Startseite
Icon Pfeil nach unten
Donauwörth
Icon Pfeil nach unten

Hintergrund: Tanzhaus: Welche Rolle ein neues Gutachten bei der Abriss-Debatte spielte

Hintergrund

Tanzhaus: Welche Rolle ein neues Gutachten bei der Abriss-Debatte spielte

    • |
    Wird zum Zankapfel: das Donauwörther Tanzhaus. Ein aktueller Stadtratsbeschluss besagt, dass es abgerissen wird und an gleicher Stelle ein Neubau entstehen soll.
    Wird zum Zankapfel: das Donauwörther Tanzhaus. Ein aktueller Stadtratsbeschluss besagt, dass es abgerissen wird und an gleicher Stelle ein Neubau entstehen soll. Foto: Helmut Bissinger

    Eigentlich war zum Thema Tanzhaus alles entschieden. Der Stadtrat der alten Legislaturperiode stimmte vor der Kommunalwahl im März 2021 für eine Sanierung. Eine Vertagung bis nach die Wahl hatte das Gremium mit 12:12 Stimmen abgelehnt. Grundlage für die Entscheidung war damals die Machbarkeitsstudie des Ingenieurbüros Kandler. Das hatte eine Sanierung etwa drei bis vier Millionen Euro günstiger gesehen, als ein Neubau in gleicher Größe.

    Nach der Wahl und dem Wechsel im Amt des Oberbürgermeisters fand Ende September eine Klausurtagung der Stadträte statt. Damals ging es um eine Prioritätenliste, welche der zahlreichen Projekte in Donauwörth als erstes abgearbeitet werden sollen. Klare Aussage damals: Das Tanzhaus soll Vorrang vor der bereits beschlossenen Multifunktionshalle haben.

    Wie plausibel ist die Machbarkeitsstudie zur Sanierung des Tanzhaues in Donauwörth?

    Was aber wohl ebenfalls beschlossen wurde, bisher aber weniger öffentlich dargestellt wurde, ist folgendes: Die Machbarkeitsstudie des Ingenieurbüros Kandler sollte nochmals auf seine „Plausibilität“ geprüft werden. Damit, so heißt es, wollten die Mitglieder des neuen Gremiums Sicherheit gewinnen, dass sie mit der beschlossenen Sanierung und den anberaumten Kosten auch richtig liegen und, ob man die Pläne wie vorgestellt umsetzen könne. Diese Prüfung wurde an das Ingenieurbüro Städtebau vergeben und im Januar nicht öffentlich den Stadträten präsentiert. Das Ergebnis: Eine Sanierung wird teuerer, als die bisher veranschlagten 17 Millionen.

    Das Tanzhaus in Donauwörth - Hintergründe und Entscheidungen

    Das Tanzhaus in der Reichsstraße in Donauwörth wurde 1975 für 6,3 Millionen Euro gebaut.

    2013: Die letzten Ladengeschäfte in der Passage des Tanzhauses schließen. Im Oktober 2015 schließt das Restaurant im Tanzhaus seine Türen. Bis zum Juli 2016 ziehen sämtliche Mieter – Arztpraxis, Museum uund Wohnungsmieter – aus. Das Problem ist der Brandschutz. Damit steht das Tanzhaus komplett leer.

    Die Erwin Müller Group will das Tanzhaus im Jahr 2017 kaufen und sanieren. Die Pläne: Gastronomie und Geschäfte im EG, Büros und Stadtsaal im OG und Wohnungen im Maisonettstil in den oberen Stockwerken.

    Die Verhandlungen mit Erwin Müller verzögern sich, weil festgestellt wird, dass das Bestandsgebäude an mehreren Stellen von den Bauplänen aus dem Jahr 1973 sowie den Plänen einer Bestandsaufnahme aus dem Jahr 1983 abweicht. Das Gebäude sei – so hieß es damals von der Verwaltung – „zum einen in der Bauzeit von 1973 bis 1975 teils anders errichtet als genehmigt, zum anderen sind in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Umbauten und Einbauten hinzugekommen.“ Dies habe unter anderem Folgen für die Frage nach dem Bestandsschutz, insbesondere im Hinblick auf den Brandschutz. Das Tanzhaus gilt fortan als „problematisches Bauwerk“.

    Kurz vor Weihnachten 2018 scheitern die Verkaufsverhandlungen mit der Erwin Müller Group. Die Firma nimmt „aus wirtschaftlichen Gründen“ Abstand. Zudem seien die Sanierung der Tiefgarage und die Ertüchtigung des Brandschutzes sehr kostenintensive Vorhaben.

    Im Mai 2019 beschließt der Stadtrat die Grundlagen für die Machbarkeitsstudie: Das Tanzhaus soll einen Stadtsaal und die Tourist-Information mit Kulturbüro beherbergen. Die Idee der Musikschule und weiterer Ladengeschäfte werden verworfen.

    Im August 2019 ergibt ein statisches Gutachten, dass im Falle eines Brandes im Stadtsaal die Decke zur Tiefgarage einstürzen könnte. Diese wird daraufhin gesperrt.

    Im Falle eines Brandes würde die Decke des Stadtsaales nur 60 Minuten stand halten. Die herabfallenden Teile könnten dann die Decke der Tiefgarage einstürzen lassen.

    Seit 2019 wird der Stadtsaal gesperrt, da der Brandschutz nicht mehr den Vorgaben entspricht. Sechs Mal im Jahr dürfen Veranstaltungen mit maximal 400 Personen und Feuerwehr vor Ort den Stadtsaal nutzen. Eine Brandmeldeanlage ist in dem Haus nicht installiert.

    Im November 2019 wird die Machbarkeitsstudie präsentiert, die eine Sanierung mit einem Neubau vergleicht. Ergebnis ist folgendes:

    Sanierung mit Café und Tourist-Info, Toiletten im EG, Saal (312 Personen) mit Catering im OG und 24 Hotelzimmern oder Seminarräume im Dachgeschoss: rund 17 Millionen Euro, Bauzeit: 20 Monate. Die sanierte Tiefgarage hätte 38 Plätze;

    Neubau in gleicher Gebäudegröße und ähnlicher Raumaufteilung kostet etwa 20 bis 21 Millionen mit einer Bauzeit von 36 Monaten. Der Saal wäre für 350 Personen und die Tiefgarage hätte 42 Stellplätze.

    In der Stadtratssitzung vom 9. Dezember 2019 beantragt die EBD gemeinsam mit der SPD/BfD und der PWG/FW, dass die Entscheidung über das Tanzhaus in den neuen Stadtrat nach der Wahl verlegt wird und scheitert mit 12:12 Stimmen. OB Neudert stimmt dagegen und führt den Patt herbei.

    Am 27. Januar 2020 entscheiden die Donauwörther Stadträte mit 14:9 Stimmen gegen einen Abriss. Für eine Sanierung wird anschließend mit 15:8 gestimmt.

    Nahezu einstimmig wird die künftige Nutzung grob festgelegt: Im Tanzhaus soll ein moderner Stadtsaal für 200 bis 400 Personen im Obergeschoss entstehen. Im Erdgeschoss soll eine modernes Bibliothekskonzept mit integriertem Café platziert werden. Im vorderen Bereich soll die Tourist-Info und das Kulturbüro installiert werden. Einzelhandel, Musikschule und Hotel werden ausgeschlossen. Die Tiefgarage soll mit weniger Stellplätzen als bisher saniert werden, dafür Parkmöglichkeiten im Umfeld des Tanzhauses entwickelt werden. Die weitere Nutzung des Dachgeschosses ist noch festzulegen. Die Vertiefung des Nutzungskonzeptes wird dem neuen Stadtrat auferlegt.

    Im September 2020 geht der neue Stadtrat auf Klausur und beschließt die Machbarkeitsstudie auf Plausibilität zu prüfen. Die "Sanierung des Tanzhauses" steht auf der dort erstellten Prioritätenliste ganz weit oben.

    Im März 2021 entscheidet der neue Stadtrat mit knapper Mehrheit, dass das Tanzhaus doch abgerissen werden soll und ein kleineres an gleicher Stelle entstehen soll. OB Jürgen Sorré erklärt, er wolle den Neubau in dieser Legislaturperiode einweihen.

    Die Reaktionen in der Bürgerschaft sind teilweise hoch emotional. Eine Bürgerinitiative gründet sich und sammelt 1800 Unterschriften dafür, dass der Bürger über eine Sanierung oder Abriss abstimmt.

    Der Bürgerentscheid findet am 26. September 2021 zeitgleich mit der Bundestagswahl statt. Auch ein vom Stadtrat initiierter Entscheid steht zur Abstimmung. Das Ergebnis ist für ein Jahr bindend.

    Wie nah nun die Kalkulation zwischen Abriss/Neubau und Sanierung wirklich ist, will Michael Bosse, Fraktionssprecher der FW nicht sagen. „Das Gutachten wurde ja nicht öffentlich vorgestellt, deshalb dürfen wir nicht daraus zitieren“, so der Stadtrat, dessen Fraktion zusammen mit der EBD und den Bürger für Bürgern die neue Abstimmung – diesmal mit Ausgang Abriss am 27. März erwirkt hatte. Doch die Summen würde sich „deutlich geringer als bisher“ unterscheiden, so Bosse. Das Ergebnis sei eine der „fundamentalen neuen Erkenntnisse“ gewesen, das die Stadträte habe neu denken lassen. „Die neue Studie und die Pandemie, die einen zwingt, auf Dauer nachhaltiger zu bauen“, erklärt Bosse. Er hofft, dass Oberbürgermeister Jürgen Sorré die Plausibilitätsprüfung der Machbarkeitsstudie veröffentlicht und die Zahlen nennt.

    Der Neubau soll kleiner und günstiger werden, als eine Sanierung des alten Tanzhaues

    Folglich sei jetzt das beschlossene Ziel, ein neues und kleineres Tanzhaus umzusetzen. „Der Neubau muss günstiger werden als die Sanierung“, macht Bosse klar. „Denn jetzt haben wir die große Chance, dass wir nur das bauen, was wir wirklich brauchen“, sagt Bosse. Zudem sei auch der Betrieb eines kleineren Baus auf Dauer günstiger.

    Wegen des unzureichenden Brandschutzes ist auch die Tiefgarage im Tanzhaus nicht mehr nutzbar.
    Wegen des unzureichenden Brandschutzes ist auch die Tiefgarage im Tanzhaus nicht mehr nutzbar. Foto: Wolfgang Widemann

    Zur Erinnerung: Der aktuelle Bau, 1975 für 6,3 Millionen Mark gebaut, bescherte der Stadt jährlich ein Defizit zwischen 160.000 und 200.000 Euro – obwohl alles vermietet war. Diese Zahlen nannte 2019 der damalige OB Armin Neudert bei einer Bürgerversammlung.

    Michale Bosse und seiner Fraktion ist klar, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Bürgerbegehren steigt. Doch der Freie-Wähler-Chef wehrt sich gegen den Vorwurf, es gäbe kein Nutzungskonzept für das Tanzhaus (siehe Infokasten). Er fordert von der Stadtverwaltung einen Ablaufplan „samt roter Linie“ – also einen Zeitpunkt, bis wann ein Bürgerbegehren anlaufen könnte.

    Richtung CSU, die für eine Sanierung gestimmt hatte, sagt Bosse: „Die Union hatte viele Möglichkeiten im Vorfeld der neuen Abstimmung einzuhaken, und nicht reagiert. Wir haben im Ältestenrat mehrfach darüber gesprochen“, sagt Bosse. „Die CSU hatte nur darum gebeten, dass wir uns an das Ergebnis der Abstimmung akzeptieren – egal, wie es ausgeht. Ich denke, das gilt auch für die CSU selbst.“ Diese pocht bekanntermaßen auf ein Bürgerbegehren, nachdem ein von ihnen vorgeschlagenes Ratsbegehren abgelehnt worden war. Der Vorschlag für eine direkte Beteiligung der Bürger ist übrigens nicht neu. Bereits die Grünen und auch die Freien Wähler hatten dies schon vorgeschlagen – und scheiterte.

    Lesen Sie auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden