Es war 12.30 Uhr, das weiß Levent Weiss noch ganz genau. Um diese Uhrzeit erreicht ihn vor rund einem Jahr die Nachricht, dass Deutschland mit Ausgangssperren und geschlossenen Geschäften die Ausbreitung des Coronavirus verhindern wolle. „Eine halbe Stunde später haben uns die Kunden den Laden eingerannt“, erzählt der Leiter der Donauwörther Filiale der Baumarktkette Toom. Als Deutschland dichtmacht, ist das für viele Menschen ein Nackenschlag. Plötzlich ist ungewiss, wo die Einnahmen der kommenden Wochen herkommen sollen. Doch nach Geldnot klingt die Szene, die Weiss aus seinem Baumarkt beschreibt, nicht. Und tatsächlich: Viele erleben in der Pandemie eine ganze Reihe von Krisen und Problemen. Geld ist oft keines davon. Das zumindest sagen die Zahlen. Auch in Donauwörth und der Region ist das zu spüren.
Der Deutschen Bundesbank zufolge ist das Geldvermögen der privaten Haushalte bundesweit im Laufe des Jahres 2020 um rund fünf Prozent und über 300 Milliarden Euro gewachsen. Das deckt sich mit den Eindrücken von Lothar Lechner, Gebietsdirektor der Sparkasse Donauwörth. Während die Pandemie und der Lockdown viele Menschen um ihre Einnahmen bringen, weil Geschäfte schließen oder Angestellte in Kurzarbeit mussten, gibt es auch diejenigen, deren Geschäft weiterläuft, für die die Krise nichts am Lohn verändert. Und die so am Ende des Monats gar mehr Geld auf dem Konto haben – weil sie es sparen, statt es im Urlaub oder in der Freizeit auszugeben. Was machen die Menschen in der Region damit? Und sind die Ersparnisse eine Hoffnung für all die, die gerade die Wirtschaftskrise hautnah spüren?
Ersparnisse aus Corona-Zeiten: In Donau-Ries investieren viele in Immobilien
In der Pandemie sei bei vielen das Sicherheitsbewusstsein stärker zu spüren, sodass die Kunden ihr Erspartes besonders gerne in Immobilien stecken, sagt Sparkassen-Direktor Lechner. „Das ist eine Entwicklung, die wir schon vor Corona wahrgenommen haben und die sich verstärkt hat.“ Immobilien seien als Anlage beständiger als etwa Aktien.
Aber auch in diese investieren einige in der Krise. „Vor allem zu Beginn der Pandemie hatten wir fallende Kurse“, sagt Lechner. „Diese haben sich mehr als gefangen, für viele Anleger hat sich das so gelohnt.“ Dass die Pandemie das Konsumverhalten der Menschen groß verändert habe, könne er jedoch nicht feststellen. Und so werde sich auch nach der Pandemie wohl wenig ändern. Viele Branchen hoffen indes darauf, dass Kunden genau dann all das nachholen, was ihnen gerade entgeht.
„Die Freude der Menschen wird riesig sein“, sagt Markus Sommer, der Vorsitzende des City-Initiative Donauwörth, einer Vertretung der Einzelhändler in der Stadt. Er erwartet deshalb einen großen Andrang, einiges von dem Ersparten könnte in den Geschäften wieder ausgegeben werden. „Zumindest, solange das nicht schon online passiert ist“, sagt er. Ob ein kurzes Hoch in den Innenstädten der Region nachhaltig sein wird, „sei dahingestellt“. An Konzepten, bald sicher öffnen zu können, arbeite die Initiative deshalb.
Gastronomen hoffen, dass Gäste nach der Pandemie wieder Lust auf Konsum haben
Die Gastronomen indes wissen, dass ihre Verluste aus den vergangenen Monaten nicht zu kompensieren sind. „Das wird nicht passieren“, sagt Robert Heinrich, der im Donauwörther Ried das Café La Kami betreibt und Sprecher der Wirte in der Stadt ist. „Essen und Trinken kann man nicht nachholen.“
Denkbar sei deshalb, dass die Preise in Restaurants und Kneipen nach der Krise steigen könnten und die Wirte auf die Solidarität all derer bauen, die ihr Geld gerade zusammenhalten können. Heinrich ist sicher, dass die Gäste sich auf Genuss und die Freiheit freuen, sobald die Pandemie ihnen das nicht mehr verwehrt. Und hofft, dass sie das im Sommer vor allem zu Hause tun.
Das würde zu dem Trend passen, den der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft in der Krise ausgemacht hat: Kunden setzen verstärkt auf Bio-Lebensmittel, Produkte aus der Region gewinnen an Bedeutung.
Lebensmittel aus der Region und Baumärkte profitieren von Corona
Anna Landes kann das bestätigen. Sie ist Chefin eines Hofladens in der Nähe von Donauwörth. Schon länger sei die Nachfrage am Hof gestiegen, besonders im vergangenen Jahr habe sich die Entwicklung beschleunigt. „Ich habe den Eindruck, viele haben sich mehr damit befasst, was sie essen und wo das herkommt“, sagt sie. Auch als Lieferant für die Gastronomie laufe das Geschäft weiter. „Unsere Geschäftskunden kommen mit der Situation gut zurecht“, sagt sie. Immer wieder zeigt sich, dass die Krise viele dazu bringt, sich umso stärker mit der eigenen, unmittelbaren Umgebung auseinanderzusetzen. Womit wir wieder im Baumarkt wären, bei Levent Weiss und einer Schlange kurz vor dem ersten Lockdown, die durch den halben Laden ging.
In kaum etwas steckten die Deutschen 2020 so viel Geld wie in Heim und Garten. Ein Umsatzplus von neun Prozent gibt der Industrieverband Garten an. Aktuell funktioniere das System sehr gut, Waren online zu bestellen und im Markt abzuholen, sagt Filialleiter Levent Weiss. Und nach dem ersten Lockdown sei der Andrang im Geschäft so groß gewesen, dass etwa Pools für Wochen nicht mehr lieferbar waren. „Die Leute lassen das Geld in den eigenen vier Wänden“, fällt Weiss auf.
So ergaben sich auch Arbeitsplätze, die Filiale stockte das Personal auf, stellte Aushilfen und Teilzeitkräfte ein. Dass sich ein solches Geschäftsjahr wiederholen lässt, davon geht Weiss nicht aus. Wenn es wieder geht, werde viel Geld auch wieder woanders investiert, sagt er. „Wir alle machen gerne Urlaub.“
Lesen Sie auch:
- Ab Mittwoch gilt die Notbremse im Landkreis Donau-Ries
- K&L in der Donauwörther Innenstadt macht zu
- Dritter Lockdown im Donau-Ries: Händler über ihre Wut und ihren Frust