Startseite
Icon Pfeil nach unten
Donauwörth
Icon Pfeil nach unten

Geschichte: Als die Harburg auf wackeligem Fuß stand

Geschichte

Als die Harburg auf wackeligem Fuß stand

    • |
    Die B25 führt bei Harburg durch zwei Tunnel. Die beiden Betonröhren sind zusammen 312 Meter lang und wurden zwischen 1955 und 1957 gebaut. Der größere der beiden Tunnel führt genau unter der Burg hindurch.
    Die B25 führt bei Harburg durch zwei Tunnel. Die beiden Betonröhren sind zusammen 312 Meter lang und wurden zwischen 1955 und 1957 gebaut. Der größere der beiden Tunnel führt genau unter der Burg hindurch.

    Hält die Burg oder hält sie nicht? Diese Frage beschäftigte vor rund 60 Jahren nicht nur die Harburger, sondern vor allem die Arbeiter. Diese nämlich sprengten tausende Male im Burgberg, nur wenige Meter unter dem Kulturdenkmal, um einen Tunnel zu errichten. Der gebürtige Harburger Heinrich Lettenmeier war fast während der gesamten Bauzeit dabei. Als angehender Zeichner einer am Bau beteiligten Ingenieursfirma war er unter anderem damit betraut, eine Foto-Dokumentation anzufertigen. Die stellte er nun sechs Jahrzehnte später bei einer Veranstaltung im Rahmen des Harburger Kulturherbstes vor. Dieter Thiel digitalisierte die Fotos dafür.

    „Die damalige Verkehrssituation war schlicht gesagt eine Katastrophe. Deshalb gab der Freistaat Bayern auf Druck der US-Amerikaner in Auftrag, eine Ortsumgehung zu errichten“, erklärt der heute 81-Jährige. Bevor 1955 mit dem Bau an den beiden Tunneln begonnen wurde, machten die Straßenverhältnisse erfinderisch. „Die Amerikaner installierten sowohl in der Nördlinger, als auch in der Donauwörther Straße – also an beiden Enden der Altstadt – jeweils eine Ampelanlage. Per Telefon sprachen sie sich ab und regelten auf diese Weise den Verkehr“, erinnert sich Lettenmeier.

    Harburg unter besonderer Beobachtung

    Zunächst war zudem völlig unklar, wo die Ortsumgehung überhaupt entstehen sollte. Deshalb hätten Geologen nach einer geeigneten Trasse gesucht, berichtet Lettenmeier. Übrig blieb letztlich eine Strecke am rechten Wörnitzufer – also dort, wo heute die Bundesstraße 25 verläuft. „Geologen nahmen Kernbohrungen im Nordteil des Burgbergs vor und untersuchten den dortigen Weißjura“, sagt der Harburger.

    Was dann folgte, waren schwierige Vorarbeiten, wegen derer der Harburger Tunnelbau noch heute als großartig und einer der bedeutendsten Bayerns gilt. „Wir mussten die Felswand und -partie bis zur Kirche sichern. Es gab keine Zufahrtswege, keine Lagerflächen. Den Transport mussten wir meistens händisch vornehmen“, fasst Lettenmeier die schwierigen Umstände zusammen. Zudem habe man die Steilwand an der Donauwörther Straße abgeklopft und die Steine weggeräumt.

    Ein Hauptaugenmerk der Vorbereitungen lag auf der Harburg. „In ihren Gebäudeteilen wurden Seismografen aufgestellt, die die Erschütterungen von insgesamt sechs Versuchssprengungen maßen. Diese fanden zum Teil im Schlossbrunnen statt“, erklärt der 81-Jährige.

    Aufgrund der Messergebnisse gab es Sanierungen im Bereich des Schlosses und des Brunnens. Auch während der Bauarbeiten übernahmen die Seismografen eine wichtige Funktion: Denn jede der rund 15000 Sprengungen wurde registriert. Zudem habe man die Risse im Burggemäuer beobachtet.

    Risse bis zum Burgweg

    Zunächst begannen die Bauherren mit dem kleineren Tunnel, dem sogenannten Hölltunnel. Trotz einer eher geringen Länge von 56 Metern stießen die Arbeiter auf die nächsten Schwierigkeiten: „Zunächst mussten natürlich Büros, Toiletten, Wasch- und Wohnräume errichtet werden. Außerdem mussten wir sehr tief graben, um überhaupt baufähiges Material zu finden“, erinnert sich Lettenmeier.

    Auch die Untertagearbeiten waren mit Anstrengungen verbunden, wie er weiter ausführt: „Das abgetragene Material musste ja wieder abtransportiert werden. Das gelang nur über ein Förderband, das zu Muldenkippern führte.“ Schließlich galt es, einen passenden Portaltypen für das Eingangstor des Tunnels auszuwählen. „Dieses musste mit der romantischen Umgebung übereinstimmen, deshalb entschied man sich letztlich für ein Bastionsportal“, sagt der Experte.

    Nun begann für das Team die schwierigste Aufgabe der Baumaßnahme: der Burgtunnel. „Direkt zu Beginn der Bauarbeiten spürten wir einen erheblichen Gebirgsdruck und starke Bewegung. Es gab mehrere tiefe Risse, die sich bis zum Burgweg erstreckten. Diese haben wir beobachtet. Zum Glück haben sie sich von selbst weder beruhigt“, sagt der Harburger. Dennoch sei das Gewölbe vorsorglich verstärkt worden.

    „Die häufig wechselnden Bergarten, die äußerst schwierige Vorhersage der Gebirgsverhältnisse und die enorm große Verantwortung, dass direkt über uns die historische Harburg steht, machten das Vorhaben zu einem sehr schwierigen Bau“, resümiert er die widrigen Umstände in den 1950er-Jahren.

    Bei Sprengstoff verkalkuliert

    Wie aufwendig der Tunnelbau war, zeigen die Daten und Fakten, die Lettenmeier nennt: „12000 Kubikmeter Beton, 440000 Kubikmeter Aushub. Ein laufender Meter Tunnel kostete 9300 D-Mark.“

    Am 29. Mai 1957 war es soweit: Der offizielle Durchstich des Harburger Tunnels erfolgte. Dafür kam eigens der damalige Bayerische Innenminister August Geislhöringer, um die letzte Sprengung durchzuführen. Eine Geschichte, die laut Lettenmeier allerdings so nicht ganz richtig ist. Denn schon die vorletzte Sprengung habe zum Durchbruch geführt, da man sich bei der Menge des Sprengstoffs verkalkuliert habe. Für den Innenminister habe man anschließend den Durchschlag wieder zugeschoben.

    Rund sieben Monate später, im Dezember 1957, folgte die Verkehrsübergabe. Anschließend dauerte es noch einmal 15 Jahre, bis man auch das Märker-Werk umfahren konnte. Trotz der Schwierigkeiten während der Arbeiten blickt Lettenmeier zufrieden zurück: „In der Belegschaft hatten wir stets ein tolles Arbeitsverhältnis.“

    Mittlerweile wurde der Tunnel für mehrere Millionen Euro saniert, um die Sicherheit zu verbessern. Die installierte Technik umfasst unter anderem ein Notrufsystem, Ampeln, die im Falle eines Unfalls eingeschaltet werden können, und elektronische Verkehrszeichen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden