Sie waren mit dem Zug in München und feierten dort. Abends machten sie sich auf den Heimweg. „Maximal sechs Aperol-Spritz“ habe sie getrunken, sagt die 30-Jährige. Ihr fünf Jahre älterer Freund schätzt, dass er acht Bier intus hatte. Das Paar, das im Landkreis Dillingen lebt, hatte im Juni 2018 in Donauwörth einen Zwischenstopp, um in einen anderen Zug umzusteigen. Da hatten die Partner bereits richtig Stress miteinander.
Passanten verständigten die Polizei. Als die ankam, eskalierte die Situation endgültig. Das Paar, für das die Angelegenheit äußerst schmerzhaft endete, musste sich nun wegen mehrerer Delikte vor dem Amtsgericht in Nördlingen verantworten.
An jenen Abend in Donauwörth haben die Frau und der Mann nur noch lückenhafte Erinnerungen. „Ich war leider stark alkoholisiert“, sagt die 30-Jährige mit Tränen in den Augen, „es ging alles ganz schnell.“
Das Paar zoffte sich um etwa 22.30 Uhr im Bahnhof derart heftig, dass die Schreie über das ganze Gelände zu hören waren. Als eine Streife eintraf, packte der 35-Jährige seine Freundin gerade mit ausgestreckten Armen am Hals und drückte sie gegen die Wand in der Fußgängerunterführung unter den Gleisen. Die Beamten trennten die Streitenden und wollten von ihnen die Personalien. Die verweigerten dies aber und stritten auch munter miteinander weiter. Zwischendurch wollte die Frau ihrem Freund an die Gurgel.
Die Polizisten drohten mit Zwangsmaßnahmen, jedoch fruchtete auch das nicht. Stattdessen wurden sie mit Beleidigungen überzogen. Als der 35-Jährige deshalb festgenommen und mit Handschellen gefesselt werden sollte, stemmte er sich dagegen.
Frau schlägt Beamten mit Faust ins Gesicht
Das Vorgehen der Beamten empfand die ein paar Schritte entfernt stehende 30-Jährige als „grob“ – und ging zur Attacke über. Seitlich von hinten näherte sie sich, holte aus und schlug dem Polizisten mit der Faust ins Gesicht. „Ich hätte nicht gedacht, dass eine Frau zu so etwas fähig ist“, so ein als Zeuge geladener Kollege des Geschlagenen.
Der verlor das Gleichgewicht und riss die anderen beiden Männer mit um. Wohl dabei zog sich der 35-Jährige, so wird im Gericht bekannt, einen Knochenbruch am Bein zu, was aber der Betroffene erst am folgenden Tag merkte.
Noch während die Polizisten damit beschäftigt waren, dem jetzt am Boden liegenden 35-Jährigen die Handschellen anzulegen, attackierte seine Freundin erneut von hinten den inzwischen knienden Beamten. Der bemerkt dies rechtzeitig und wehrte die Frau mit einem Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht ab. Die Bewegung sei durchaus kräftig gewesen, gibt der 38-Jährige an, der beim ersten Angriff eine Prellung am Auge erlitten und sich das Knie verdreht hatte.
Ein offener Trümmerbruch am Kiefer
Die Frau blutete anschließend aus dem Mund, beschimpfte jedoch weiterhin die Polizisten und spuckte den 38-Jährigen sogar an. Auch zwei weitere Gesetzeshüter, die zur Verstärkung anrückten, beleidigte sie fortdauernd. Die offensichtlich verletzte 30-Jährige wurde ins Klinikum nach Augsburg gebracht. Dort stellte sich heraus, dass sie einen offen Trümmerbruch am Kiefer hatte. Sie musste noch in der Nacht notoperiert werden. Die Ärzte setzten drei Metallplatten ein.
Staatsanwalt Gregor Hohenadl hatte keinen Zweifel an den Schilderungen der Polizisten. Er forderte für die Frau wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Körperverletzung eine siebenmonatige Freiheitsstrafe zur Bewährung. Für den 35-Jährigen beantragte Hohenadl sechs Monate zur Bewährung wegen Beleidigung und Widerstand.
Anwalt hat Zweifel an der Darstellung der Polizisten
Daniel Mahler, Verteidiger der Angeklagten, hatte seine Zweifel an der Darstellung der Beamten, vor allem mit Blick auf die schwere Verletzung seiner Mandantin: „Ich halte es nicht für möglich, einen Abwehrschlag mit dieser Vehemenz auszuführen.“ Mahler hielt eine Geldstrafe von 900 Euro für angemessen.
Uwe Böhm, Anwalt des 35-Jährigen, erklärte, die Widerstandshandlung des Mannes sei im untersten Bereich anzusiedeln. Der Angeklagte sei „in diese Situation hineingeschlittert“. Es reiche eine Geldstrafe von 5600 Euro (140 Tagessätze).
Richterin Katrin Wegele folgte jedoch dem Staatsanwalt. Soll heißen: sieben Monate zur Bewährung plus 100 Stunden gemeinnützige Arbeit für die 30-Jährige und sechs Monate zur Bewährung plus 1000 Euro Geldbuße für ihren Freund. Der sei im Übrigen mehrfach vorbestraft, auch einschlägig.
Die Verurteilten entschuldigten sich ausdrücklich bei den Polizisten. Außerdem bat der 35-Jährige auch seine Freundin, mit der er noch immer zusammen ist, um Verzeihung: „Eigentlich ging es von mir aus, dass das alles angefangen hat.“