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Donau-Ries: Razzia in Ferkelzucht-Betrieben: So sieht es in den Ställen aus

Donau-Ries

Razzia in Ferkelzucht-Betrieben: So sieht es in den Ställen aus

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    Blick in eine Box mit 30 Ferkeln im neuen großen Stall.
    Blick in eine Box mit 30 Ferkeln im neuen großen Stall. Foto: Wolfgang Widemann

    Als die Tür zu dem Stall auf dem Reichertsweiler Hof geöffnet wird, ist aus den Metallgittern und den kniehohen Trennwänden nur vereinzelt ein Grunzen zu hören. Die meisten der rund 150 Muttersauen liegen auf der Seite und dösen vor sich hin, die Ferkel saugen gierig an den Zitzen, tummeln sich an kleinen Trögen oder liegen in den jeweils fünf Quadratmeter großen Boxen ebenfalls entspannt auf dem grünen, beheizten Kunststoffboden. „Schweine wollen Ruhe“, sagt der Mann im Overall. Es ist der Geschäftsführer und Betriebsleiter der Firma Straathof-Strehle, des größten Ferkelerzeugers Bayerns.

    Der ist ins Visier von Tierschützern und Behörden geraten – erst recht, nachdem die zuständigen Stellen in einem anderen Betrieb des Straathof-Konzerns in Sachsen-Anhalt auf derartige Missstände stießen, dass sie den aus den Niederlanden stammenden und europaweit tätigen Adrianus Straathof mit einem Tierhaltungsverbot belegten. Dieses ist zwar inzwischen von einem Gericht wieder aufgehoben worden, der Rechtsstreit läuft aber weiter.

    Derweil sehen sich die leitenden Mitarbeiter der Straathof-Strehle GmbH, die ihre Betriebsstätten am Reichertsweiler Hof (Stadt Donauwörth) und auf Gut Sternbach (Gemeinde Amerdingen) hat, mit einem Strafverfahren konfrontiert, das aus einer Kontrolle im Dezember 2014 resultiert. Den vier Männern werden Verstöße gegen das Tierschutzgesetz vorgeworfen. Es folgte vor gut zwei Wochen eine Durchsuchungsaktion in noch nie dagewesenem Ausmaß. Rund 100 Einsatzkräfte nahmen an den beiden Standorten jedes der rund 25000 Tiere in Augenschein. Die weiteren Überprüfungen laufen.

    Strafverfahren gegen leitende Mitarbeiter der Straathof-Strehle GmbH

    Der Geschäftsführer und sein Kollege, der als technischer Betriebsleiter agiert, sind die Verantwortlichen vor Ort. Sie verhehlen nicht, dass ihnen die Vorgänge der vergangenen Wochen und Monate zugesetzt haben. Auch im privaten Bereich seien die Auswirkungen zu spüren. Deshalb wollen die beiden Männer auch nicht, dass ihr Name in der Zeitung erscheint. Aber sie wollen reden. Reden über ihre Arbeit und die Probleme, die sich bei den Kontrollen auftun. „Wir haben nichts zu verbergen“, sagt der Geschäftsführer.

    Der Agrartechniker ist seit 22 Jahren auf dem Reichertsweiler Hof tätig. So erlebte er auch mit, wie der Betrieb vor einigen Jahren in finanzielle Schieflage geriet. Man habe entschieden, die Ferkelerzeugung neu auszurichten. Dies geschah auch vor dem Hintergrund, dass 2013 eine neue Tierschutzverordnung in Kraft trat, durch welche die Tiere mehr Platz bekamen und technische Änderungen nötig wurden. Die Ferkelerzeuger aus Nordschwaben sprachen mit mehreren möglichen Investoren – und gingen am Ende auf Adrianus Straathof zu. Der habe sich als „loyalster Partner“ herauskristallisiert.

    Straathofs Einstieg sei für den Betrieb, der seitdem den Namen Straathof-Strehle hat, nur positiv gewesen: „Es ist alles besser geworden.“ Man habe den neuen großen Stall gebaut und den Tierbestand komplett „saniert“. Soll heißen: Alle Tiere raus, alles gereinigt und desinfiziert und dann die Ferkelproduktion mit neuen, genetisch verbesserten Sauen wieder hochgefahren. Die geben dem Betriebsleiter zufolge mehr Milch, und die Ferkel haben ein höheres Geburtsgewicht. „Wir brauchen viel weniger Impfstoffe und Antibiotika“, berichtet der Betriebsleiter.

    Betriebsleiter: "Wir arbeiten verantwortungsbewusst"

    Die Folge: „Die Schweinemäster, die wir beliefern, bekommen viel gesündere Tiere.“ Kunden von Straathof-Strehle seien zu über 90 Prozent Familienbetriebe in den Landkreisen Donau-Ries, Dillingen, Augsburg und Aichach-Friedberg. „Straathof schiebt in unserem Raum Kapital rein, damit bei uns Regionalität betrieben werden kann“, sagt der Geschäftsführer. Er betont, dass sich Adrianus Straathof, der sich mittlerweile aus dem LFD-Konzern zurückgezogen hat, zu dem die Firma im

    „Wir arbeiten verantwortungsbewusst“, versichert der Betriebsleiter. Dass man mit den Tieren gut umgehe, zeige auch die Statistik. Im Abferkelstall, wo die Säue ihre Jungen bekommen – diese bleiben 24 Tage bei den Muttertieren –, liege die Verlustrate bei den Ferkeln bei 7,5 Prozent. Auf allen Höfen im Freistaat überlebten durchschnittlich 13 Prozent der Ferkel diese Phase nicht. Wenn die kleinen Schweine von der Mutter getrennt werden und die siebenwöchige Aufzucht durchlaufen, überständen dies bei der Straathof-Strehle GmbH 1,3 Prozent der Ferkel nicht. Bayernweit seien es 2,5 bis 3 Prozent.

    „Wir haben genauso viel Personal pro Sau wie ein Familienbetrieb“, stellt der Geschäftsführer klar. Die Zahl der Tiere sei am Reichertsweiler Hof zwar hoch, die Schweine würden aber nicht anders gehalten wie in Familienbetrieben. So besteht der neue Stall aus 14 voneinander getrennten Abteilen. In jedem befinden sich 20 jeweils gut zehn Quadratmeter große Boxen, die von kniehohen Wänden umgeben sind. In einem solchen Abschnitt werden jeweils 60 Ferkel gehalten. Nach 10 bis 14 Tagen wird die Zahl halbiert.

    „Die Betreuung bei uns ist sogar besser als in kleineren Betrieben“, glaubt der Agrartechniker. Schließlich seien die Mitarbeiter am Reichertsweiler Hof täglich von 5 bis 22 Uhr in den Ställen. Kranke oder verletzte Tiere würden in sogenannte Krankenbuchten gebracht, behandelt und beobachtet. „Wir kämpfen um jedes Tier“, sagt der Betriebsleiter.

    Kontrolleure beanstanden Gesundheitszustand von Ferkel und Sau

    „Bei 20.000 Tieren können nicht alle 20.000 gesund sein“, fügt der technische Leiter hinzu. Womit wir bei den Großkontrollen durch die Behörden wären. Die hätten bei der Durchsuchungsaktion kürzlich ein einziges Tier gefunden, das mit einer alten, bereits eitrigen Wunde im Stall gestanden sei: „Das haben wir übersehen, weil es sich unauffällig verhielt.“ Alle anderen Tiere, welche die Veterinäre beanstandet haben, seien „Diskussionssache“. Die Ferkel hätten zwar eine gesundheitliche Einschränkung gehabt, aber normal fressen können und seien in der Gruppe integriert gewesen.

    Nun habe man sich aufklären lassen müssen, dass solche Ferkel laut Tierschutzgesetz notgetötet und entsorgt werden müssen. „Das wurde noch nie so scharf gesehen“, erklärt der Betriebsleiter. Auch der Zustand zweier Jungsauen habe den Kontrolleuren nicht gefallen. Die Tiere seien am Vorabend geliefert worden. Man habe sie bereits über Nacht getrennt untergebracht. Am folgenden Morgen seien dann die Veterinäre aufgetaucht.

    Was die Verantwortlichen der Firma Straathof-Strehle beschäftigt: „Um unter den 10000 Ferkeln im neuen Stall fünf zu finden, die beanstandet werden, haben wir 50 tote Tiere gebraucht.“ Für so viele habe nämlich der Stress, den die Kontrolleure verursacht hätten, diese fatale Folge gehabt. Weitere 34 Ferkel hätten sich Verletzungen zugezogen.

    Selbstverständlich werde man alle Anordnungen und Auflagen durch die Behörden erfüllen, versichern die Männer. Ein Punkt sei dabei die Größe der Kastenstände, in denen sich die Muttersauen befinden, wenn sie besamt worden sind und wenn sie Junge bekommen haben. Insgesamt 28 Tage pro Zyklus werden die Sauen so gehalten. Unter Fachleuten sei umstritten, welche Breite der Metallkonstruktion am sinnvollsten ist. Alle Sauenhalter in Deutschland seien mit dieser Problematik konfrontiert.

    Die Manager der Firma Straathof-Strehle sind nach eigenen Angaben in ständigem Kontakt mit den Veterinären des Landratsamts. Auch an diesem Tag, direkt nach dem Besuch unserer Zeitung, steht wieder ein Gespräch an.

    Der technische Leiter der Straathof-Strehle GmbH äußert nach all den Vorkommnissen folgenden Wunsch: „Wir hoffen, dass die Verhältnismäßigkeit wiedergefunden wird.“

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