Es begann mit einer anonymen Anzeige bei der Polizeiinspektion Rothenburg. Demnach soll eine im Donau-Ries-Kreis angesiedelte Firma, die Lebensmittel produziert und vertreibt, ihre Ware systematisch mit überladenen Lastwagen transportieren. Die Verkehrspolizei in Donauwörth übernahm den Fall, erwirkte im Herbst 2019 einen Durchsuchungsbeschluss, stellte kistenweise Geschäftsunterlagen sicher und wertete diese aus. Ergebnis: In den drei vorangegangenen Monaten – nur dieser Zeitraum ist rechtlich relevant – ließen sich auf Abrechnungen und Wiegescheinen fast 500 Lkw-Fahrten mit mehr Ladung als erlaubt nachvollziehen. Diese Verstöße mündeten in ein Verfahren, mit dem der Gewinn abgeschöpft werden soll, den die Firma durch ihr illegales Verhalten gemacht hat. „Einziehung des Wertes von Taterträgen“ lautet die juristische Bezeichnung. Dieses Vorgehen praktiziert der Staat seit einigen Jahren verstärkt. Dabei geht es um viel Geld. So auch im vorliegenden Fall.
Der Firmenchef erhielt einen Bescheid über gut 123.000 Euro. Diese Summe will der 62-Jährige nicht akzeptieren. Er legte Einspruch ein. So landete die Sache nun vor dem Amtsgericht Nördlingen.
Fahrten zwischen den Niederlassungen: Fast alle Lkw überladen
Der zuständige Sachbearbeiter der Verkehrspolizei erläuterte die Erkenntnisse aus den Ermittlungen. Besonders der Bereich der internen Touren sei negativ aufgefallen. Damit gemeint seien vor allem Fahrten zwischen den einzelnen Niederlassungen des Unternehmens, die über Bayern verteilt sind: „Die waren fast nur überladen.“ Die Touren hätten hauptsächlich zu Zeiten stattgefunden, in denen das Risiko einer Verkehrskontrolle geringer sei, also zum Beispiel nachts. Mancher 40-Tonner habe das zulässige Gesamtgewicht um mehr als 20 Prozent überschritten.
Was der Polizei ebenfalls ins Auge stach: Bei der Auslieferung an Kunden seien die Lkw „durchgehend zwischen zwei und fünf Prozent überladen gewesen“. Allein auf diesem Geschäftsfeld seien über 200 Fahrten ausgewertet worden. Der Beamte folgerte daraus, dass die Überladung „genau so hingedeichselt“ worden sei, dass – sollte ein Fahrer erwischt werden – es bei bis zu fünf Prozent Überladung bei einem Verwarnungsgeld bleibe und zu keinem Bußgeldverfahren komme.
In diese Richtung ging auch die ein oder andere Aussage von Fahrern, welche die Gesetzeshüter im Zuge des Verfahrens vernommen haben. Einer erklärte laut Richter Nicklas Pfeil, der Geschäftsführer habe gesagt, grundsätzlich sei so zu laden, dass ein Gesamtgewicht von 41,88 Tonnen stehe.
Was dem Sachbearbeiter noch auffiel: Das Gewicht der Lastwagen von anderen Firmen, die bei den Betrieben des Beschuldigten Ware abholten oder anlieferten, sei fast ausnahmslos in Ordnung gewesen.
Am Ende fließen 227 Touren der Firma im Donau-Ries-Kreis in das Verfahren ein
Die Verkehrspolizei stellte in der Folge die Verfahren gegen die Fahrer ein und konzentrierte die Vorwürfe auf den Geschäftsführer. Die Beamten errechneten aus den fast 500 Überladungen anhand der sogenannten „Kostenschätzung Güterverkehr Straße“ (KGS), in der die durchschnittlichen Frachtsätze Menge und Kilometer dargestellt sind, eine mögliche Gewinnabschöpfungssumme von mehr als einer halben Million Euro. Die zentrale Bußgeldstelle nahm aus Gründen der Rechtssicherheit die geringeren Verstöße heraus. So flossen am Ende 227 Touren mit Überladung in das Gewinnabschöpfungsverfahren ein.
Geschäftsführer der Firma hält die Summe von 123.000 Euro für übertrieben
Den daraus resultierenden Betrag von gut 123.000 Euro hielt der Unternehmer in der Verhandlung für völlig überzogen: „Die Berechnung kann nicht stimmen.“ Die Frachtsätze in der Branche seien viel niedriger und lägen bei etwa einem Viertel, also in den vorliegenden Fällen bei etwa 30.000 Euro. Und überhaupt: Er sei sich keiner Schuld bewusst, so der 62-Jährige. Alle Fahrer der Firma, die einen Jahresumsatz von rund 20 Millionen Euro erwirtschafte, würden mündlich und schriftlich darauf hingewiesen, dass die Straßenverkehrsordnung einzuhalten sei. Kurz vor den besagten Fahrten habe nochmals eine Belehrung stattgefunden.
Außerdem machte der Geschäftsführer geltend, dass nicht immer die Möglichkeit bestehe, den Lkw vor Antritt der Tour zu wiegen. Für die Fahrer sei es angesichts der Beschaffenheit der landwirtschaftlichen Fracht schwierig, das Gewicht richtig einzuschätzen. Dieses könne pro Ladung um sechs bis acht Tonnen schwanken.
Zudem schilderte der 62-Jährige, sich 2018/19 in einer schwierigen Situation befunden zu haben. Durch Streitigkeiten im persönlichen Bereich sei die Firma finanziell unter Druck geraten. Ein neuer Disponent, den er eingestellt habe, sei zwar kaufmännisch auf der Höhe gewesen, habe sich „bezüglich des Lkw-Verkehrs schwergetan“.
Richter bietet eine gewisse "Rabatt-Bereitschaft" an
Richter Pfeil warf ein, selbst wenn es im Betrieb chaotisch zugehe, müsse der Geschäftsführer „Vorsorge tragen, dass alles in Ordnung ist“. Für eine Bestrafung reiche grundsätzlich bereits Fahrlässigkeit aus. Der Richter bot hinsichtlich der Abschöpfungssumme eine gewisse „Rabatt-Bereitschaft“ an, nicht aber eine Reduzierung auf 30.000 Euro.
Der Geschäftsführer blieb auf seinem Standpunkt und ließ sich auch von seinem Verteidiger nicht davon abbringen. Deshalb soll nun ein unabhängiger Sachverständiger die Frachtkosten berechnen. Bis das Gutachten vorliegt, setzte Pfeil das Verfahren aus.
Lesen Sie auch:
- Häftling der JVA Kaisheim beleidigt Rechtspfleger bei Videokonferenz
- Donau-Ries: Illegales Autorennen zwischen zwei Frauen?
- Mann fährt immer wieder betrunken Fahrrad