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Interview: Landrat Rößle: „Das Corona-Risiko gering halten“

Interview

Landrat Rößle: „Das Corona-Risiko gering halten“

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    Stefan Rößle
    Stefan Rößle

    Leere Straßen, Abstandsregelungen schier überall, geschlossene Schulen, Kitas, Läden und Lokale: Die Corona-Pandemie hat den Landkreis fest im Griff. Wir sprachen mit Landrat Stefan Rößle über die angespannte Lage in der Region, über erste vage Zukunftspläne – und auch über ganz persönliche Eindrücke und Lehren in dieser nie vorher da gewesenen Situation.

    Seit einem Monat herrscht Ausnahmezustand – hatten Sie ein solches Szenario vorher jemals gedanklich durchgespielt?

    Rößle: Der Katastrophenschutz ist immer ein wichtiger Bereich – wenngleich man in „normalen“ Zeiten dazu neigt, Fragen zu Notfallszenarien schleifen zu lassen. Hier ist das aber anders: Wir haben Personal dafür, sind eigentlich gut aufgestellt, haben im Vorfeld Übungen durchgeführt. Ein Warnschuss war zuletzt der Stromausfall in Wemding. Aber speziell eine Pandemie – nein, an so etwas habe ich nicht gedacht. Seit einem Monat sind wir im Landratsamt fast ausschließlich damit beschäftigt. Ähnlich gewaltig kam die Flüchtlingskrise vor fünf Jahren, aber das alles ist nicht vergleichbar. Damals hat das öffentliche Leben nach wie vor stattgefunden. Wir müssen versuchen, die Lage bestmöglich zu bewerkstelligen.#

    Das THW Donau-Ries unterstützt den Landkreis Donau-Ries beim Einsatz gegen Coronavirus.
    Das THW Donau-Ries unterstützt den Landkreis Donau-Ries beim Einsatz gegen Coronavirus. Foto: Sebastian Birzele

    Das Landratsamt gilt als schier allzuständige Exekutivbehörde in der Krisenzeit. Wie geht man mit all der Verantwortung um und wie laufen die Abstimmungen mit dem Freistaat?

    Rößle: In der Tat haben wir eine große Verantwortung, nämlich für 130000 Menschen im Landkreis. Man sieht auch in dieser Krise die Vielfalt der Zuständigkeiten des Amtes. Es zeigt sich nun, wie gut die Strukturen in Deutschland und Bayern sind, es zeigen sich die Stärken des subsidiären und föderalen Systems – das heißt, im Gegensatz zu zentralistischen Systemen, dass möglichst viele Zuständigkeiten vor Ort sind, wo man die Lage besser kennt. Klar können im Föderalismus die Abstimmungen manchmal etwas länger dauern, aber die Verantwortung vor Ort zu haben, ist effektiver. Wir können in unserem Land schneller auf die für die Regionen spezifisch wichtigen Bedürfnisse eingehen. Man sieht das an den vielen Krankenhäusern, die wir hier in der Fläche mit unserer regionalen Struktur noch haben. Es zeigt sich nun, dass die Debatte, die kleinen Häuser verstärkt zu schließen und sich auf die Ballungszentren zu konzentrieren, nicht den richtigen Weg aufgezeigt hat. Die Zusammenarbeit mit dem Freistaat läuft gut. Wir haben Ansprechpartner, unsere Wünsche und Nöte werden wahrgenommen, was wir zuletzt bei der schnellen Aufstockung unseres Gesundheitsamtes zu Beginn der

    Was ist Ihre Einschätzung: Wie lange kann der Krisenmodus mit all den Beschränkungen im Landkreis aufrechterhalten bleiben?

    Rößle: Man muss das von zwei Seiten sehen: 200 Mitarbeiter im Landratsamt beschäftigen sich derzeit ausschließlich mit Corona. Wir haben unseren Modus umgestellt – andere Dinge bleiben dafür leider liegen. Das einen Monat zu machen, geht, einen zweiten vielleicht – dann aber kämen wir an den Punkt, an dem zu viel liegen bliebe. Die zweite Seite ist: Es sollten bald wieder möglichst viele Menschen arbeiten können, ansonsten wären die Kosten der Krise immens, denn irgendwann muss ja all das finanziert werden, was jetzt nicht umgesetzt wird.

    Das THW Donau-Ries unterstützt den Landkreis Donau-Ries beim Einsatz gegen Coronavirus.
    Das THW Donau-Ries unterstützt den Landkreis Donau-Ries beim Einsatz gegen Coronavirus. Foto: Sebastian Birzele

    Welche Bereiche im Landratsamt laufen denn überhaupt noch im Normalbetrieb derzeit?

    Rößle: Im Normalbetrieb läuft wenig. Fast uneingeschränkt läuft es beim Veterinäramt weiter. Weitgehend auch beim Hoch- und Tiefbau. Sehr eingeschränkt ist der Bereich Kreisentwicklung, die Bauverwaltung ist eingeschränkt, arbeitet aber weiter. Im Bereich Sozialhilfe und Ausländer beispielsweise herrscht weniger Verkehr, Mitarbeiter von dort wurden abgezogen ins Krisenmanagement. Unter massiver Belastung stehen das Gesundheitsamt und das Hauptamt sowie auch das Jobcenter. Aber die Mitarbeiter sind motiviert, es besteht eine große gegenseitige Hilfsbereitschaft.

    Welches ist angesichts der Krise das größte Sorgenkind in der Region – ist es die Schutzausrüstung wie Masken und Co. oder etwas anderes?

    Rößle: Bei uns stehen derzeit die Seniorenheime sehr im Fokus. Es ist eine enorm belastende Situation für die Bewohner wie für die Mitarbeiter, besonders in Harburg. Ein besonderes Augenmerk richten wir auch auf unsere Behinderteneinrichtungen. Nächste Woche findet hierzu ein Treffen statt, Ziel ist dabei der bestmögliche Schutz und ein weiterhin geordneter Betrieb. Im Bereich der Schutzausrüstung läuft es inzwischen besser, es kommen mehr und mehr Masken sowie Desinfektionsmittel. Nach wie vor großer Mangel herrscht derweil bei den Schutzanzügen. Die Führungsgruppe Katastrophenschutz ist 24 Stunden besetzt, sie erhält Nachrichten darüber, wann Material eintrifft. Grundsätzlich muss jedes Heim, jeder Arzt selbst für die Ausrüstung sorgen, aber wir verteilen das Material, das stets für Akutfälle gedacht ist, nach einer Liste an Kliniken und Einrichtungen. Was die Ausrüstung angeht, geht es jetzt um Risikominimierung.

    Wie gehen Sie persönlich in der Familie und im eigenen privaten Umfeld mit der Lage um?

    Rößle: Recht konsequent. Mit den Kindern, die noch zu Hause wohnen, sind wir natürlich zusammen. Zwei wohnen auswärts, die Enkel und Großeltern auch. Da halten wir es strikt, verzichten auf Besuche. Ein Vorteil ist, dass wir auf dem Land leben und einen Garten haben. Auch Spaziergänge sind erlaubt.

    Wo sollten zuvorderst Öffnungen im öffentlichen Leben geschehen und wo muss es noch strikt bleiben?

    Rößle: Strikt muss man auf jeden Fall in Bezug auf große Veranstaltungen sein. Priorität hat freilich der Schutz der Gesundheit der Menschen. Öffnungen muss es hinsichtlich des beruflichen Lebens der Menschen geben und auch bei den Geschäften, soweit es vertretbar ist. Den Mindestabstand muss man weiterhin einhalten, aber ich denke, daran haben sich die meisten gewöhnt. Kritisch sehe ich bei den jüngsten Beschlüssen aus Berlin die 800-Quadratmeter-Grenze bei den Läden. Das wirkt etwas ungerecht. Außerdem kritisch sehe ich, dass Kirchen vorerst geschlossen bleiben sollen – auch dort könnte man die Sicherheitsregelungen umsetzen.

    Gehen Sie angesichts der Krise von einem künftig niedrigeren Kreishaushalt aus? Was ist, bezogen auf Großinvestitionen, etwa bei Schulen zu erwarten?

    Rößle: Den Haushalt haben wir jüngst verabschiedet und ich mache mir in dieser Hinsicht um das laufende Jahr keine Sorgen. Wir haben sogar eine Million Euro kurzfristig für die Beschaffung von Material speziell zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung gestellt. Die laufenden größeren Maßnahmen wie etwa in Sachen Kreisstraßen und Schulen werden abgewickelt. Es kann allerdings zu Verzögerungen kommen, was das Material für den Bau angeht. Was aber passieren wird, ist wahrscheinlich ein geringeres Gewerbesteueraufkommen und ein Zurückgehen bei der Einkommenssteuer. Das merken zuerst die Kommunen und dann – über die Kreisumlage – wir in zwei Jahren.

    Was nehmen Sie als Lehren aus der Krise bereits jetzt schon mit – in Bezug auf die Kreispolitik und auch ganz persönlich?

    Rößle: Dass regionale Strukturen wichtig sind – ich denke da etwa an unsere Krankenhäuser, aber auch an die regionale Produktion. Auch im Bereich der Lebensmittel muss verstärkt regional gedacht werden. Man erkennt zudem, dass der Individualverkehr seine Berechtigung hat. Der Katastrophenschutz muss zudem immer im Fokus stehen. Künftig brauchen wir mehr Leute für die Führungsgruppe Katastrophenschutz im Landratsamt. Und es ist auch klar: Man muss in guten Zeiten solide wirtschaften, um für Krisen gewappnet zu sein – denn das wird wohl nicht die letzte sein. Persönlich denke ich an die Wichtigkeit des Zusammenhalts – am Arbeitsplatz als auch insgesamt in der Gesellschaft. Gott sei Dank stehen die Menschen hier bei uns noch zusammen, was man an den vielen Helfergruppen sieht. Und was man jetzt auch lernt, ist, dass nicht alle Sitzungen und Feste so immens wichtig sind, dass vieles auch via Telefon geht. Die Rolle des Homeoffice wird wichtiger; das bedeutet mithin auch mehr Lebensqualität, mehr Präsenz zu Hause in der Familie.

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