Es war letztlich die Fortsetzung eines Prozesses, der an anderer Stelle begonnen hatte: Kurz vor Weihnachten 2017 hatte ein heute 53-jähriger Mann unter Alkoholeinfluss die Tchibo-Filiale in der Donauwörther Reichsstraße überfallen und dabei 1800 Euro erbeutet. Der geständige Täter wurde bereits im Herbst 2018 verurteilt. Jetzt hat das Schöffengericht in Nördlingen festgestellt, dass er von drei Mittätern angestiftet worden war. Zwei Frauen sind in diesem Zusammenhang nun zu Haftstrafen verurteilt worden – die fielen härter aus als jene des Räubers.
Als die Vorsitzende Richterin Ruth Roser die beiden Frauen – es handelte sich um Mutter und Tochter – fragte, ob sie sich zu der Tat äußern wollten, war zweimal ein „Nein“ zu hören, so wie ein gemurmeltes: „Ich habe ja nichts gemacht.“ Dies sollte allerdings in einer gut siebenstündigen Sitzung widerlegt werden.
Wichtigster Zeuge war der eigentliche Räuber
Als wichtigster Zeuge geladen war der wegen eines anderen Deliktes weiterhin im Gefängnis einsitzende Räuber. Gleich zu Beginn seiner Aussage bestand der 53-Jährige darauf, seine aktuelle „Wohnadresse“ nicht laut sagen zu müssen – er hatte sichtlich Angst. Doch dazu später.
Wie der Mann äußerte, sei er zum Zeitpunkt der Tat am 12. Dezember 2017 schon einige Jahre mit den angeklagten Frauen sowie dem Ehemann der vor Gericht stehenden 36-jährigen Tochter bekannt gewesen. Man habe im Landkreis einst nebeneinander in einem Mietshaus gewohnt. Nachdem er länger nichts von dem Trio – der 56-jährigen Mutter, deren Tochter und dem Ehemann – gehört hatte, weil er sich auf einer Alkohol-Entwöhnungstherapie befand, hätten diese ihn wieder nach Donauwörth eingeladen.
Die Frauen stiften ihn zu dem Überfall auf Tchibo in Donauwörth an
Man kaufte gemeinsam Lebensmittel, darunter reichlich alkoholische Getränke, ein, und ließ den Bekannten auch in der Wohnung übernachten. Der sei froh um den Kontakt gewesen, er sei damals sehr einsam gewesen und habe Anschluss gesucht. Besonders die beiden Frauen seien stets freundlich zu ihm gewesen. Der Ehemann der Tochter jedoch habe bereits damals im Vorfeld in vielfältiger Weise Druck auf ihn ausgeübt, so der Zeuge. Der habe in jenen Wintertagen konstant einen hohen Alkoholpegel gehabt.
Auch berichtete der Mann, dass er gedemütigt worden sei; die Angeklagten hätten ihm unter anderen die Fingernägel lackiert, ihn „im Gesicht angemalt“. Und: Man habe sich Videos von Überfällen und Betrugsdelikten im Internet angesehen und erörtert, ob so etwas nicht auch in Donauwörth machbar wäre – „das war für mich Spaß“, so der 53-Jährige.
Die Frauen kundschaften die Filiale in der Reichsstraße aus
Doch daraus wurde um die Mittagszeit des 17. Dezember offenbar Ernst: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden Frauen den labilen Zustand des Suchtkranken ausnutzten und ihm eine Sturmhaube übergaben, zudem die Tchibo-Filiale in der Reichsstraße auskundschafteten. Die damalige Wohnung der Tochter befand sich nicht weit entfernt. Kurz vor Ladenschluss habe, so die Schilderung, die 36-Jährige mit dem Räuber vor der Filiale gewartet und ihn mit dem simplen Wort „jetzt!“ gedrängt, den Überfall zu begehen und das Geld aus der Kasse zu erbeuten.
Die Verkäuferin, die allein im Laden war, sagte ebenfalls in Nördlingen aus: „Geld her! Sonst murckse ich dich ab!“, habe der ganz in Schwarz gekleidete Täter geschrien. Er habe das Geld rasch aus der Kasse gekramt, die Verkäuferin sei dann, wie gefordert, in Richtung Tresor gegangen. Doch der Räuber verschwand eilends, zur Verwunderung der Verkäuferin. Diese sagte, sie sei nach wie vor traumatisiert, sie habe seit dem Überfall vor allem Angst im Dunklen. Im Nachklang aber habe ihr der Räuber einen Entschuldigungsbrief geschrieben sowie 300 Euro als Wiedergutmachung übergeben.
Der Täter flüchtet in die Donauwörther Wohnung der 36-Jährigen
Der 53-Jährige sei nach der Tat in die Wohnung der 36-Jährigen geflüchtet; diese habe ihm gemeinsam mit der Mutter den Weg gewiesen.
Dass der Räuber wirklich reuig war, stand indes für das Gericht fest: Gewissenskonflikte und eine niedrigere Hemmschwelle in Verbindung mit Alkohol ließen ihn einige Monate nach der Tat, weil er sich gerade in der Ausnüchterungszelle befand, eine Aussage bei der Polizei machen. Letztlich legte er sodann ein voll umfängliches Geständnis ab, weshalb er mit einem Jahr Haft davonkam. Verurteilt wurde er 2018 vom Amtsgericht in Augsburg.
Das Gericht wertet die Aussagen des 53-Jährigen als überzeugend
In der Folge kristallisierte sich für die Justiz die mögliche Mittäterschaft beziehungsweise die Anstiftung zur Tat durch andere immer stärker heraus. Der einsitzende Räuber nannte damals die Namen derer, die in Nördlingen angeklagt waren. Der Ehemann der 36-Jährigen saß allerdings in Haft, er war nicht anwesend. Dieser habe den sichtlich emotional erregten Zeugen und Räuber in der Zeit nach der Tat erpresst und bedroht; sogar die Rippen seien ihm gebrochen worden.
All das mag dazu beigetragen haben, reinen Tisch zu machen, wie vor Gericht herauszuhören war. Die beiden Verteidiger versuchten derweil, den Zeugen in Widersprüche zu verstricken, zweifelten Ungereimtheiten in Detailfragen an. Außer den Aussagen des 53-Jährigen gebe es keine stichhaltigen Beweise.
Dies jedoch überzeugte letzten Endes weder Staatsanwalt Michael Rauh noch das Schöffengericht. Sie werteten die Angaben des im Vorfeld geständigen Räubers als weitgehend überzeugend.
Mutter und Tochter waren in Donauwörth auch als Ladendiebe aktiv
Das Gericht hatte ferner über ein weiteres Delikt zu urteilen: Im Mai dieses Jahres haben Mutter und Tochter (beide weisen zahlreiche Eintragungen im Bundeszentralregister vor) in einem Geschäft in der Dillinger Straße in Donauwörth einen Kinderschlafanzug geklaut – Warenwert: zehn Euro.
Staatsanwalt Rauh forderte für die Mutter eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten, für deren Tochter zwei Jahre und fünf Monate.
Dem kam das Schöffengericht schließlich auch weitgehend nach: Es verurteilte die Mutter zu zwei Jahren Haft, die Tochter zu zwei Jahren und zwei Monaten – jeweils ohne Bewährung.
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