Als am 16. Oktober 2018 bekannt wurde, dass ein Narkosearzt an der Donau-Ries-Klinik in Donauwörth Patienten mit Hepatitis C angesteckt hat, da hatte auch Karin D. kurz den Gedanken, dass sie angesteckt worden sein könnte. Im Februar 2018 war sie in Donauwörth operiert worden. Das fiel in den fraglichen Zeitraum, in dem der medikamentenabhängige Arzt am Krankenhaus tätig war. Tatsächlich gehörte sie zu den 1741 Patienten, die einen Brief vom Gesundheitsamt erhielt und wurde getestet. Der Befund: negativ. Sie atmete durch, dachte nicht mehr darüber nach. Doch die Realität holte sie ein.
„Ich fühlte mich müde und erschöpft. Ich dachte, ich arbeite zu viel“, sagt die mehrfache Mutter. Bei einer Routineuntersuchung beim Hausarzt erhält sie schließlich die Diagnose: positiv auf Hepatitis C. „Ich war im Ausnahmezustand“, schildert die Donau-Rieserin. Die Diagnose habe ihr Leben und das ihrer Familie durcheinandergewirbelt. „Da ist plötzlich die Angst um das eigene Leben. Die Frage, wie es weitergeht und die Wut, dass mir das passieren muss“, schildert sie offen. Der erste Test habe wohl nicht angeschlagen, weil sie Bluttransfusionen erhalten hatte und ihr Immunsystem geschwächt war - so erklärten ihr es die Ärzte.
Im Donauwörther Krankenhaus mit Hepatitis C angesteckt
Die genaue Analyse belegt, dass ihr Virus den gleichen Genotyp aufweist, wie der des Narkosearztes. Ziemlich genau ein Jahr, nachdem der Skandal bekannt geworden war und alle anderen 62 Betroffenen ihren ersten Schock längst überwunden und die notwendig gewordene Therapie abgeschlossen hatten, steht Karin D. ganz am Anfang.
Sie recherchiert nach, was genau alles über die Infektionswelle und die Hintergründe berichtet wurde, sucht einen Arzt, der sie überhaupt behandelt, und vor allem sucht sie den Kontakt zu anderen Opfern. Das alles gestaltet sich aufwendig. 2018, nach Aufkommen des Skandals, gab es Informationsabende in Donauwörth und Nördlingen, die Hepatitishilfe aus Nürnberg vermittelte Beratung und Ärzte, es war einfach, Andere zu treffen, die ebenfalls betroffen sind. „Ich war viel später dran und nur auf mich gestellt“, sagt D.
Die Hepatitis-C-Therapie hatte starke Nebenwirkungen
Und dann die Therapie. „Mir war kotzübel, ich habe meine Hände und Füße nicht mehr gespürt und hatte ständig Druck auf den Ohren“, beschreibt sie ihren Zustand. Weil sie nicht mehr kann, bricht sie die Tablettenkur ab. „Aber es gibt keine Alternative zu dieser Behandlung. Ich musste durch. Es war für mich die Hölle.“
Ein echter Tiefschlag folgte. Auch ihr Sohn wurde positiv auf Hepatitis C getestet. Sie musste befürchten, ihn angesteckt zu haben. Erst ein zweiter Test drei Monate nach der Diagnose machte klar, dass sie falsch war. „Aber es bleibt präsent, dass ich andere vielleicht anstecken könnte“, sagt D. Daran denkst sie, wenn sie sich schneidet, ihr Sohn vom gleichen Strohhalm trinken will oder sie wegen einer ganz anderen Sache zu Arzt geht – „Du hast den Stempel Hepatitis C und der bleibt dir“, ist sie sich sicher. Mittlerweile hat sie von der Versicherung des Krankenhauses Schmerzensgeld erhalten. „Das Geld ist mir egal. Mir wäre es lieber, das Ganze wäre mir gar nicht passiert“, sagt Karin D.
Was bleibt ist die Wut
Sie ist wütend. Wütend auf den Arzt, der sie infiziert hat. Auf das Krankenhaus, in dem niemand gemerkt haben will, dass der Narkosearzt medikamentenabhängig und damit eine Gefahr für die Patienten war. Der die Patienten in einer Situation ansteckt, in der sie sich eh schon verwundbar fühlten. „Die ganze Geschichte hat mir das Grundvertrauen in die Ärzte genommen. Das wird mich immer begleiten.“
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