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Donauwörth: Ein Gottesdienst in Corona-Zeiten

Donauwörth

Ein Gottesdienst in Corona-Zeiten

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    „Platz für die Kinder Gottes“ – freundlich und vielsagend haben Mitarbeiter der evangelischen Gemeinde in Donauwörth die Platzmarkierungen gestaltet. Auch in den Kirchen heißt die Devise derzeit leider: „Abstand halten.“
    „Platz für die Kinder Gottes“ – freundlich und vielsagend haben Mitarbeiter der evangelischen Gemeinde in Donauwörth die Platzmarkierungen gestaltet. Auch in den Kirchen heißt die Devise derzeit leider: „Abstand halten.“ Foto: Thomas Hilgendorf

    Wann hatte man das in der Kirche schon mal erlebt? Dass die Verantwortlichen in den Gotteshäusern hoffen müssen, dass nicht zu viele Menschen am Sonntag in die

    Gestern um 9.29 Uhr kann man aufatmen in der Donauwörther Christuskirche. Die Glocken läuten, die Haupttür wird geschlossen, 30 Gläubige haben sich verteilt auf die markierten Plätze in dem evangelischen Gotteshaus. 50 hätten es wegen all der Auflagen höchstens sein dürfen, viele sind wohl aus Vorsicht nicht gekommen. Es sind eher die Älteren, die fehlen.

    Kantor Hans-Georg Stapff beginnt mit dem imposanten Orgelspiel. Es mag sich vieles wie gewohnt anhören, so als wäre es ein Sonntag wie immer. Doch es ist das erste Gottesdienstwochenende nach der fast zweimonatigen Pause aufgrund der Corona-Pandemie. Einer Pause, die es so wohl noch nie gegeben hat. Es sind Gottesdienste mit hohen Auflagen, die gestern fast flächendeckend in der Region wieder stattfinden durften.

    Gesangbücher werden bei dem Gottesdienst nicht ausgegeben

    Schon vor Beginn der Feier wird deutlich, dass einiges anders ist als sonst. Wo sonst die Menschen in Grüppchen noch ein wenig draußen zusammenstehen und sich unterhalten, gehen die Menschen nun rasch und zielgerichtet zum Eingang, wo die Hände erst einmal von ehrenamtlichen Helfern aus der Gemeinde eine kleine Desinfektionsdusche bekommen. Ebenso wird ein Blatt verteilt, auf dem die Lieder, der Predigttext und einige Informationen zur speziellen Lage vermerkt sind. Die Gesangbücher werden heute nicht ausgegeben, Stichwort: Schmierinfektion. Die Begriffe, die früher nur bei Ärzten, Pflegern und Sanitätern zum Sprachgebrauch gehörten, haben längst Einzug in den Alltag der Menschen gefunden – man muss sie niemandem mehr erklären nach über zwei Monaten Corona.

    Gottesdienst darf höchstens 60 Minuten dauern

    Renate Plettkes Augen blicken freundlich über den oberen Rand des hellblauen Mundschutzes herüber. Sie ist im Kirchenvorstand der evangelischen Gemeinde und zeigt den Besuchern die markierten Plätze. „Platz für die Kinder Gottes“ ist dort auf grünen Zetteln vermerkt. Die Menschen halten sich diszipliniert und kommentarlos an die neuen Regeln, sie sind sie aus anderen Bereichen längst gewöhnt, wie es scheint. Plettke freut sich auf den Neubeginn nach der ersten, plötzlich hereingebrochenen Corona-Phase mit dem rigiden Shutdown auch für Gottesdienste seit dem 15. März. Der jetzige Kompromiss, eine abgespeckte Feier samt einer Höchstdauer von 60 Minuten mit wenig Gesang, er sei allemal besser als nichts. „Ich habe den Gottesdienst wirklich vermisst“, sagt sie.

    Pfarrerin Elke Dollinger hält den historischen ersten Gottesdienst unter den nun verschärften Bedingungen. Sie kann sich in einem weiten Radius umsehen in der Kirche, nicht etwa, weil heute so viele da sind, sondern weil die Besucher auffällig verteilt sitzen. Immer außen an den Bänken sind erlaubte Sitzplätze, zwei Bankreihen dazwischen werden wegen der Abstandsvorgaben der Regierung freigehalten.

    Dollinger erklärt sodann, warum sie keine Maske trägt: Der Abstand zur Gemeinde vorne am Altar reiche aus, ferner sei sie froh um die Mundschutzbefreiung, schließlich wäre das Predigen sonst wesentlich anstrengender. Trotz aller aktuellen Widrigkeiten, man merkt der Pfarrerin die Freude an: „Dieser Gottesdienst ist ein Geschenk nach den Beschränkungen“, sagt sie. Es sei kaum zu fassen – endlich mal wieder ein „Gottesdienst live“, wenn auch mit wenig Gesang am Sonntag „Kantate“, dem lateinischen Begriff für das freudigen Singen zum Lobe Gottes. Kantor Stapff stimmt ein Lied an, mit Gitarre und Mundschutz, die Gemeinde solle zumindest den Refrain mitsingen.

    In der Predigt erklärt Pfarrerin Dollinger die Besonderheit des Singens gerade in schwierigen Zeiten, die Wichtigkeit dieses Gottesgeschenks der Musik, deren Charakter der Erbauung: Mithilfe der Musik könne der Mensch das Schöne sogar in schweren Momenten erleben, wunderbare Bilder der Erinnerung und der Hoffnung im Inneren spüren: „Musik kann in einer Krise den Mut stärken.“ Tatsächlich wünscht man sich viele schöne Momente von früher für jetzt herbei, nun, wo alle ständig mit Mundschutz unterwegs sind und im Mitmenschen oft eher eine Gefahr als ein Kind Gottes sehen.

    Die Besucher in der Kirche sehnen andere Zeiten herbei

    Die Feier, die Lieder, die wahren Worte Gottes, sie zeigen irgendwie auch, mitten in dieser seltsamen Zeit: Gott hat eigentlich mehr für die Menschen vorgesehen als diese irdischen Plagen – es wird auch wieder ein Danach, andere Zeiten geben. „Gott ist größer“ lautet denn auch die zentrale Botschaft gegen all die aktuellen Widrigkeiten. Andere Zeiten sehnt hier jeder herbei, mit dem man ins Gespräch kommt. Renate Plettke sagt nach dem Gottesdienst, es sei „schön, aber anders gewesen“. Sie könne sich nur schwer daran gewöhnen, dass die Devise jetzt „Abstand“ laute – wo doch das Zusammenkommen und Beieinandersein gerade für Christen so grundlegend sei. Einiges sei anders gewesen: Die Menschen seien eher isoliert voneinander da gewesen, man hätte viel weniger miteinander gesprochen als sonst. Das wird sich wieder ändern, am Ende wird alles gut – auch wenn man sich vieles vielleicht nicht erklären kann momentan. Die Hoffnung will hier niemand verlieren in der Christuskirche in Donauwörth.

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