsküche gekocht. Die Außenstellen, darunter die Gärtnerei, holen für ihre Mitarbeiter die Speisen, eingefüllt in Warmhaltebehälter, mit einem Leiterwagen am Anstaltstor ab. Seine Verteidigerin erläuterte, dass bereits bevor der Angeklagte überhaupt mit den Speisen in Kontakt gekommen war, sich jemand an der Soße hätte zu schaffen machen können: in der Küche, auf dem Weg zum Tor, in der Sicherheitsschleuse.

    Auf dem zehnminütigen Fußweg von der Anstalt durch die Blumenstraße bis zur Gärtnerei dürfe sich der Speisenkurier der Beobachtung durch Anwohner sicher wissen. In der Gärtnerei habe der Angeklagte sechs Behälter in den Aufenthaltsraum geschleppt, wo sich zuerst er und zwei Mithäftlinge bedienten. Bereits nach den ersten Bissen will ein 45-jähriger Häftling scharfen Geschmack und merkwürdigen Geruch festgestellt und den Chef verständigt haben.

    Zwar wurde das Essen sofort abgeholt und ausgetauscht, da hatten sich aber schon zwei Mithäftlinge und der Angeklagte selbst Mund und Hals verbrannt und den Magen verdorben. Am schlimmsten erwischte es den Angeklagten, der nach dem Arztbesuch zwei Tage nicht arbeiten konnte.

    These des Beklagten: Er ist selbst Opfer des Anschlags

    Für ihn hätte die Tat keinen Sinn ergeben, so der 41-Jährige, er hätte seine Vergünstigungen als Freigänger ebenso riskiert wie seine bereits feststehende vorzeitige Haftentlassung Anfang Juli. Seine These: Er selbst sei Opfer des Benzin-Anschlags. Möglicherweise habe ihm jemand seine Vergünstigungen geneidet oder Rache nehmen wollen, dass er Fehlverhalten anderer Häftlinge an die Anstaltsleitung gemeldet habe. Gleichwohl erhielt er den Strafantrag, da die meisten Umstände auf seine Täterschaft hinwiesen.

    Elf Zeugen hatte Vorsitzender Richter Dominik Wagner geladen, acht wurden vernommen. Niemand hatte den Angeklagten beim Benzinmischen beobachtet. Aufgrund der Schilderungen wurde immer klarer: Es gab keine lückenlose Überwachung der Speisen auf dem Weg in die Außenbereiche.

    Wenn jemand sich auskennt und im Besitz von Benzin ist, könne er wohl die Speisen damit verderben. Und Benzin ist in der Anstalt an verschiedenen Stellen im Umlauf. Für den Justizbeamten der Gartenabteilung des Gefängnisses war klar: Die Tat mit dem Benzin habe geplant worden sein müssen.

    So wurde für das Gericht ebenso wie für Staatsanwalt Andreas Kraus deutlich: Die Tat wird dem Angeklagten nicht sicher nachzuweisen sein. Entsprechend das Plädoyer des Staatsanwalts, das dem der Verteidigerin entsprach: Der Mann ist freizusprechen. Auch das Schöffengericht fasste diesen Entschluss: „Sie kommen als Täter in Betracht“, so Wagner, „andere aber auch. Für eine Verurteilung reicht das aber nicht.“

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